Freitag, 07.08.2020 09:36 von Sven Weisenhaus | Aufrufe: 767

Die Marktreaktionen sind kaum noch widerspruchsfrei zu erklären

Es gibt Zeiten, in denen sollte man sich mit kurzfristigen Trades einfach aus dem Markt heraushalten. Das gilt insbesondere dann, wenn man den Markt nicht richtig einschätzen kann. Und spätestens seit dem gestrigen Verlauf sollte man sich überlegen, ob wir uns aktuell nicht in solchen Zeiten befinden. Denn dem Markt scheint man derzeit mit logischen Überlegungen kaum mehr beikommen zu können. Die Kursbewegungen lassen sich nur noch bedingt sinnvoll und widerspruchsfrei erklären.

Nach positiven Arbeitsmarktdaten stiegen die Aktienkurse wieder

Wie komme ich zu dieser Einschätzung? Werfen wir dazu zunächst einen Blick auf das gestrige Marktgeschehen. Die Aktienmärkte haben seit ca. 9:40 Uhr (MESZ) tendenziell nachgegeben. Soweit ist dies nach den vorangegangenen Kursgewinnen nicht ungewöhnlich. Man könnte diese Bewegung einfach mit simplen Gewinnmitnahmen begründen und würde damit wohl kaum Widerspruch ernten.

Um 14:30 Uhr (MESZ) wurden dann in den USA planmäßig die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe veröffentlicht. Diese fielen besser aus als erwartet. Denn es wurden in der vergangenen Woche lediglich 1,186 Millionen neue Erstanträge gestellt. Erwartet wurden hingegen im Durchschnitt 1,5 Millionen.

Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA

Und es wurden nicht nur die Erwartungen geschlagen, sondern der aktuelle Wert war auch der niedrigste, seit die Zahlen durch die Corona-Krise in den Millionen-Bereich gestiegen sind. Die beiden Anstiege der Vorwochen waren damit womöglich nur ein kurzer Rückschlag in der ansonsten in die zumindest richtige Richtung laufenden Entwicklung. – Wobei die Zahl der Anträge nach wie vor mehr als vier Mal so hoch ist wie vor der Krise, was ein klares Indiz dafür ist, dass die US-Wirtschaft noch sehr weit vom „Normalniveau“ entfernt ist.

Jedenfalls haben sich weniger Menschen arbeitslos gemeldet als zuvor, was aus Sicht der Wirtschaft und damit eben auch für die Aktienmärkte positiv ist. Daher ist es durchaus eine logische Konsequenz, dass Anleger nach der Veröffentlichung der Daten gestern wieder zu Aktien gegriffen haben und die Kurse dadurch nach den Rücksetzern erneut nach oben getrieben wurden. Der Dow Jones konnte innerhalb der ersten 5 Minuten nach Bekanntgabe der Daten rund 100 Punkte zulegen (siehe grüner Pfeil rechts im folgenden Chart).

Reaktion des Dow Jones auf Arbeitsmarktdaten

(erstellt mit: Comdirect)

Soweit erscheint das gestrige Marktgeschehen also völlig logisch. Doch jetzt kommen wir zu einem deutlichen Widerspruch.

Nach negativen Arbeitsmarktdaten stiegen die Aktienkurse wieder

Denn wie vorgestern in der Börse intern zu lesen war, fiel der ADP-Arbeitsmarktbericht deutlich schlechter aus als erwartet. Die logische Konsequenz für die Aktienmärkte wäre also das genaue Gegenteil der gestrigen Reaktion gewesen. Weil weitaus weniger neue Stellen geschaffen wurden als erwartet, können auch weniger Menschen einen neuen Job erhalten. Und das ist natürlich tendenziell schlecht für die Wirtschaft und hätte damit auf die Aktienkurse eigentlich einen negativen Einfluss haben müssen.

Doch wie ich vorgestern auch in der Börse-Intern bereits berichtet habe, gab der Dow Jones im Future-Handel nach Veröffentlichung der schwachen Daten gerade einmal rund 50 Punkte nach und stieg dann über das Niveau, welches vor den Daten markiert wurde (siehe grüner Pfeil links im Chart oben). Und im weiteren Verlauf legte der Index kontinuierlich weiter zu.

Es lässt sich nicht uneingeschränkt widerspruchsfrei argumentieren

Nun hatte ich den vorgestrigen Kursanstieg noch damit begründet, dass die Anleger offenbar auf weitere Liquidität gesetzt haben, die in die Märkte gelangen wird, wenn sich Republikaner und Demokraten in den USA angesichts der unerwartet schwachen Lage am Arbeitsmarkt zügig auf ein neues Hilfspaket einigen.

Doch bei dieser Argumentation hätten die gestrigen deutlich über den Erwartungen liegenden Arbeitsmarktdaten dazu führen müssen, dass die Aktienkurse nachgeben, weil das Hilfsprogramm eben damit womöglich in einem kleineren Umfang verabschiedet werden könnte.

Somit scheint die vorgestrige Marktentwicklung komplett konträr zur gestrigen. Und das lässt sich nicht uneingeschränkt widerspruchsfrei erklären. Es dürfte daher spannend werden, wie der Markt auf den heutigen offiziellen US-Arbeitsmarktbericht reagiert.

Mein Rat lautet jedenfalls: Da weder absehbar ist, wie die Daten ausfallen noch wie der Markt darauf reagiert, sollte man sich auch heute zumindest im Umfeld der Veröffentlichung der Daten besser aus dem Markt heraushalten.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Trading
Ihr
Sven Weisenhaus

(Quelle: www.stockstreet.de)


Über den Autor

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Stockstreet GmbH
Sven Weisenhaus ist Trader und Börsenanalyst. Seine Erfahrungen und Analysen zu den Themen Geldanlage, Börse und Finanzen veröffentlicht er als Redakteur in verschiedenen Publikationen. Er schrieb z.B. über mehrere Jahre einen auf die Elliott-Wellen-Theorie spezialisierten Börsendienst. Seit 2012 veröffentlicht er als Chefanalyst und inzwischen Geschäftsführer einen renommierten Börsennewsletter. Seit einigen Jahren gehört er zum Team von Stockstreet.de und schreibt dort unter anderem die Analysen des „Target-Trend-Spezial“ - einem börsentäglichen Dienst, der unter anderem den DAX nach der Target-Trend-Methode analysiert. Sven Weisenhaus hat auch die Redaktion des bekannten Newsletters "Börse-Intern" übernommen. Für mehr Information: https://www.stockstreet.de/
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