Freitag, 15.06.2018 18:00 von Klaus Stopp | Aufrufe: 273

Der Wink mit dem Zaunpfahl für Rom

In Italien weiß man genau, was gemeint ist, wenn von Spreads oder Risikoaufschlägen für Staatsanleihen die Rede ist. Selbst in populären Zeitungen werden diese aufmerksam verfolgt. Dieser Wert, der in Basispunkten (BP) angegeben wird, beschreibt den Aufschlag, den das Land als Schuldner seinen Gläubigern mehr bezahlen muss, als es die Bundesrepublik Deutschland als bester Schuldner der EU tun muss. Damit ist der Spread eine Indikation für die Kreditwürdigkeit, die man einem Schuldner beimisst.

Nachdem sich die Euro-kritische Regierungsallianz in Rom gefunden hatte, war die Rendite für zehnjährige italienische Staatsanleihen auf bis zu 3,40% nach oben gesprungen – auf den höchsten Stand seit über drei Jahren. Wenn man so will, war das für Rom der „Wink mit dem Zaunpfahl“ durch die Kapitalmärkte. Als Reaktion versicherte Wirtschaftsminister Giovanni Tria, die Koalition werde das Wachstum durch Investitionen und Strukturreformen ankurbeln, und nicht durch eine Erhöhung der Schulden. Auch von einem Euro-Ausstieg nahm man plötzlich wieder Abstand. Dies konnte die Märkte beruhigen, prompt gingen die Spreads wieder zurück. Bei einer Rendite von aktuell rund 2,83% weisen italienische Staatsanleihen einen Spread gegenüber Bundesanleihen von 235 BP auf. Die disziplinierende Funktion der Märkte hat zunächst also gewirkt. Zwischendurch waren die Spreads sogar noch etwas enger zusammengegangen, nachdem Italiens umstrittener Europa-Minister Paolo Savona eine Kehrtwende mit Blick auf den Euro hingelegt hatte. Er, der eigentlich mal aus dem Euro aussteigen wollte und sich deutschfeindlich geäußert hatte, pries nun plötzlich am Mittwoch die Gemeinschaftswährung als unverzichtbar und war voll des Lobes für Deutschland.

Die Erleichterung am Anleihenmarkt steht allerdings auf dünnem Eis. Denn eine Verschuldung von 132% des BIPs kombiniert mit einer populistischen Regierung bietet genügend Grund zur Skepsis. Dies wird auch durch den Umstand deutlich, dass zu Zeiten der Regierungsbildung sowohl Bürger als auch Unternehmen rund 1 Mrd. € pro Tag ins sichere Ausland brachten, wie die „Süddeutsche“ berichtete.

Diese Kapitalflucht nach Deutschland trägt zu einem Anstieg der sogenannten Target-2-Salden bei, welche die Geldströme im europäischen Zahlungsverkehrssystem widerspiegeln. So stellt die Deutsche Bundesbank fest, dass ihre Guthaben im Target-2-System im Mai um 50 auf 956 Mrd. € gestiegen sind. Damit erreichen die Forderungen der deutschen Notenbank an die Europartner ihren bisher höchsten Stand. Umgekehrt steht die italienische Notenbank mit dem Rekordwert von 456 Mrd. € in der Kreide – Tendenz steigend. Target-2 stellt ein Verrechnungssystem dar, über das sich die Europartner untereinander unverzinslich mit Kapital aushelfen. Innerhalb des Systems bildet sich dann ein Negativsaldo, wenn ein Mitgliedsland dauerhaft mehr in einem anderen kauft oder investiert. Umgekehrt entstehen Positivsalden.

Solange Italien Mitglied der Euro-Zone bleibt, sind auch die Target-2-Guthaben der Bundesbank prinzipiell kein Problem. Kritisch wird es aber, sollte Rom der Euro-Zone den Rücken kehren wollen. Dann bliebe die Bundesbank auf ihren Forderungen sitzen – und der Steuerzahler wäre der Gelackmeierte. Daher werden die Märkte auch weiterhin die Risikoaufschläge für Staatsanleihen genau im Auge behalten.

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Baader Bank AG
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
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