Montag, 22.03.2021 12:11 von Frankfurter Börsenexperten | Aufrufe: 248

"Die Politik sollte nun ein positives Zeichen setzen"

Fondsmanager Peeters geht den positiven Impulsen aus der Wirtschaft auf den Grund, die im starken Kontrast zur medialen Stimmung stehen, und blickt hinter die geldpolitische Begründung der hohen Börsenkurse.

22. März 2021. FRANKFURT (pfp Adisory).  Am heutigen Montag ist es mal wieder soweit. Vertreter von Bund und Ländern treffen sich (teilweise digital) und bereden, wie die Pandemie-Politik der kommenden Wochen denn so auszusehen hat und werden heute Abend, es kommt langsam einem Ritual gleich, der Nation in einer live im TV übertragenen Pressekonferenz die Ergebnisse verkünden. Man darf gespannt sein, was da auf uns zu kommt.

Viele begnügen sich aber nicht mit dem gespannten Abwarten, sondern werten (oder, vielleicht sollte ich sagen, wüten) bereits im Vorhinein. Angesichts geschlossener Gastronomie kann man in Ersatz des vielzitierten Stammtischs ja das Geschehen in den virtuellen Treffpunkten der modernen Welt, also den sozialen Netzwerken, betrachten. Da bleibt recht schnell der Eindruck haften: Völlig egal, was heute beschlossen wird  der Unmut ist groß. Unmut über zu viel Maßnahmen, Unmut über zu wenig Maßnahmen, Unmut über falsche Maßnahmen, Unmut über ungerechte Maßnahmen. Kurze Streifzüge über Twitter, Facebook und Co. hinterlassen ein wenig das Gefühl, dass die Stimmung, vorsichtig formuliert, angespannt ist.

Nahezu konträr dazu der ganz überwiegende Teil des wirtschaftlichen Geschehens. Abseits der tatsächlich und unverändert Abgehangenen aus Hotellerie, Künstlerszene oder stationärem Einzelhandel ist die wirtschaftliche Grundstimmung gefühlt eine komplett andere als die es vor exakt zwölf Monaten war. Bei einem reinen Blick auf die (nahe den Allzeithochs notierenden) Märkte ließe sich das Ganze noch alleine mit der brachial-offensiven Politik der Notenbanken begründen.

Aber auch wenn man von dieser „ersten Ableitung“ an den Märkten einen Schritt zurück geht auf Ebene der Firmen selbst, dann spürt man (zugegebenermaßen nachfolgend mehr anekdotisch als evidenzbasiert geschildert) durchaus ein gar nicht so negatives Bild. Im Zuge meiner beruflichen Tätigkeit habe ich momentan alleine durch die laufende Berichtssaison der börsennotierten Firmen momentan ein vielschichtiges Bild von der Gemengelage (Randnotiz: Einige Corona-Verlierer-Branchen wie Hotellerie sind auf dem deutschen Kurszettel nahezu gar nicht repräsentiert). Mein persönlicher Eindruck ist: Der ganz überwiegende Teil der Firmen kommt mit der Situation durchaus klar. Weniger Dienstreisen und mehr Remote-Gespräche, aber im Großen und Ganzen läuft es. So höre ich es aus durchaus verschiedenen Industrien. Die Abläufe wurden angepasst und die zu bedienenden Märkte sind vielfach (wieder) intakt.

Da spielen mehrere Faktoren eine gewichtige Rolle. So sind die meisten Konzerne international positioniert und etwa in Asien ist die Welt eine andere. Das Virus spielt kaum noch eine Rolle, die Wirtschaft floriert. Die USA weisen noch hohe Inzidenzwerte aus, aber die fallen wohl auch dank der offensiven Impfpolitik. Somit sieht man dort das Licht am Ende des Tunnels und handelt entsprechend. Ähnliches lässt sich von Impf-Champions wie Israel oder UK berichten. Neben den nun als Lokomotiven wirkenden Regionen wie China oder USA ist auch (anders als 2020) aufrecht erhaltene internationale Warenverkehr als wesentlicher Aspekt zu nennen. Die Lieferketten sind intakt.

Es gibt aber auch hierzulande eine wichtige Abgrenzung zum Frühjahr vor einem Jahr: Aus vielen Köpfen ist die Angst und Unsicherheit vielleicht nicht gänzlich verschwunden, aber doch spürbar zurückgegangen. Infolge dessen werden Autos gekauft, Häuser gebaut, Investitionspläne durchgezogen und auch Übernahme- und Fusionsaktivitäten zwischen den Unternehmen nehmen zu.

So funktioniert nun mal Wirtschaft: Die Konsumenten und Entscheider in den Betrieben kaufen und investieren nicht, weil die Umsatzsteuer temporär um ein paar Prozentpunkte sinkt oder weil gerade Sonderabschreibungen winken, sondern weil sie sich von Konsum oder Investition einen Nutzen in der Zukunft versprechen. „It´s the confidence, stupid“, möchte man in Anlehnung an den berühmten Ausspruch von Bill Clinton in 1992 ausrufen. Und diese Zuversicht sollte unbedingt gehalten, besser sogar noch weiter ausgebaut werden.

Und genau hier sollten meiner persönlichen Meinung nach die Akzente der Politik auf dem Gipfel heute aber auch bei den kommenden Treffen liegen. Mehr lösungs- als problemorientiert. Das klare Aufzeigen von Plänen und Wegen, wie sich etwa das Impfen beschleunigen und das Nachverfolgen optimieren lässt. Diesbezüglich lässt sich auch einiges von anderen Staaten abschauen. Gebt den Leuten einen Masterplan mit Perspektiven, dann wird 2021 ein besseres Jahr als 2020.

von: Roger Peeters
22. März 2021, © pfp Advisory

Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 20 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow Fonds (WKN DWSK62), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds. Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V.. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt.


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