BERLIN (dpa-AFX) - Einen Tag später als geplant beginnt an diesem Freitag die Urabstimmung der Grünen über den Koalitionsvertrag mit SPD und FDP. Die 125 000 Parteimitglieder können zudem elektronisch - oder falls nötig per Post - über die künftigen grünen Ministerinnen und Minister abstimmen. Interne Querelen um die geplante Besetzung der Kabinettsposten hatten den Auftakt der Urabstimmung verzögert.
Der linke Flügel wehrte sich gegen die Besetzung eines Kabinettspostens mit dem Realo Cem Özdemir, weil diese den linken Fraktionschef Anton Hofreiter das erhoffte Ministeramt kosten könnte
- und so kam es auch. Im Ergebnis sind nun drei von fünf
vorgeschlagenen Grünen-Ministern Realos, zwei Linke. Drei Frauen stehen zwei Männer gegenüber.
Der frühere Parteivorsitzende Özdemir soll nun Minister für Landwirtschaft und Ernährung werden. Er wäre der erste Bundesminister mit türkischen Wurzeln. Grünen-Chef Robert Habeck soll Vizekanzler sowie Klima- und Energieminister werden, Co-Chefin Annalena Baerbock wie erwartet Außenministerin. Das Umweltministerium soll die frühere Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke übernehmen. Die rheinland-pfälzische Klimaministerin Anne Spiegel soll Familienministerin werden - ein Amt, das sie zuvor auf Landesebene ebenfalls schon inne hatte. Die aktuelle Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth soll Staatsministerin für Kultur und Medien werden.
Das stundenlange Hickhack und die nicht mehr zu verbergenden Querelen waren ungewöhnlich. Seit dem Amtsantritt der beiden Vorsitzenden Habeck und Baerbock Anfang 2018 hatten die Grünen zu bis dahin seltener Geschlossenheit gefunden. Nach der Bundestagswahl im September galten beide als Minister gesetzt - womit aber auch schon zwei von fünf Posten von vornherein an Realos vergeben waren. Auch Hofreiter galt als sicherer Ministerkandidat. Ein dritter Mann wäre bei den Grünen, die traditionell Frauen den Vortritt lassen, schwierig geworden, weshalb es eng wurde für Özdemir.
Doch der eloquente Baden-Württemberger löst nicht nur Augenrollen innerhalb des linken Flügels aus, er hat mindestens ebenso entschiedene Fürsprecher. Immerhin holte er 40 Prozent in seinem Stuttgarter Wahlkreis und wurde damit bundesweit grüner Erststimmenkönig bei der Bundestagswahl. "Ich kann mir kein Kabinett mit grüner Beteiligung vorstellen, in dem Cem Özdemir nicht dabei ist. Und ich denke: so geht es den Allermeisten in diesem Land", hatte der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz am Donnerstag auf Twitter erklärt.
Die Urabstimmung bei den Grünen soll nach früheren Angaben der Partei zehn Tage dauern. Für die Annahme des Koalitionsvertrags und die Zustimmung zum Personaltableau ist demnach eine einfache Mehrheit notwendig. Ein Quorum gibt es nicht. Bei SPD und FDP müssen noch Parteitage dem Koalitionsvertrag zustimmen./hrz/DP/zb
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