Mit einem stabilen Inlandsmarkt und einem guten Exportergebnis zeigt sich die deutsche Windenergiebranche auch in der Krise stark. Bundesregierung, Hersteller und Zulieferer setzen jetzt vor allem auf Repowering, Offshore-Parks und eine zuverlässige Netzintegration, um die klimafreundliche Energieversorgung aus der Windkraft weiter auszubauen. Auf der internationalen Leitmesse „Wind“, die erstmals im Rahmen der Hannover Messe stattfindet, werden die Weichen für neue Entwicklungen gestellt. * Carolin Seithel, TEMA
Die Hersteller und Zulieferer der Windenergiebranche können optimistisch in die Zukunft blicken. Nach einer aktuellen Statistik des Deutschen Windenergie-Instituts (DeWi) wurden 2008 insgesamt 866Windenergieanlagen (WEA) mit einer Leistung von 1665 Megawatt (MW) neu installiert, was ungefähr dem Vorjahresniveau von 2007 entspricht. So tragen in Deutschland mittlerweile 20.301 WEA mit einer Gesamtleistung von 23.903MW dazu bei, dass sieben Prozent des Stromverbrauchs aus der klimafreundlichen Windenergie gedeckt werden können.
Zwar sind die USA der weltweit größte Windenergie-Markt und verzeichnen gemeinsam mit China und Indien auch ein größeres Wachstum als Deutschland. Doch mit einer Exportquote von über 80 Prozent ist die hiesige Industrie klarer Spitzenreiter: Rund ein Drittel des Weltmarkts für Windenergieanlagen wird von deutschen Herstellern und Zulieferern dominiert. Neben Windrädern und Bauteilen sind auch die Dienstleistungen der Deutschen im Ausland stark gefragt. Die Bremer Firma wpd ist Entwickler, Vermarkter und Betreiber von Windparks und macht mittlerweile rund 50Prozent ihrer Geschäfte auf dem internationalen Markt. Vorstand Dr. Klaus Meier blickt auf ein erfolgreiches Jahr 2008 zurück: „In unseren zentralen Märkten bleiben wir durch die Finanzkrise weitgehend unberührt und sehen sogar mehr Chancen als Risiken. In den nächsten Jahren werden wir unsere Marktposition in Europa weiter ausbauen und in stetigen Schritten auch die weltweite Umsetzung von Windenergieprojekten forcieren.“ Die einstige Nischenbranche steht derzeit für Wachstum und zahlreiche Arbeitsplätze – und dies nicht nur im Windenergiesektor, sondern auch bei Zulieferern aus der Stahlindustrie, dem Maschinen- und Anlagenbau sowie der Elektrotechnik. Nach Schätzungen des Fachverbandes Power Systems innerhalb des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) erwirtschafteten die deutschen WEA-Hersteller und Zulieferer im Jahr 2008 sieben bis acht Milliarden Euro, der Weltmarkt lag bei rund 30Milliarden Euro. Eine Umfrage des Fachverbands unter Herstellern und Zulieferern hat ergeben, dass die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Windindustrie deutlich niedriger als für den Durchschnitt der deutschen Industrie sind. „Die Windindustrie ist also in der derzeitigen Krise einer der Stützen der deutschen Wirtschaft“ berichtet Thorsten Herdan, Geschäftsführer des VDMA Fachverband Power Systems. „Wir sehen nach wie vor weltweit positive Fundamentaldaten, die die Nachfrage nach effizienten und umweltfreundlichen Energietechnologien stützen. Ferner kann der aus erneuerbarer Energien produzierte Strom in vielen Ländern gesichert verkauft werden, da Gesetze ähnlich dem deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in der Breite eingeführt wurden. Das ermöglicht Finanzinvestoren auch in Zeiten der Krise zu agieren.“
Wind als tragende Säule für Klimaziele
Zur Festigung der Spitzenposition im weltweiten Export und zur Stärkung des Marktes im Inland erhofft sich die Windenergiebranche nun positive Impulse von den gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich erneuerbarer Energien. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung erfolgte durch die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Diese sieht Investitionsanreize zur verstärkten Nutzung der erneuerbaren Energien, insbesondere der Windenergie vor. Die Bundesregierung fördert vor allem das Repowering, das heißt den Ersatz alter Windkraftanlagen durch neue Anlagen und die Erschließung der Offshore-Windnutzung. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an den zukünftigen Beitrag der Windenergie zur Stromerzeugung: Bis zum Jahr 2020 sollen rund 30 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien gedeckt werden, 15 Prozent davon aus Wind.
Aus Alt mach Neu – Repowering
Um diese Ziele zu erreichen, muss der Ertrag aus Windenergie noch weiter gesteigert werden, ohne dabei die Umwelt und das Landschaftsbild zu belasten. Mehr Strom mit weniger Windenergieanlagen – auf diese einfache Formel lässt sich das Repowering bringen. Der Ersatz älterer Anlagen durch neue Anlagen der sogenannten Multi-Megawattklasse bringt einen deutlich höheren Ertrag bei sinkenden Betriebskosten. Während es die ersten Anlagen in den 80er-Jahren gerade mal auf eine Nennleistung von 30kW und einen Jahresertrag von 35.000kWh brachten, verfügen die größten Anlagen heute schon über ein Potenzial von bis zu 6MW und einem Jahresertrag von 20 Millionen kWh.
„Der Trend zum Repowering ist klar erkennbar“, sagt Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Wind-Energie (BWE). „Die neue Anlagengeneration bietet die Chance, deutlich häufiger – das heißt mit mehr Vollwattstunden – am Netz zu sein. So lassen sich Binnenlandstandorte weltweit wirtschaftlicher nutzen.“ Ein Rechenbeispiel von TÜV Süd Industrie Service, Abteilung Windenergie, zeigt auf, dass beim Repowering allein durch höhere Anlagen ein Anstieg der mittleren Windgeschwindigkeit um etwa 10 Prozent und ein bis zu 30 Prozent größerer Energieertrag erreicht werden können. Eine Verdoppelung des Rotordurchmessers vervierfacht Leistung und Ertrag zusätzlich. Durch diese Effekte kann der Gesamtertrag trotz reduzierter Anlagenzahl deutlich gesteigert werden. Hinzu kommen Einsparungen bei den Betriebskosten, da eine geringere Anzahl von Anlagen gewartet werden muss.
Grünes Licht für Offshore-Anlagen
Derzeit setzen Bundesregierung, Energieversorger und Großinvestoren große Hoffnungen in die Stromproduktion mit Windenergieanlagen auf hoher See. Denn hier bläst der Wind nicht nur stärker und stetiger als an Land, die Platzkapazitäten sind auch deutlich größer. Während weltweit bereits Offshore-Anlagen mit einer Leistung von über 1000MW im Meer installiert sind, gibt es in Deutschland noch keinen Offshore-Windpark. Doch erfolgreiche Genehmigungsverfahren und Investitionsvolumen von weit über einer halben Milliarde Euro signalisieren einen guten Start. Gut gerüstet ist die Deutsche Windindustrie auch mit bereits erprobten Technologien zur Herstellung, Installation und Wartung von Offshore-Anlagen. Siemens ist schon heute Weltmarktführer bei Offshore-Windkraftanlagen.
Aktuelles Beispiel ist das Projekt Greater Gabbard in Großbritannien. Nach seiner Fertigstellung im Jahr 2011 wird Greater Gabbard mit einer Gesamtleistung von 504MW der weltweit größte Offshore-Windpark sein. Siemens liefert dafür die 140 Windkraftanlagen und die Lösung für den Anschluss an das Stromnetz. „Damit stellen wir unser einzigartiges Portfolio unter Beweis. Es reicht vom Bau und der Lieferung von Hightech-Windenergieanlagen bis zur energieeffizienten Anbindung von Windparks ans Netz“, sagt Gustl-Bernhard Friedl, Leiter des Offshore-Windenergiegeschäfts bei Siemens. Als deutsches „Flaggschiff“ gilt der erste Offshore-Windpark Alpha Ventus, 45 Kilometer vor der Insel Borkum, wo die ersten Windenergieanlagen voraussichtlich ab Frühjahr 2009 errichtet werden. Experten gehen davon aus, dass die Stromerzeugung mit Windenergieanlagen auf hoher See zum wichtigsten Standbein der deutschen Windindustrie wird. Doch bis dahin gibt es noch viel zu tun: „Jetzt ist es wichtig, auch die Stromnetze zu modernisieren, da diese zur Zeit immer öfter an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Insbesondere bei einer Forcierung der Offshore-Aktivitäten sind Fernleitungen nötig, die in der Lage sind, größere Leistungen weiter ins Binnenland zu transportieren“, so Dr. Peter Langer, Sprecher der Geschäftsführung TÜV Süd Industrie Service.
Technologieschaufenster: Leitmesse Wind
Die Erfolge beim Repowering, Offshore-Betrieb und bei der Netzanbindung sind richtungweisend für das Wachstum der Windenergiebranche auf dem In- und Auslandsmarkt. Eine zentrale Plattform für zukünftige technologische Entwicklungen wird die internationale Leitmesse „Wind“ sein, die dieses Jahr erstmals im Rahmen der Hannover Messe stattfindet. Neben den oben vorgestellten Verbänden und Unternehmen werden rund 200 Aussteller hier ihre Anlagen, Komponenten und Services für die Windenergie präsentieren. „Die Windenergiebranche ist zu einer tragenden Säule unter den erneuerbaren Energien geworden und steht deshalb besonders stark im Interesse der Fachbesucher“, sagt Oliver Frese, verantwortlich für die Energieleitmessen der Hannover Messe. „Auf der ‚Wind’ kommen die führenden Unternehmen, Verbände, Investoren und politischen Entscheidungsträger zusammen, um den internationalen Erfolg der Windenergie weiter auszubauen.“ Unterstützt wird die Leitmesse vom Bundesverband Wind-Energie und dem Fachverband Power Systems im VDMA. Von diesem Jahr an wird die „Wind“ alle zwei Jahre Teil der Hannover Messe sein und im jährlichen Wechsel mit der Husum WindEnergy stattfinden.