Als Folge der Finanzkrise 2009 traten die Zinsen den Rückzug an. Bis heute ist Geld billig wie nie. Viele Unternehmen wie 3M oder McDonald’s nutzen die Niedrigzinsen für die Aufnahmen von Schulden, um in zuvor nicht gekanntem Ausmaß eigene Aktien zurückzukaufen. Eigentlich sind Aktienrückkäufe als Wohltat für Aktionäre gedacht, weil bei weniger Aktien im Umlauf jede verbleibende Aktie einen größeren Anteil an Gewinn und Dividende abbekommt. Allerdings verfälschen massive Aktienrückkäufe fundamentale Kennzahlen wie den Gewinn pro Aktie. Viele Aktionäre tappen im Dunkel, ob der Gewinnanstieg pro Aktie auf echtem Gewinnwachstum oder lediglich auf Aktienrückkäufen beruht. Die daraus entstehende Unsicherheit manifestiert sich in Artikeln und Videos, in denen die Aktienrückkäufe einzelner Unternehmen teilweise sensationsträchtig angeprangert werden. Für eine seriöse Fundamentalanalyse ist das freilich wenig hilfreich.
Ab sofort hält der Aktienfinder die Lösung parat. In einem vollständig aktualisierten Chart seht ihr jetzt, welchen Anteil Aktienrückkäufe an der Gewinnsteigerung pro Aktie haben. Auf einen Blick wird klar, welche Rolle Aktienrückkäufe bei einem Unternehmen spielen. So hat McDonald’s im Jahr 2016 so viele Aktien zurückgekauft, dass der Gewinn pro Aktie allein deshalb um 48 US-Cent stieg. Der Gewinnanstieg pro Aktie um 64 US-Cent war zum größten Teil auf Aktienrückkäufe zurückzuführen!
Der Aktienfinder leistet auch hier Pionierarbeit, denn diese wesentliche Information zeigt meines Wissens bisher kein noch so teures Research-Tool an.
Weitere Beispiele massiver Aktienrückkäufe und deren Auswirkungen finden sich bei beliebten Dividenden-Aktien wie 3M. So konnte 3M im Jahr 2018 den um die US-Steuerreform bereinigten Gewinn pro Aktie nur Dank Aktienrückkäufe um bescheidene 9 US-Cent pro Aktie erhöhen. Ohne Aktienrückkäufe hätte 3M einen Gewinnrückgang pro Aktie von 7 US-Cent verkünden müssen. Auch im Jahr 2015 war die Gewinnsteigerung pro Aktie ausschließlich auf Aktienrückkäufe zurückzuführen:
Doch auch bei Highflyern wie Apple spielen Aktienrückkäufe bei der Beschönigung der Kennzahlen pro Aktie eine wesentliche Rolle. Seit dem Jahr 2014 ist der Gewinnanstieg pro Aktie ganz wesentlich auf Aktienrückkäufe zurückzuführen:
Dividenden sind out – Aktienrückkäufe sind in
Anfang der 1980er Jahre waren Aktienrückkäufe in den USA noch kein Thema. US-Unternehmen beteiligten die Aktionäre am Gewinn fast ausschließlich über Dividenden. Das änderte sich in den USA ab 1982 innerhalb weniger Jahre deutlich, als Aktienrückkäufe über die Börse erlaubt wurden.
Schon 1985 erfolgten Aktienrückkäufe in Höhe von mehr als der Hälfte der ausgeschütteten Dividenden. Es sollte allerdings bis 1997 dauern, bis das Volumen der Aktienrückkäufen das Volumen der ausgeschütteten Dividenden übertraf. Im Jahr 2018 überstieg das Volumen an Aktienrückkaufen das der Dividenden um über 50 Prozent! Heute beteiligen US-Unternehmen ihre Aktionäre in erster Linie über Aktienrückkäufe am Unternehmensgewinn (oder nehmen sogar Schulden hierfür auf). Dividenden spielen nur noch die zweite Geige. Zu dieser Aussage passt, dass im Jahr 2018 zwar 43 Prozent der US-Unternehmen Dividenden ausschütteten, mit 53 Prozent aber deutlich mehr Unternehmen eigene Aktien zurückkauften.
Aktienrückkäufe und Dividenden sind kein Entweder-oder. Wir du anhand der einführenden Beispiele von McDonald’s, 3M und Apple gesehen hast, kaufen viele Dividendenzahler parallel eigene Aktien zurück. Dabei nimmt auch außerhalb der USA in Europa und Asien die Bedeutung von Aktienrückkäufen zu.
Vielen Aktionären und insbesondere Fans einer Dividendenstrategie ist weder die hohe Bedeutung von Aktienrückkäufen bewusst noch deren Auswirkungen auf ihre Investments.
Wenn die Bilanz vor eigenen Aktien überquillt
Bei Aktienrückkäufen können die Aktien entweder für alle Zeiten eingezogen (d.h. vernichtet) oder bilanziert werden, um die Aktien später wieder ausgeben zu können. Werden die Aktien bilanziert, sammeln sich diese in der Bilanz an. Über die Jahre nimmt die Summe bei einigen Unternehmen eine eindrucksvolle Größe an. Im Extremfall überschreitet der bilanzierte Wert der zurückgekauften eigenen Aktien sogar den bilanzierten Wert des Unternehmens um ein Vielfaches. Das ist beispielsweise bei Texas Instruments der Fall, wo das Unternehmen laut Bilanz ein Vermögen von 17,3 Milliarden USD hat (Goodwill + Cash + Wertpapiere + Kernvermögen). Mit 34,5 Milliarden USD übersteigen die zurückgekauften Aktien (Treasury Stocks) den Unternehmenswert um fast das Doppelte! Der Aktienfinder bereitet diese überraschende Konstellation grafisch auf:
Unternehmen mit den meisten eigenen Aktien
Als Bonbon hier die 30 Unternehmen mit den meisten eigenen Aktien in der Bilanz. Die Spalte „Vgl. zur Bilanzsumme“ gibt die Relation zwischen der Bilanzsumme und der Bilanzposition „Eigene Aktien“ (Treasury Stocks) an. 100 Prozent bedeutet, dass beide Größen identisch sind. Spitzenreiter ist die Waters Corporation, deren Bilanzposition „Eigene Aktien“ stolze 330 Prozent des gesamten Bilanzsumme entspricht. Diese Position „Eigene Aktien“ kann größer als die gesamte Bilanzsumme sein, weil sie negativ ist und so die Bilanzsumme reduziert. In der Liste sind auch bekannten Namen wie Illinois Tool Works, McDonald’s oder Procter & Gamble enthalten.
Isin | Name | Land | Bilanzsumme [Mrd. €] | Position "Eigene Aktien" [Mrd. €] | Vgl. zur Bilanzsumme | Dividende |
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US9418481035 | Waters Corporation | USA | 2,667 | 8,789 | 330% | |
US1773761002 | Citrix Systems Inc | USA | 4,331 | 11,132 | 257% | 1.0% |
US8825081040 | Texas Instruments Inc | USA | 17,283 | 36,002 | 208% | 2.7% |
US62944T1051 | NVR Inc | USA | 3,888 | 7,813 | 201% | |
US2786421030 | Ebay Inc | USA | 18,929 | 34,946 | 185% | 1.3% |
US5926881054 | Mettler Toledo | USA | 2,886 | 4,730 | 164% | |
US5261071071 | Lennox International | USA | 2,128 | 3,412 | 160% | 1.4% |
US4612021034 | Intuit Inc | USA | 7,764 | 11,929 | 154% | 0.7% |
IL0010824113 | Check Point Software Tech | Israel | 5,621 | 8,410 | 150% | |
US45168D1046 | IDEXX Laboratories | USA | 1,886 | 2,788 | 148% | |
US1941621039 | Colgate-Palmolive | USA | 15,070 | 22,104 | 147% | 2.4% |
US4523081093 | Illinois Tool Works | USA | 14,149 | 19,680 | 139% | 2.4% |
US0758961009 | Bed Bath & Beyond Inc | USA | 7,791 | 10,716 | 138% | 8.4% |
US09857L1089 | Booking Holdings | USA | 17,862 | 24,115 | 135% | |
US5801351017 | McDonald's | USA | 50,568 | 67,134 | 133% | 2.5% |
US78409V1044 | S&P Global | USA | 10,463 | 13,329 | 127% | 0.8% |
US61174X1090 | Monster Beverage Corp | USA | 4,881 | 5,799 | 119% | |
US4370761029 | Home Depot Inc | USA | 58,737 | 65,793 | 112% | 2.3% |
US4592001014 | IBM Corp | USA | 153,403 | 169,437 | 110% | 5.0% |
US0382221051 | Applied Materials Inc | USA | 21,815 | 23,995 | 110% | 1.5% |
US57636Q1040 | Mastercard | USA | 30,648 | 33,531 | 109% | 0.5% |
US3848021040 | W.W. Grainger | USA | 7,177 | 7,720 | 108% | 1.8% |
US55354G1004 | MSCI Inc | USA | 3,912 | 3,939 | 101% | 0.9% |
US5128071082 | Lam Research Corp | USA | 12,939 | 12,919 | 100% | 1.6% |
US7739031091 | Rockwell Automation | USA | 6,666 | 6,522 | 98% | 1.8% |
US7181721090 | Philip Morris International | USA | 37,494 | 35,146 | 94% | 6.3% |
US7427181091 | Procter & Gamble | USA | 118,560 | 105,823 | 89% | 2.6% |
US6153691059 | Moody's | USA | 11,306 | 9,524 | 84% | 0.8% |
US7512121010 | Ralph Lauren | USA | 7,280 | 5,778 | 79% | 3.3% |
US67018T1051 | Nu Skin Enterprises | USA | 1,746 | 1,384 | 79% | 3.8% |
Ebenfalls interessant ist die Info, dass die meisten dieser Unternehmen ebenfalls eine, teils stattliche, Dividende ausschütten.
Sind Aktienrückkäufe schlecht?
Wer an der Börse nach dem Motto „nur bares ist wahres“ verfährt und langfristigen Kursgewinnen misstraut, wird den Bedeutungsverlust der Dividende mit Argwohn beäugen. Der Argwohn wird verstärkt, wenn berichtet wird, dass Unternehmen Aktienrückkäufe durch neue Schulden finanzieren