Mir fällt es immer noch sehr schwer die richtigen Worte zu fassen. Man ist einfach betrogen worden, eiskalt. Anhand aller öffentlichen Informationen und Analysen, aller Äußerungen, der Umstände des Leerverkaufsverbots und das die Staatsanwaltschaft gegen die Leerverkäufer ermittelt hat, konnte man Wirecard schon deutlich Übergewichten. Ich verstehe auch diejenigen, die alles auf eine Karte gesetzt haben. Der Abschlag zur PeerGroup war der Wahnsinn und es hat sich absolut nicht angezeichnet, dass es jetzt so kommt, wie es gekommen ist.
Es fehlt zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine realistische Einschätzung der Lage. Anhand der jetzigen Informationen kann man die Situation als Kleinanleger wieder nicht beurteilen. Wir müssen jetzt wieder abwarten, bis etwas offizielles kommt, oder wir müssen zocken.
Viele schreiben hier, dass das Europa-Geschäft seit Jahren defizitär gewesen ist. Laut den Geschäftsberichten in den vergangenen Jahren hat man in Europa etwa die Hälfte des EBITDA erwirtschaftet. Wirklich angekommen ist von diesem riesigen Gewinn in Europa aber kaum etwas, da es alles auf das Treuhandkonto geflossen ist (weired).
Viele schreiben auch, dass niemand mehr mit Wirecard zusammen arbeiten wird. Das kann man aktuell schlecht beurteilen. Ein Großteil des Europa-Geschäfts läuft über die Bafin-regulierte Wirecard Bank AG. Zumindest bei diesen Umsätzen und Gewinnen sollte man davon ausgehen können, dass diese auch existieren. Hier sind sowohl die privaten Kunden (Einlagensicherung 100.000 EUR, als auch die Unternehmen abgesichert). Natürlich besteht die Gefahr, dass die Zusammenarbeit mit Wirecard beendet wird, aber:
- ich habe in den ganzen Jahren von keinem Kunden gehört, dass es bei der Zusammenarbeit Probleme gibt.
- bei der Zahlungsabwicklung geht es a) um Vertrauen und b) um die Konditionen --> Hier könnte Wirecard eine Zeit lang den Preis senken
- Ist das Vertrauen bei den Kunden wirklich verloren, wenn es doch in der Vergangenheit nie Probleme gegeben hat und die Kunden und Händler stets ihr Geld bekommen haben?
- Wirecard ist keine sichtbare Marke wie z.B. VW --> Der Endkunde weiß doch überhaupt nicht, welcher Dienstleister die Zahlung abwickelt
Es gibt hier einen gravierenden Unterschied zu VW. Bei VW sind die Kunden "betrogen" worden. Zusätzlich waren die Aktionäre die Leidtragenden. Hier ist aber kein Kunde betrogen worden. Ich habe von keinem Fall gehört. Hier ist aber der Aktionär der Betrogene. Der Aktionär ist in einer Art und Weise betrogen worden, mir fehlen noch immer die Worte. Man denke an all die Twitter-Nachrichten, an all die Kooperationen, an die Unternehmensentwicklung, an die Vision 2025 und an das unfassbare Wachstum in diesem Payment-Markt.
Trotz meiner oben genannten Punkte, habe ich bereits vor 2 Tagen die Reißleine gezogen. Leider viel zu spät, aber man will sich seinen Fehler nicht eingestehen, man denkt es geht wieder hoch und man trauert dann dem Kurs hinterher.
Es ist schwer weiterhin Vertrauen in den Aktienmarkt zu haben. Wir haben hier einen DAX-Konzern, bei dem der Prüfer offensichtlich jahrelang zu "blind" gewesen ist, die Bankkonten zu prüfen!! Das geht nicht in meinen Kopf rein!!
Das TPA-Geschäft ist im vergangenen Geschäftsjahr per Key Audit Matter von EY geprüft worden. Das Ergebnis: Ein uneingeschränktes Testat!
Schon damals lagen auf dem Treuhandkonto ca. 1 Mrd. EUR. Das hatte fast 20-25% der Bilanzsumme ausgemacht und EY hält es nicht für nötig bei so einer Summe kritischer nachzufragen und sich blind auf irgendwelche Saldenbestätigungen zu verlassen? Das geht nicht in meinen Kopf rein. Das Schlimmste ist, dass EY sicherlich mit "grober Fahrlässigkeit" aus der Nummer kommt und nur mit 4 Mio. EUR haftet. Das ist ein Witz sondergleichen. Das ist die pure "Verarsche"!