Unabhängig von der Postaktie:
Ich bin inzwischen sehr skeptisch, was die Performance deutscher und europäischer Aktien in nächster Zeit angeht. Zu deutlich ist die Underperformance der europäischen Märkte im internationalen Vergleich. Und das anhaltende Gezeter in der EU deutet leider auch nicht auf eine Stabilisierung der Lage hin. Ich bin deshalb inzwischen sehr unterinvestiert in deutschen und europäischen Aktien: Die Musik spielt zur Zeit auf anderen Weltmärkten.
Ein Kommentar von Simon Betschinger von Traderfox bringt es auf den Punkt:
"...Für mich bedeutete der Brexit folgendes: Großbritannien möchte die zunehmende Fremdbestimmung durch Beamte in Brüssel nicht mehr mitmachen und stattdessen perspektivisch einfach an einem europäischen Binnenmarkt teilhaben, der den Wohlstand für alle Nationen mehrt. So what? Das ist demokratisch legitim. Kein Grund für alle Beteiligten daraus ein Drama zu machen und kein Grund, den Briten für zukünftige Handelsbeziehungen Steine in den Weg zu legen. Die Börse sieht in dem Brexit offenbar etwas Anderes: Den drohenden Zusammenbruch eines Wirtschaftsraumes, der in den letzten Jahrzehnten Wohlstand und Frieden garantiert hat. Das Vertrauen in die europäischen Institutionen, mit den neuen Rahmenbedingungen umgehen zu können, ist schlichtweg nicht vorhanden. Und so erinnern die Kursverluste nach der Brexit-Entscheidung an den Zusammenbruch der Investment-Bank Lehman Brothers im Jahr 2008. Blinde Panik gehen Hand in Hand mit einem großen Zukunftspessimismus. Der Zukunftspessimismus im Jahr 2008 war falsch. Eine expandierende Weltwirtschaft, getrieben von China, beflügelte von 2009 bis 2015 die Märkte. Der Zukunftspessimismus im Jahr 2016 ist ebenfalls falsch. Und zwar nicht aus dem Grund, weil man für Europa zuversichtlich sein kann, sondern weil die neue Lokomotive der Weltwirtschaft in den Startlöchern steht. Indien! Mit fast 1,3 Mrd. Einwohnern kann Indien für die Weltwirtschaft die gleiche beflügelnde Kraft aufbringen wie China in den letzten 10 Jahren.
Um 7,9 % wuchs die indische Wirtschaft im letzten Fiskaljahr. Das Wachstum zieht an. Kluge Visionäre wie Jeff Bezos erkennen die Chancen und positionieren sich. 5 Mrd USD wird Amazon in den nächsten Jahren in Indien investieren. Bezos wird in Indien das größte Forschungs- und Entwicklungszentrum außerhalb der USA aufbauen. Westliche Technologien, Geschäftprozesse und Organisationsstrukturen werden der indischen Wirtschaft zu deutlichen Produktivitätssprüngen verhelfen. Derzeit beträgt das BIP pro Kopf in Indien lediglich 6.300 USD. Fast zehn Mal so hoch ist dieser Wert in den USA. Das Wachstumspotenzial allein durch Technologieadaption ist gigantisch.
Als Börsianer ist es für uns wichtig zu begreifen, dass Europa für die Weltwirtschaft schon bald keine große Rolle mehr spielen wird. Wir dürfen uns von der Untergangsstimmung, die hier herrscht, daher nicht vereinnahmen lassen...."
Vermutlich ist die Deutsche Post in diesem Szenario als Global Player mit rechtzeitiger Präsenz in den zukunftsträchtigen Weltmärkten noch mit am besten positioniert, sollte sich die EU nicht aus ihrer Reformstarre befreien. Ansonsten halte ich es - außer für Trader wie Fairspirit - für längerfristige Investoren für einen Fehler, seinen Focus ausschließlich auf den heimischen Markt zu richten: Immer noch über 20% unter Alltime-High im Dax sprechen wohl eine klare Sprache der großen Marktteilnehmer.
Im Bild: Dow (schwarz) contra Dax und EuroStoxx seit 1.1.16
(Verkleinert auf 61%)