FINANZKRISE Die von der Regierung geplanten Auflagen für den „Hochfrequenzhandel“ an den Börsen
halten viele Experten für unzureichend. Die bisher kritische Bundesbank gibt sich hingegen plötzlich wortkarg.
Im Hochfrequenzhandel lösen Computer-Algorithmen den Kauf oder Verkauf an der Börse aus.
Dies kann zu stark fallenden oder steigenden Preisen führen, etwa von alten Kupferkabeln in Mumbai.
Es waren klare Worte, mit denen
Bundesbank-Vorstand Joachim
Nagel im vergangenen September
die Risiken des sogenannten
Hochfrequenzhandels beschrieb.
Aufgrund der hohen Geschwindigkeit,
mitder dieser automatisierte,
computergestützte
Börsenhandel heute abläuft,
könnten „zukünftige Finanzkrisen
und Systemstörungen immer
spontaner auftreten“ und
würden „zunehmend schwerer
prognostizierbar“, hatte Nagel
damals auf der Fachtagung
„Trade Tech“ gewarnt.
Es „verdichteten sich die Anzeichen“,
dass derHochfrequenzhandel
in bestimmten Situationen
zu einer „zusätzlichen
Marktdestabilisierung“ beitrage
und teils „marktschädigend“
wirke, hatte der Bundesbank-
Vorstand erklärt. So sei der Kurs
der Börsenplattform BATS beim
Börsengang im März 2012 durch
automatisierte Verkaufsorder innerhalb
von 1,5 Sekunden von
15,25 auf 0 Dollar gefallen, berichtete
Nagel – und folgerte: „Es
bedarfdaher einesumfassenden
regulatorischen Rahmens.“
Ganz andere Worte fand die
Bundesbank für ihre Stellungnahme
an den Finanzausschuss
des Bundestags, der am Mittwoch
Experten nach ihrer Einschätzung zu einem geplanten
Gesetz befragte. „Der computergestützte
Hochfrequenzhandel
kann die Effizienz von Finanzmärkten
erhöhen“, heißt es dort.
Den Gesetzentwurf der Regierung,
der im Wesentlichen die
Akteure des Hochfrequenzhandels
zu mehr Transparenz verpflichtet,
auf konkrete Vorgaben
und Einschränkungen aber weitgehend
verzichtet, begrüßte die
Bundesbank. Was zu dieser veränderten
Haltung geführt hat,
ließ sich am Mittwoch nicht klären
– denn trotz Einladung war
kein Vertreter der Bundesbank
zur Anhörung erschienen. Namentlich
gekennzeichnet war
das knappe schriftliche Statement
der Bank nicht. Deutlich
kritischer fielendie Einschätzungen
einiger anderer Experten
aus. Benoît Lallemand von der
Organisation Finance Watch forderte,
ein Entgelt für stornierte
Aufträge einzuführen, um Manipulationen
zu verhindern. Der
Finanzwissenschaftler Rudolf
Hickel schlugebenso wieMarkus
Henn von Weed vor, dass Angebote
oder Nachfragen (sogenannte
Order) mindestens eine Einhalbe
Sekunde lang aufrechterhalten
werdenmüssen–was vielen
Strategien, die auf Zeitvorsprüngen
im Millisekundenbereich
beruhen, die Grundlage
entziehen würde. Mit diesem
Vorschlag könnte auch der Bun-
desverband der Wertpapierfirmenleben.
Order ohne wirkliche
Handelsabsicht würden unterbunden
und eine Benachteiligung
normaler Handelsteilnehmer
gegenüber Hochfrequenzhändlern
verhindert, so Geschäftsführer
Michael Sterzenbach.
Die Deutsche Börse hingegen
teilte mit, Mindesthaltefristen
führten zu einer „nachhaltigen
Störung der Marktstruktur“.
Auch die geplante Zulassungspflicht
für Hochfrequenzhändler
lehnt sie ab: Ein „nationaler
deutscher Alleingang“ könne
„den deutschen Finanzplatz
massiv benachteiligen“. Die Börsen,
denen der Gesetzentwurf eine
wichtige Rollebei der Regulierungzuweist,
verdienenmitdem
Hochfrequenzhandel viel Geld.