Montag, 13.06.2016 18:02 von Armin Brack | Aufrufe: 603

Warum Facebook & Co. ihre Gewinne viel zu hoch ausweisen ...

Lieber Geldanleger,

wussten Sie, dass Sie als Aktionär jeden Tag belogen werden? Von Analysten, Investmentbanken, den Medien, den Datensammlern und den Firmen selbst.

Alle spielen Spielchen mit ihrem Geld. Nachfolgend erkläre ich Ihnen, wie und warum und erläutere das am Beispiel Facebook.

Im Zentrum des Schwindels steht der Ergebnisausweis der Firmen. Letztlich bestimmen bekanntermaßen die Gewinne und deren Entwicklung die Aktienkurse. Das Problem: Es gibt zwei verschiedene Arten wie diese Gewinne bestimmt werden können.

Regulär, nach den allgemein anerkannten Bilanzierungsrichtlinien (in den USA: GAAP genannt, in Europa: IFRS) und inoffiziell in Form der so genannten Non-GAAP-(NON-IFRS)-Bilanzierung. Für letztere gibt es keine Standards.

Speziell bei Technologieaktien gilt inzwischen die Non-GAAP-Bilanzierung als Maßstab und das führt dazu, dass die offiziellen Ergebnisse teilweise dramatisch überhöht dargestellt werden. Die drei großen Daten-Aggregatoren Thomson Reuters, Zack´s und Fact Set übernehmen diese Pro-Forma-Angaben in ihre Datenbanken, wo sie als offizielle Nettogewinne ausgewiesen werden.

Entsprechend basieren dann auch die jeweiligen Konsensschätzungen der Analysten auf Non-GAAP-Werten (es sei denn die Mehrzahl der Analysten erstellt ihre Schätzungen auf GAAP-Basis).

Schließlich ist es ja im Interesse der Investmentbanken, ein gutes Verhältnis mit den betreffenden Firmen zu pflegen, die ja gleichzeitig auch ihre Kunden sind (z.B. bei der Betreuung von Kapitalerhöhungen).

Mehr noch: Die Firmen teilen den Analysten häufig durch die Blume mit, wie sich das Geschäft entwickelt und was im kommenden Quartalsbericht wie bilanziert werden wird (was offiziell nicht erlaubt ist).

Das Ziel dabei: Die Schätzungen der Analysten sollen nahe am tatsächlichen Ergebnis liegen (was ja deren Kompetenz unterstreicht), letztlich aber wenn möglich knapp darunter sein. Denn dann kann die Firma ein Quartalsergebnis veröffentlichen, das die Erwartungen schlägt, was wiederum den Aktienkurs beflügelt.

Unter dem Strich haben alle das gleiche Ziel: Die Gewinne sollen so hoch wie möglich ausfallen, damit die Aktienkurse so weit wie möglich steigen.

Das Beispiel Facebook zeigt, wie krass die Unterschiede in der Praxis ausfallen. In der Graphik wird in den oberen Säulen der Nettogewinn auf GAAP-Basis ausgewiesen und unten der Nettogewinn auf Non-GAAP-Basis: geldanlage-report.de/_img/FB_Zerohedge1.gif

Der GAAP-Wert war im betrachteten Zeitraum (4. Quartal 2011 bis 4. Quartal 2013) immer deutlich niedriger. Zerohedge hat die kumulierte Differenz ermittelt: geldanlage-report.de/_img/FB_Zerohedge2.gif (Quelle: Zerohedge)

Insgesamt war also der ausgewiesene Non-GAAP-Gewinn von Facebook in Höhe von 3,88 Milliarden US-Dollar satte 109 Prozent höher als der "echte" Gewinn, der kumuliert bei 1,855 Milliarden US-Dollar lag. Schon erschreckend, oder?

In den Zeiträumen danach wurde es in dieser Hinsicht nicht besser. Hier nochmals eine Übersicht von Zerohedge, die die Unterschiede beim operativen Gewinn betrachtet: geldanlage-report.de/_img/FB_Zerohedge3.gif (Quelle: Zerohedge)

Hervorgehoben sind dabei die GAAP und Non-GAAP-Werte für das vierte Quartal 2013 und das vierte Quartal 2014, weil diese besonders schön die Diskrepanz verdeutlichen. Während der operative Gewinn von Facebook auf GAAP-Basis exakt gleich geblieben ist, ist er beim Non-GAAP-Ergebnisausweis um satte 48 Prozent gestiegen.

Die Differenz in absoluten Zahlen: 721 Millionen US-Dollar. Soviel hat Facebook mehr operativen Gewinn ausgewiesen als nach den GAAP-Regeln eigentlich korrekt gewesen wäre.

Alles Schnee von gestern? Schauen wir uns das letzte veröffentlichte Quartal, 1/2016, an: Facebook steigerte hier den Umsatz von 3,54 Milliarden US-Dollar auf 5,38 Milliarden US-Dollar. Das entspricht beeindruckenden 52 Prozent und daran gibt es auch nichts zu mäkeln. Facebook hat ohne Zweifel eine glänzende Entwicklung genommen in den letzten Jahren. Aber halt nicht ganz so glänzend wie uns alle weismachen möchten:

Der operative Non-GAAP-Gewinn wird mit 2,98 Milliarden US-Dollar angegeben, die operativen Margen mit 55 Prozent und der Nettogewinn mit 2,23 Milliarden US-Dollar oder 0,77 US-Dollar je Aktie. Wieder liegen die Werte auf GAAP-Basis mit einem Nettogewinn von 1,51 Milliarden US-Dollar und einem Gewinn je Aktie von 0,52 US-Dollar deutlich darunter.

Wo trickst Facebook konkret?

1. Nun, der mit Abstand größte Batzen an Kosten, die bei der Pro-Forma-Rechnung ausgeklammert werden, sind die aktienbasierten Vergütungen für Mitarbeiter. Diese lagen im letzten Quartal bei satten 703 Millionen US-Dollar. Facebook begründet das damit, dass dies keine cashwirksamen Kosten seien und die Entwicklung des Kerngeschäfts und die operativen Ergebnisse daher nicht angemessen widerspiegeln.

2. Unter den Tisch fallen gelassen wurden zudem die Abschreibungen, die auf immaterielle Vermögensgegenstände (Lizenzen, Markennamen, Patente etc.) vorgenommen werden mussten und die in Verbindung mit vergangenen Akquisitionen angefallen waren. Auch das begründete Facebook mit dem Hinweis, es bestünde hier keine direkte Korrelation mit dem operativen Geschäft. Der Umfang dieser Abschreibungen hatten bei 179 Millionen US-Dollar gelegen.

Schließlich wurden auch Währungsverluste in Höhe von 188 Millionen US-Dollar nicht berücksichtigt, die durch den im ersten Quartal sehr starken US-Dollar entstanden waren. Dies macht allerdings durchaus Sinn, da hier ja in den kommenden Quartalen jederzeit ein umgekehrter Effekt eintreten kann.

Das gilt aber meiner Meinung nach nicht für die beiden ersten Punkte. Schließlich sind hochqualifizierte Mitarbeiter für Technologiefirmen essenziell wichtig, womit ja auch von den Firmen selbst immer wieder die Gewährung hoher aktienbasierter Vergütungen begründet wird. Im Umkehrschluss müssen diese dann aber auch als feste Kosten betrachtet und beim Gewinnausweis als ertragsmindernd berücksichtigt werden.

Bei der Abschreibung auf immaterielle Vermögensgegenstände mag es individuell bei den einzelnen Positionen große Unterschiede geben und im Erfolgsfall könnte beispielsweise der Wert des Markennamens sogar steigen. Die Abschreibungen aber grundsätzlich bei der Gewinnermittlung auszublenden, verfälscht meiner Ansicht nach aber bei den meisten Firmen das Bild und führt zu einem übermäßig hohen Gewinnausweis.

Auf Jahressicht betrachtet dürfte Facebook in 2016 aktienbasierte Vergütungen an Mitarbeiter in Höhe von 3,1 bis 3,3 Milliarden US-Dollar ausschütten. Das entspricht zwar inzwischen nur noch rund ein Prozent der Marktkapitalisierung, aber immerhin gut zwölf Prozent der erwarteten Umsätze und sogar rund 78 Prozent(!) des für 2016 erwarteten GAAP-Nettogewinns von 4,1 Milliarden US-Dollar.

Zieht man den Nettogewinn (auf GAAP-Basis) für 2015 in Höhe von 2,98 Milliarden US-Dollar heran, so übersteigen die aktienbasierten Vergütungen den Nettogewinn sogar.

Die fälligen Abschreibungen auf immaterielle Vermögensgüter sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Ich will Facebook nicht schlecht reden. Das Unternehmen ist mega-erfolgreich und mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Umsätze und Gewinne in den kommenden Jahren kräftig weitersteigen (in 2017 soll der Umsatz schon bei 34,6 Milliarden US-Dollar liegen, was fast doppelt so hoch wäre wie in 2015).

Zudem wird die Höhe der aktienbasierten Vergütungen in Relation zum Gesamtgewinn höchst wahrscheinlich immer weiter zurückgehen, weil Facebook keine ganz großen Übernahmen mehr plant (ein großer Teil der Aktienoptionen wurde im Zusammenhang mit Übernahmen ausgegeben; z.B. 46 Millionen so genannte restricted stock units (RSU) an WhatsApp-Mitarbeiter).

Nichtsdestotrotz sind die Dimensionen an Kosten, die einfach beim Gewinnausweis außen vor gelassen werden, gewaltig. Der für 2015 ausgewiesen Nettogewinn je Aktie von 1,29 US-Dollar auf GAAP-Basis entspricht nur 57 Prozent des Non-GAAP-Gewinns von 2,28 US-Dollar mit dem die Analysten rechnen.

Belässt man der Einfachheit halber das Verhältnis bei 57 Prozent und errechnet auf dieser Basis das 2017er-KGV einmal auf Non-GAAP- und einmal auf GAAP-Basis erhält man beim aktuellen Kurs von ca. 118 US-Dollar Werte von 29 und 45. Das ist ein gewaltiger Unterschied!

Erst Recht, wenn man weiß, dass es auch Firmen gibt, die nur auf GAAP-Basis berichten, wie beispielsweise Apple. Diese haben zwar zuletzt enttäuscht, weisen aber zumindest die echten Gewinne aus.

Denkt Facebook nun um?

Jetzt soll angeblich alles besser werden. Facebook hat angekündigt, man wolle künftig bei den Analystenkonferenzen die GAAP-Zahlen stärker herausstellen. CFO Dave Wehner: "Aktienbasierte Vergütungen spielen eine wichtige Rolle dabei, wie wir unsere Mitarbeiter bezahlen und deshalb betrachten wir sie als echte Ausgaben für unser Geschäft."

Parallel dazu hat das US-Financial Accounting Standard Board (FASB) ab 2017 neue Bilanzierungsregeln erlassen, in deren Rahmen die Buchung aktienbasierter Vergütungen vereinfacht wird. Das soll ein zusätzlicher Anreiz für die Firmen sein, nach GAAP zu berichten.

Grundsätzlich wäre ein Umdenken speziell bei Technologiefirmen bitter nötig. Das Wall Street Journal berichtet, dass im Jahr 2015 die im S&P 500 ausgewiesenen Pro-Forma-Gewinne 25 Prozent höher lagen als die GAAP-Gewinne. Das ist die höchste Differenz seit 2008. CNBC hat in einer eigenen Analyse einen ähnlichen Wert ermittelt.

Im altehrwürdigen Dow Jones sieht es nicht viel anders aus: 67 Prozent der dort enthaltenen Unternehmen wiesen in 2015 Non-GAAP-Gewinne aus, die ca. 30 Prozent höher lagen als die GAAP-Gewinne.

Hier ein historischer Vergleich: geldanlage-report.de/_img/Business_Insider.gif

Inzwischen ist auch die US-Wertpapieraufsichtsbehörde SEC hellhörig geworden. Chairwoman Mary Jo White brachte in einer Rede vor dem U.S. Chamber of Commerce ihre Sorge über diese Bilanzierungspraktiken zum Ausdruck und fürchtet, dass Anleger und Analysten dadurch verwirrt würden. Meine Meinung: Anleger ja, Analysten nicht. Letztere wissen genau, was gespielt wird.

SEC-Chefbuchprüfer James Schnurr wird deutlicher: "Die SEC-Mitarbeiter haben einen signifikanten und in manchen Fällen problematischen Anstieg bei der Verwendung von Non-GAAP-Kennzahlen und der Art und Weise wie diese eingesetzt werden, um Bilanzanpassungen vorzunehmen, festgestellt. "Non-GAAP-Kennzahlen sollten die Gewinn- und Verlustrechnung ergänzen, nicht ersetzen."

Auch Warren Buffett hat sich diesbezüglich bereits öfters zu Wort gemeldet und beschuldigt die Analysten, irreführende Zahlen zu propagieren, die Investoren täuschen.

Ob das aber letztlich wirklich dazu führt, dass auch die Analysten auf GAAP-Schätzungen umschwenken, bleibt abzuwarten. Wenn ja, wird es spannend zu sehen, wie der Markt auf die dann drastisch reduzierten Schätzungen reagieren wird.

Wie Sie sich schützen können

Auf was sollten Sie als Anleger nun achten, damit Sie nicht selbst in die Zahlenfalle tappen.

1. Verlassen Sie sich nicht auf die ausgewiesenen Ergebniszahlen je Aktie und die Gewinnprognosen der Analysten, sondern lesen Sie selber die Geschäfts-/Quartalsberichte der Firmen.

2. Vergleichen Sie bei diesen Geschäftsberichten die "echten" Zahlen nach GAAP, IFRS oder HGB mit den - sofern vorhanden - "Pro-Forma"-Zahlen.

3. Sofern das Unternehmen mit "Pro-Forma"/"Non-GAAP"-Zahlen arbeitet, achten Sie darauf, ob die Verwendung erklärt wird und die Begründung, warum diese verwendet werden, einleuchtet. Ist keine ausreichende Erklärung vorhanden, meiden Sie die Firma bzw. die Aktie.

Auch in Deutschland sind inzwischen vermehrt Shortseller aktiv, wie die Angriffe auf Wirecard und Ströer Media zeigen. Beide Aktien haben sich bisher nur teilweise von den verursachten Kursverlusten erholt.

4. Macht es für das Unternehmen tatsächlich Sinn mit Pro-Forma-Zahlen zu arbeiten, vergleichen Sie die Entwicklung der Zahlen mit den Vorquartalen und ob diese dort auf die gleiche Art und Weise eingesetzt worden sind.

5. Achten Sie darauf, ob positive Sondereffekte auch bei den Pro-Forma-Zahlen ausgeklammert werden oder ob die Firma nur negative Sondereffekte unter den Tisch fallen lässt.

6. Vergleichen Sie den Gewinnausweis mit dem Cashflow-Statement. Als Faustregel gilt: "Echte" Gewinne führen auch zu steigenden Cashbeständen innerhalb der Periode. Vergleichen Sie das Cashflow-Statement auch mit dem vergangener Quartale. Bei manchen Unternehmen unterliegen die Cashflows starken Schwankungen.

MEIN FAZIT:

Technologieaktien sind im Moment nicht nur so hoch bewertet wie seit der Jahrtausendwende nicht mehr, die Firmen versuchen gleichzeitig auch stärker denn je die Gewinne überhöht auszuweisen.

Das birgt natürlich Gefahren. Speziell wenn es operativ nicht so gut läuft wie erwartet (z.B. wie aktuell bei Twitter) steigen aktienbasierte Mitarbeitervergütungen relativ zu den erzielten operativen Gewinnen extrem an. Da es sich häufig um langfristige Vereinbarungen handelt, können die Firmen schlecht gegensteuern.

Aber selbst bei der wohl größten Silicon Valley-Erfolgsgeschichte der letzten Jahre, dem Social Networking-Star Facebook, ist der Umfang der aktienbasierten Mitarbeitervergütungen relativ zum tatsächlichen GAAP-Gewinn erschreckend hoch.

Letztlich ist diese Trickserei beim Ergebnisausweis ein weiteres Indiz für einen überhitzten Aktienmarkt. Die Investoren wollen Wachstum um jeden Preis und die AGs verhalten sich entsprechend, sei es durch überhöhte Ergebnisausweise, sei es durch (Mega)-Übernahmen in Serie. Seien Sie vorsichtig!

Hinweispflicht nach §34b WpHG: Die Geldanlage-Report-Redaktion ist in den genannten Wertpapieren / Basiswerten zum Zeitpunkt des Publikmachens des Artikels nicht investiert. Es liegt daher kein Interessenskonflikt vor. Die in diesem Artikel enthaltenen Angaben stellen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar.


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Armin Brack ist seit Jahren als Aktien-Profi bekannt. Er gehört zum Team der Trading Group, die kostenfreie und kostenpflichtige Börsendienste anbietet. Dabei bietet die Trading Group ein breites Spektrum von Aktien, Devisen, Rohstoffen usw. an. Informieren Sie sich jetzt auf www.trading-group.de oder tragen Sie sich für den kostenfreien Geldanlage-Report (www.geldanlage-report.de) bzw. Trading-Brief (www.trading-brief.de) ein.
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