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20.01.2009 | Aktualisiert 20.01.2009, 17:15 Uhr
Schaeffler
Conti droht das Chaos
Den Managern des 1871 in Hannover als Aktiengesellschaft gegründeten Traditionsunternehmens Continental ist klar, dass die Ära eines eigenständigen Konzerns mit selbstbewusster Kultur zu Ende geht. Nicht nur Finanzvorstand Alan Hippe liebäugelt mit einem Wechsel. Auch eine erhebliche Zahl an Führungskräften der Ebenen darunter und viele Ingenieure tun es - trotz Branchenkrise.
Großaktionär Schaeffler reagiert auf das drohende Chaos lakonisch. "Reisende soll man nicht aufhalten", heißt es im Umfeld des Unternehmens zur Personalie Hippe. Dessen Sperrigkeit nervt besonders Schaeffler-Chef Jürgen Geißinger seit Monaten. Als Hippe vergangene Woche öffentlich über eine Kapitalerhöhung nachdachte, riss Geißinger angesichts des als Affront empfundenen Vorstoßes der Geduldsfaden.
Drohende personelle Verluste in Niedersachsen etikettieren die Bayern um. Die Gefahr von hochrangigen Abgängen zeige doch nur, wie einsam es inzwischen um den langjährigen Patriarchen in Hannover geworden sei: Contis Chefkontrolleur Hubertus von Grünberg.
Der fintenreiche Strippenzieher ist die Zielscheibe des größten Unmuts aus Herzogenaurach. Ehedem ein enger Vertrauter der Unternehmerin Maria-Elisabeth Schaeffler, streuen deren Strategen nun genussvoll die Interpretation, der alte König wolle seine Niederlage nicht einsehen und klebe deshalb an seinem Thron. Nach wochenlanger Schlammschlacht im Hintergrund und lautstarken Attacken des einschlägig bekannten Berufsklägers Frank Scheunert am Montag hat Schaeffler gestern zumindest die Forderung öffentlich gemacht: Von Grünberg soll als Chefkontrolleur sofort zurücktreten, weil er gemeinsame Lösungen systematisch sabotiere.
Der Betroffene ist naturgemäß anderer Meinung. Auch um den Preis, den eigenen Ruf weiter beschädigen zu lassen, sieht von Grünberg sich in der Pflicht, dem neuen Vorstandschef Karl-Thomas Neumann den Rücken zu stärken - um ihm in schwieriger Zeit den nötigen Freiraum zu erhalten. Von Grünberg fürchtet, unter einem neuen Chefkontrolleur von Gnaden Geißingers - sofern der das Amt nicht gleich selbst übernimmt - habe Neumann keine Chance, das Unternehmen operativ zu führen. Geißinger traut er als Chef eines Familienunternehmens nicht zu, die aktienrechtlich festgelegte Machtbalance zu wahren.
Dass von Grünberg früher oder später weichen muss, ist ihm bewusst. Doch jetzt will er noch nicht abtreten, da es um die Konstruktion des gemeinsamen Hauses geht.
Der Ausgang der Schlacht Geißinger gegen von Grünberg hängt von drei wichtigen Faktoren ab: vorrangig den Schaeffler und Continental Kredit gebenden Banken, denen beide Unternehmen faktisch gehören. Dann vom Widerstand der Gewerkschaften, die derzeit erleben müssen, dass ihre mit Schaeffler geschlossene Investorenvereinbarung keinen wirklichen Schutz darstellt. Die Forderung der Franken, nicht nur vier Sitze im Conti-Rat direkt zu besetzen, sondern die weiteren sechs der Kapitalseite zu nominieren, stellt für IG BCE und IG Metall den Bruch der Vereinbarung dar. Schließlich wird die öffentliche Meinung eine große Rolle spielen. Deren Richtung bestimmt nicht zuletzt Ex-Kanzler Gerhard Schröder, der als von beiden Seiten eingesetzter Garant die im Sommer abgeschlossene Vereinbarung überwachen soll.
Die Gefahr ist groß, dass die neuen Conti-Herren aus Herzogenaurach sich verrechnen - vor allem in der Person des angeblich willfährigen Conti-Chefs Neumann. Längst ist der 47-Jährige in Hannover zur Identifikationsfigur einer tragfähigen Struktur geworden. In den mehr als vier Monaten an der Spitze hat er erheblich an Profil gewonnen. Contis Kontrolleure vertrauen ihm. Sollte Schaeffler den in der Investorenvereinbarung garantierten Freiraum missachten, muss Neumann aber sein Amt niederlegen, wenn er glaubwürdig bleiben will. Die übrigen Vorstände dürften folgen.
Danach könnte Schaeffler zwar frei schalten und walten. Aber spätestens dann stellt sich die Frage, was genau die Franken eigentlich für bislang gut elf Milliarden Euro gekauft haben. Ohne die Führungskräfte, die den Erfolg der letzten Jahre begründet haben, ist das übrig bleibende Chaos den Preis nicht wert.
2009 wird ein Gewinnerjahr!
hollewutz