„Bei Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“. Diese Juristenweisheit beschreibt in beiden Situationen die Hilflosigkeit und Einflusslosigkeit des Menschen, über dessen Anliegen oder Schicksal entschieden wird.
Nie zuvor hat sich für mich die Bedeutung des Sprichworts so schmerzlich bewahrheitet wie in Sachen Steinhoff.
Fakt ist: Das am 21. Juni 2023 getroffene Urteil im WHOA-Verfahren i.S. Steinhoff Holding, in dem allen Erwartungen zum Trotz dann doch der Restrukturierungsplan von SH zum Nachteil der rund 30.000 Aktionäre – die meisten wohl aus Deutschland – bestätigt wurde, kann man nur als Skandalurteil bezeichnen.
Noch weitaus skandalöser sind m.E. jedoch die Umstände, unter denen das Urteil überhaupt zustande kam. Es war höchstwahrscheinlich nur deshalb möglich, weil auf mutmaßliches Betreiben der holländischen Regierung kurzer Hand das aktionärsfreundliche Richtergremium, das bei der Anhörung am 15. Juni 2023 unter Vorsitz einer sehr kritischen und sachbezogenen Richterin noch zugange war, gegen ein anderes, offenbar unternehmer- bzw. gläubigerfreundliches Richtergremium ausgetauscht wurde, was ein absolutes Novum ist.
Es wird kolportiert, dass Hintergrund für die mutmaßliche Einflussnahme der Regierung auf die Richterschaft (das erinnert mich irgendwie an polnische Verhältnisse) der weitere Aufbau bzw. die Sicherung des Finanzplatzes Niederlande als der Nummer 1 in Europa ist, nachdem Großbritannien nach dem Brexit diese Rolle verloren hat. Deutschland scheidet ja für diese Rolle schon seit Längerem aus.
Damit ist klar: Den politischen Instanzen in den Niederlanden war und ist das Schicksal der Aktionäre von SH – und seien es auch mehrere 10.000 - völlig wurscht, denn es geht aus ihrer Sicht um viel Wichtigeres, nämlich um Staatsinteressen. Um diese durchzusetzen, sorgt man einfach mal dafür, dass regierungswillfährige Richter eingesetzt werden, welche dafür sorgen, dass in einem spektakulären, international bedeutsamen Großverfahren (auf Seiten der SH Holding sollen mindestens 15 Anwälte international renovierter Großkanzleien involviert sein) im Prinzip U n r e c h t gesprochen wird.
Der Kenntnis der noch ausstehenden Urteilsbegründung bedarf es aus Sicht der Aktionäre unter diesen Umständen nicht mehr – sie ist verzichtbar. Denn zu offensichtlich ist, dass – neben der Politik - auch die angeblich unabhängige Justiz mit diesem Urteil den Finanzstrolchen in die Hände gespielt hat. Ich fress einen Besen, wenn die Anwälte der SH Holding über ihre Info-Kanäle davon nicht schon frühzeitig Kenntnis hatten und ihre Strategie voll darauf einrichten konnten.
Nur um es noch mal explizit festzuhalten: Das für den 21. Juni 2023 neu zusammengestellte Richtergremium hat mit seinem Skandalurteil die legitimen und berechtigten Interessen Zehntausender von Kleinaktionären der SH Holding trotz Ausschöpfung deren gewaltigen Stimmrechtspotentials in 2 elementaren Abstimmungen letztlich dann doch nur skrupellos ignoriert und ihrer faktischer Enteignung den Weg bereitet. Obwohl noch bei der Anhörung am 15. Juni 2023 ein durchaus gegensätzlicher Eindruck entstehen konnte. Die Kehrtwende des Gerichts am 21. Juni 2023 in der Urteilsfindung kann man als Außenstehender nur als völlig unverständlich, schändlich und skandalös bezeichnen !!
Soll mir keiner mit der Behauptung kommen, die Rechtsstaatlichkeit sei gewahrt worden ! Das ist absolut lächerlich und unglaubhaft !
Abgesehen davon versetzt das Urteil der vielbeschworenen Aktienkultur – soweit man von einer solchen überhaupt noch sprechen kann - einen weiteren schweren Schlag !
Was dem Gericht die unselige Entscheidung von vornherein natürlich außerordentlich erleichtert hat und die Richterschaft praktisch vogelfrei hat agieren lassen ist die für sich genommen schon skandalöse Tatsache, dass das Urteil u n a n f e c h t b a r ist, was nach den Statuten schon vorher feststand. Das heißt, ein Rechtsmittel dagegen ist ausgeschlossen – und das bereits in der 1. Instanz. Das Gericht musste sich also gar keine große Mühe geben, ein vernünftiges Urteil zu fällen. Es wird ja so oder so auf jeden Fall rechtskräftig.
Nicht nur ich halte den Ausschluss eines Rechtsmittels gerade in einem solch komplexen und in mehrfacher Hinsicht bedeutenden Fall wie der Causa Steinhoff Holding für einen ganz schweren Fehler im europäischen bzw. nationalen Rechtssystem, das sich die niederländische Regierung und die Finanzstrolche von SH und Konsorten offenbar skrupellos zunutze machten. Wie gesagt – es geht ja schließlich um Wichtigeres und Höheres als das Wohl von paar geldgierigen Kleinaktionären, nicht wahr ?