ROUNDUP 2: Gerresheimer kann in Viruskrise wieder zulegen - Prognosen stehen

Dienstag, 14.07.2020 12:09 von

(neu: Aussagen aus Telefonkonferenz in Absätzen 4, 5 und 7, Aktienkursentwicklung aktualisiert im ersten und im letzten Absatz.)

DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Der Verpackungshersteller Gerresheimer kann in der Corona-Pandemie auf gute Geschäfte mit der Pharmaindustrie bauen. Nach dem schwächeren Jahresbeginn konnten die Düsseldorfer im zweiten Geschäftsquartal (Ende Mai) wieder zulegen. Vorstandschef Dietmar Siemssen rechnet sich auch hohe Chancen mit Verpackungen für Impfstoffe aus, wie er am Dienstag sagte. Die Aktie lag mit rund einem Prozent bei 93,80 Euro im Plus, das Papier hatte in den vergangenen Wochen bereits eine starke Rally hingelegt.

Im zweiten Quartal stieg der Umsatz dank guter Geschäfte mit der Pharmaindustrie um 1,8 Prozent auf 362,9 Millionen Euro, wie das im MDax notierte Unternehmen mitteilte. Um Wechselkurseffekte und Zu- wie Verkäufe bereinigt war das ein Plus von 4,6 Prozent und traf die Schätzungen von Analysten. Vor allem die Sparte mit Plastikfläschchen, Arzneibehältern und vorfüllbaren Spritzen konnte deutlich zulegen.

Die Prognosen für das laufende Jahr bestätigte Gerresheimer. "Jetzt eröffnen sich neue Wachstumschancen für uns im Pharmageschäft. Für die hohe Nachfrage nach Injektionsfläschchen für die bevorstehenden Impfkampagnen sind wir vorbereitet und erweitern unsere Kapazitäten zusätzlich", sagte Siemssen. Der Manager hatte bereits im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" vor gut einer Woche angekündigt, sich für mögliche Corona-Impfstoffe vorzubereiten.

Über die kommenden zwei Jahre dürfte sich der weltweite zusätzliche Bedarf an Fläschchen für mögliche Corona-Impfstoffe auf 2 bis 2,5 Milliarden Stück belaufen, sagte Siemssen in einer Telefonkonferenz am Dienstag. Rund ein Drittel davon sollte nach vorsichtiger Schätzung auf Gerresheimer entfallen, sagte der Manager. Die großen Pharmakonzerne, die an der Entwicklung von Impfstoffen arbeiteten, hätten sich über sogenannte Risiko-Orders bereits entsprechende Bestände an Impfbehältern gesichert, sagte Siemssen.

Ob Gerresheimer von einem möglichen Abrufen dieser Aufträge bereits dieses Jahr profitieren könne, sei noch nicht klar. Mit dem Großteil eines zusätzlichen Covid-Geschäfts rechnet Siemssen aber erst in den kommenden beiden Jahren.

In diesem Jahr sieht der Vorstand weiter ein Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich bei einer bereinigten Ebitda-Marge von 21 Prozent. Auch in den Folgejahren sieht das Management im Schnitt nach wie vor ein Wachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich, wenn Wechselkursveränderungen sowie Zu- und Verkäufe ausgeklammert werden. Der Anteil des bereinigten operativen Ergebnisses, der vom Umsatz übrig bleibt, soll sich mittelfristig auf 23 Prozent erhöhen. Die Investitionen plant Gerresheimer weiter bei 8 bis 10 Prozent vom Umsatz ein.

An der grundsätzlichen Wachstumsstrategie ändere auch ein zusätzlicher Schub für Corona-Impfstoffe nichts, sagte Siemssen. An die mittel- bis langfristige Aussichten wolle Gerresheimer auch nicht jedes Quartal Hand anlegen, sondern beurteile die Lage in aller Regel am Ende des Geschäftsjahrs, sagte Finanzchef Bernd Metzner.

Die Zahlen zum zweiten Quartal dürften insgesamt trotz des hohen Aktienkurses gut von den Anlegern aufgenommen werden, urteilte JPMorgan-Analyst David Adlington in einer ersten Reaktion. Das operative Ergebnis habe deutlich über den Erwartungen des Marktes und ihm selbst gelegen. Mainfirst-Analyst Daniel Grigat sprach von starken Quartals-Ergebnissen und guten Aussichten für den Rest des Jahres.

Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen lag zwischen März und Ende Mai mit 84,2 Millionen Euro 16,2 Prozent unter dem Vorjahreswert, fiel aber spürbar besser aus als von Experten gedacht. Ein Jahr zuvor hatte Gerresheimer einen Sonderertrag im Zuge einer Übernahme verbuchen können - ohne Sonderposten gerechnet habe das operative Ergebnis um 6,9 Prozent zugelegt, hieß es. Unter dem Strich sank der auf die Aktionäre entfallende Gewinn um knapp 38 Prozent auf 29 Millionen Euro.

Bei Anlegern gilt Gerresheimer als klarer Gewinner der Viruskrise an den Märkten. In diesem Jahr hat das Papier mehr als ein Drittel zugelegt, während der MDax seit Jahresbeginn rund 6 Prozent im Minus liegt. Zwischenzeitlich war aber auch die Aktie der Düsseldorfer kräftig eingeknickt und bis auf fast 50 Euro gefallen. Seit Mitte März kennt der Kurs aber fast nur noch eine Richtung und stieg in den vergangenen Tagen und Wochen mehrfach auf Rekordhochs./men/stk/zb

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