Montag, 17.05.2021 15:54 von Frankfurter Börsenexperten | Aufrufe: 416

"Hohe Kurse sind mittlerweile exklusiv"

Fondsmanager Frank widmet sich dem Kuriosum optisch teurer Aktien am Beispiel Berkshire Hathaway, nicht zu verwechseln mit fundamental teuren.

17. Mai 2021. FRANKFURT (pfp Adisory). Solche „Probleme“ hätten manche Anleger wohl gerne: Weil der Kurs von Berkshire Hathaway zu stark gestiegen ist, wurde er für die Nasdaq „zu teuer“ und „sprengte“ deren Datenverarbeitungssysteme. In der Mitte der vergangenen Woche, als die Berkshire-Aktie erstmals in die Region um 430.000 US-Dollar vorstieß, waren zeitweise keine Daten mehr auf der Nasdaq-Website zu finden. Stattdessen prangte dort der Hinweis: “Data is currently not available”. Vorübergehend nahm der Börsenbetreiber auch keine Orders mehr entgegen, mit der Begründung, es läge innerhalb des Handelssystems eine interne Preisbegrenzung vor.

Konkret entstand das Problem dadurch, dass die Originalaktie (A-Serie) von Berkshire Hathaway am Mittwoch über der magischen Grenze von 429.496,7295 Dollar gehandelt wurde. Richtig gelesen, gehandelt, denn der Betrieb an der NYSE, an der Berkshire ebenfalls notiert ist, war von der Komplikation nicht betroffen. Für die Mathe-Cracks unter Ihnen: Der krumme Schwellenwert kommt dadurch zustande, dass der Nasdaq-Algorithmus die Aktienkurse als 32-Bit-Zahlen speichert. In diesem Format ist die höchstmögliche Zahl grundsätzlich 2 hoch 32 minus 1, in üblicher Schreibweise also 4.294.967.295. Da die Usancen der Nasdaq vier Nachkommastellen erfordern, war der maximal darstellbare Preis folglich 429.496,7295 Dollar.

Als ich das las, fühlte ich mich spontan an den „Millennium Bug“ erinnert. Dieses Computerproblem, auch als „Y2K“ oder „Jahr-2000-Problem“ bekannt, entstand durch die Behandlung von Jahreszahlen als zweistellige statt vierstellige Angabe innerhalb von Computersystemen. Kurz vor der Jahrtausendwende war dieser Millennium Bug an der Börse ein Riesenthema, das sogar die Notenbanken auf den Plan rief. Katastrophenpropheten befürchteten seinerzeit Computerabstürze in Banken, Industrieunternehmen, Kernkraftwerken oder Waffensystemen. Es ging dann glücklicherweise alles glimpflich aus, aber das ist eine andere Geschichte.

Sechsstellige Kurse sind außergewöhnlich

Zurück zur optisch teuren Berkshire-Aktie: Mit einem Kurs von aktuell über 437.000 Dollar ist sie derzeit die mit Abstand „teuerste“ Aktie der Welt. Wobei ich „teuer“ hier rein auf den Kurswert beziehe – mit „teuer“ im fundamentalanalytischen Sinne, also als Bewertungskennzahl beispielsweise gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis oder der Dividendenrendite, hat das nichts zu tun. So oder so sind sechsstellige Kurse wie bei Berkshire außergewöhnlich. Meistens werden Aktien „gesplittet“, bevor sie derartige Höhen erreichen.

Selbst vierstellige Kurse sind mittlerweile selten. Im US-amerikanischen Leitindex S&P 500 finde ich nicht einmal mehr ein Dutzend Wertpapiere: Neben populären Namen wie den beiden Aktiengattungen der Google-Mutter Alphabet, Amazon, Booking und Chipotle Mexican Grill sind dies die hierzulande wenig bekannten Aktien Autozone, Mettler-Toledo und NVR. (Berkshire Hathaway ist übrigens nicht in dieser Liste, weil im S&P 500 lediglich die „kleine“ B-Aktie enthalten ist, die ein Tausendfünfhundertstel der A-Aktie repräsentiert und damit „nur“ auf einen Kurs von rund 290 Dollar kommt.)

In Deutschland sind vierstellige Kurse mittlerweile ebenfalls die Ausnahme. In den deutschen Auswahlindizes DAX, MDAX, TecDAX und SDAX findet sich keine einzige „Vierstellige“ mehr, am nächsten dran ist noch Rational mit einem Kurs von rund 770 Euro. Außerhalb der deutschen Indizes treten vierstellige Kursniveaus nur noch bei selten gehandelten „Exoten“ auf. Während Gelsenwasser (rund 1.500 Euro) oder Sedlmayr Grund und Immobilien (3.200 Euro) wenigstens noch sporadisch gehandelt werden, gehen bei Spezialitäten wie Fleischerei-Bedarf (8.000 Euro) oder Landshuter Brauhaus (2.800 Euro) nur ausnahmsweise Stücke um. Audi (zuletzt rund 1.500 Euro) wurde vor einigen Monaten von der Börse genommen. Deutsche Balaton zählt für mich bestenfalls halb, ist der optisch hohe Kurs (2.000 Euro) doch durch eine Aktienzusammenlegung im Verhältnis 100:1 entstanden.

Optisch hohe Kurse schrecken ab

Vor der Jahrtausendwende waren vierstellige Kurse keineswegs die Ausnahme. Als ich beispielsweise 1997 VW-Aktien kaufte, kostete eine Stammaktie 880 Deutsche Mark und wenige Monate später bereits deutlich über 1.000 DM. Ich konnte mir seinerzeit nur vier Stücke leisten, und gerade deshalb erschien mir jede einzelne irgendwie kostbar. In meiner Wahrnehmung waren sie gewissermaßen Gegenstücke zu „Pennystocks“.

Denn eine gewisse psychologische Wirkung haben optisch hohe Kurse schon. So zeigen Studien, dass sich manche Anleger von Kursen jenseits der 100er-Marke sehr wohl abschrecken lassen, auch wenn das wenig rational erscheint. Auch deshalb wurden im Vorfeld der Euro-Einführung einige der einstmals „wertvollen Stücke“ von BMW, Linde oder VW rabiat in 10 oder 25 neue Papiere zerschlagen.

Bis dahin hatte so manche Aktiengesellschaft wie etwa Porsche mit optisch „teuren“ Kursen auch die eigene Exklusivität unterstreichen wollen. Ohne die beiden 1:10-Aktiensplits würde eine Porsche-Vorzugsaktie heute übrigens etwa 8.600 Euro kosten. Mancher Konzern setzt auch anno 2021 auf diese Form der Exklusivität. So begrüßt es Warren Buffett, „Mastermind“ und Großaktionär von Berkshire Hathaway, dass die Originalaktie mit über 430.000 Dollar so außergewöhnlich „teuer“ ist, und denkt nicht im Traum daran, sie zu splitten. Denn wegen des hohen Kurses wechselt sie tendenziell seltener den Besitzer und wird damit genau die Sorte von langfristig orientierten Anlegern anziehen, die Buffett gerne als Aktionäre um sich hat. Das erspart ihm wahrscheinlich so manches Problem – auch wenn er dadurch vorübergehend für Trouble bei der Nasdaq sorgt.

von: Christoph Frank
17. Mai 2021, © pfp Advisory

Christoph Frank ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Roger Peeters steuert der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds. Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Frank schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.


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