Es ist immer wieder faszinierend zu beobachten, wie man zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommt, obwohl jeder von uns auf die gleichen Information bzw. Dokumente zurückgreift. Vielleicht liegt es ja daran, dass wir dazu neigen, die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses nach der einfachen Möglichkeit zu beurteilen, mit der wir es in den Sinn bringen können. Aber gerade die unterschiedlichen Meinungen und Erwartungen machen ja letztendlich die Faszination an der Börse aus. Oder anders ausgedrückt: "Wenn zwei Menschen immer wieder die gleichen Ansichten haben, ist einer von ihnen überflüssig", so Winston Churchill. Dies vorausgeschickt komme ich nun zum eigentlichen Thema.
Die qualitativ und sachlich hochwertigen Beiträge der letzten Tage habe ich mir zum Anlass genommen, um das Thema "Schuldenerlass" nochmal in den Augenschein zu nehmen. Ich hatte es ja schon durch meine vorherigen Beiträge durchblicken lassen, dass ich keine Anhaltspunkte für Schuldenschnitt sehe. Nach den argumentativ starken und nachvollziehbaren Beiträgen von DJ, Myst, Damage, PrivateBroker, Fun trader99, NoCapital, H7, etc. fand ich es mehr als angemessen, nicht nur die Beiträge kritisch zu würdigen, sondern auch meine Sichtweise zu hinterfragen. Denn die Beiträge zeigen Wege auf, dass ein Haircut möglich ist.
Kurzform der Argumente für den Schuldenschnitt (verzeiht mir, wenn ich diese nur verkürzt darstelle):
1. Im CVA-Verfahren findet in der Regel ein Schuldenerlass statt. Durch CVA werden die operativen Einheiten geschützt.
2. CVA wird abgelehnt, wenn SEAG und SFHG nicht profitabel wären. Dazu wird als Nachweis der nachhaltiger EBITDA/EBIT angeführt
3. Die HF haben die Schulden mit einem ordentlichen Abschlag günstig erworben. Wenn die HF auf 10-20% verzichten, fahren sie dennoch hohe Rendite ein.
Ad. 1: Vollkommen richtig, dass ein CVA typischerweise eine Umschuldung oder Reduzierung der unbesicherten Schulden eines Unternehmens beinhaltet als Teil des Versuchs eines Unternehmens, seine finanziellen Schwierigkeiten anzugehen und dadurch den Eintritt in die Liquidation zu vermeiden. Allerdings kann CVA auch dazu verwendet werden, um ein Unternehmen im Rahmen der Verkaufsvorbereitung zu sanieren (Mitarbeiterentlassung, Ladenschließungen, etc.), wobei CVA ein besseres Instrument zur Wertsteigerung ist als ein Asset-Verkauf durch Insolvenzverwalter. Neben der Verwendung als Sanierungsinstrument für angeschlagene Unternehmen kann ein CVA von insolventen Unternehmen als Mechanismus zur Verteilung von Geldern an Gläubiger als Alternative zur Liquidation genutzt werden.
Aus meiner Sicht schließt CVA als freiwilliger Vereinbarung zwischen den Gläubigern und SEAG/ SFHG keinen Schuldenerlass ein, sondern dies wird dazu verwendet, um die unbesicherten Schulden für drei Jahre hinauszuschieben und gleichzeitig mit Sicherheiten auszustatten. Die so gewonnene Zeit soll dann dafür genutzt werden, die operativen Einheiten zu schützen und deren Unternehmenswert zu steigern, etwaigen Fire-Sale zu vermeiden sowie die neuen Kredite mit günstigen Zinsen umzuschulden. Sollte der Plan in den drei Jahren nicht funktionieren, beinhaltet die CVA-Vereinbarung halt Mechanismus zur Verteilung von Geldern an Gläubiger als Alternative zur Liquidation.
Ad.2: Auch hier teile ich eure Feststellung, dass ein CVA-Prozess ohne belastbare Profitabilität eines Unternehmens vom Richter abgelehnt wird. Jedoch muss ich an dieser Stelle anmerken, dass der "wenig erklärungsbedürftige" nachhaltige EBITDA/EBIT sich auf STHNV als Konzern bezieht und nicht auf SEAG und SFHG. Das ist aber auch nicht schlimm, denn die Gläubiger hätten sowieso nicht LUA zugestimmt, wenn es für SEAG und SFHG keine positive Fortführungsprognose existierte. Denn eine der Bedingungen für Wirksamwerden von LUA war, dass SEAG und SFHG eine positive "going concern" durch anerkannten Finanzexperten testiert bekommen (Siehe DGAP-Meldung vom 11/07/2018). Somit war schon diese Bedingung für SEAG- und SFHG-CVA bereits vor Beginn des CVA-Verfahrens erfüllt.
Ad. 3: Hier wird der Schuldennachlass u.a. damit begründet, dass für die HF ein gutes Angebot sei, da der Barwert bei einer Pauschalzahlung von ca. 80-90 % höher ist als eine aufgeschobeneRückzahlung mit PIK-Zinsen (oder auch die Beispielrechnung von Private Broker). Finanzmathematisch ein starkes Argument und einleuchtend , da es auch aus dem Blickwinkel der Gläubiger argumentiert wird.
Die zentralen Fragen für mich an dieser Stelle waren: Gibt es konkrete Hinweise, wo die HF bis jetzt auf irgendetwas verzichtet haben? Was wurde letztendlich vereinbart? Gibt es nach Omnibus Amendements Anhaltspunkte in den Dokumenten, die diese Argumente untermauern?
Schauen wir uns Hemisphere als Beispiel an, ob die HF auf irgendetwas verzichtet haben. Wir wissen, dass die Schulden von Hemisphere durch den Verkauf von Kika-Leiner-Immobilen reduziert wurden. Seit dem Jahresbericht 2017 wissen wir aber auch, dass der Wert der noch von Hemisphere gehaltenen Immobilien nicht ausreichend ist, um die Restschulden von Hemisphere auszugleichen. STHNV als Holding und Garantiegeber im Geschäftsjahr 2018 erwartet daher, dass ein Teil der endgültigen Garantie in Höhe von 123,9 Mio. € als erwarteter Restbetrag erfasst wird (Annual Report 2017, S. 329). Hier sieht man schon, dass zumindest diejenigen HF, welche die Schulden von Hemisphere günstig erworben haben, keinen Anlass sehen, einen Schuldenerlass (nicht mal partiell) zu gewähren.
Was SEAG und SFHG betrifft, hat eigentlich schon Fun Trader99 (#184242) es auf den Punkt gebracht. Die Höhe der neuen Kredite von Lux Finco 1 und Lux Finco 2, die die Schulden von SEAG und SFHG ablösen, sind längst in den jeweiligen CVA-Dokumenten festgelegt. Daraus lässt sich mMn kein Schuldennachlass ableiten.
Fazit:
Die ganze Restrukturierung besteht eigentlich darin, dass sämtliche Schulden inkl. PIK-Zinsen von SEAG und SFHG erst zum 31.12.2021 (=Termination Date) fällig werden. Die neuen Gesellschaften Lux Finco 1 und Lux Finco 2 müssen am "Termination Date" die Kredite, die die Schulden von SEAG und SFHG ablösen, vollständig zurückzahlen [1].
STHNV hat die Möglichkeit, aber keine Verpflichtung, diese Kredite vorzeitig zu reduzieren (Cash Pay Out) und/oder diese durch Aufnahme neuer Krediten zu günstigen Zinsen zu refinanzieren.
Aber am sog. "Recovery Cap Date" ist die Summer der an die HF zurückzuzahlenden Beträge gleich Nennwert plus PIK-Zinsen. Daran hat sich vom Inkrafttreten von LUA bis zu den Omnibus Amendements nichts geändert.
Zu meiner Überraschung laufen die 5% bzw. 10% PIK-Zinsen der neuen Kredite, die von STHNV garantiert werden, nicht mehr seit dem 14. Dez. 2018, sondern beginnen erst mit "Implementation Commencement Date" [2]-> (Zinsen für halbes Jahr gespart, wohlwollend betrachtet doch noch ein kleiner Schuldenschnitt).
So jetzt ist es aber genug vom Schuldenschnitt.
Ich richte jetzt meinen Fokus lieber auf die Zahlen für H1/2019. Ich freue mich schon darauf. Denn diese Zahlen werden die tatsächliche Ertragskraft der operativen Einheiten zeigen, gerade im Hinblick auf den nachhaltigen EBITDA/EBIT. Der 12 Juli 2019 leitet für mich persönlich den Beginn des Turnarounds ein. Letztendlich hängt der Erfolg dieser ganzen Mühe allein davon ab, wie profitabel die Tochtergesellschaften sein werden.
In diesem Sinne wünsche ich euch weiterhin schöne Pfingstwoche.
Quellen:
[1]
03 - Project Orange - SEAG - 1L Facility Agreement – Comparison, S. 90f
03 - Project Orange - SEAG - 2L Facility Agreement – Comparison, S. 89f
03 - Project Orange - SFHG - 21 22 Facilities Agreement – Comparison, S. 72f)
03 - Project Orange - SFHG - 23 Facilities Agreement – Comparison, S. 60f
[2]
09 - Project Orange - SEAG - SEAG Contingent Payment Undertaking – Comparison, S. 13-14;
10 - Project Orange - SFHG – 21 22 Contingent Payment Undertaking – Comparison, S. 12
Project Orange - SFHG - 23 Contingent Payment Undertaking – Comparison, S. 14