Crowdfunding: Finanzierung durch die Masse der Kleinanleger.
Montag, 02.07.2018 12:00 von | Aufrufe: 1602

Immobilien-Crowdinvesting: Renditechance mit Risiken

Crowdfunding: Finanzierung durch die Masse der Kleinanleger. - © AndreyPopov / iStock / Getty Images Plus / Getty Images

Vor kurzem verkündete die Europäische Zentralbank (EZB), auch weiterhin an ihrer Nullzinspolitik festhalten zu wollen. EZB-Präsident Mario Draghi erklärte, dass vor 2020 nicht mit steigenden Zinsen zu rechnen sei. Im nunmehr seit fast zehn Jahren anhaltenden Niedrigzinsumfeld suchen Anleger nach Investmentmöglichkeiten, die höhere Renditen versprechen – eine davon ist das Immobilien-Crowdinvesting, dessen Volumen  sich dem „Crowdinvest Report 2017“ zufolge im vergangenen Jahr zum dritten Mal in Folge verdreifacht hat. 2017 belief es sich auf rund 200 Millionen Euro, ein Plus von mehr als 170 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Wie funktioniert das Anlagesegment?

Projektfinanzierung mithilfe der Crowd

Per Crowdinvesting gelangen Immobilien-Projektentwickler an zusätzliches Kapital, indem Anleger sich an der Finanzierung beteiligen. Dabei gelten feste Laufzeiten; die mögliche Rendite beträgt oft mehr als fünf Prozent.  Sie ist für 70 Prozent der Anleger der wichtigste Grund, in das noch junge Segment zu investieren, wie eine Allensbach-Studie im Auftrag der Plattform iFunded herausfand. Finanziert werden können die unterschiedlichsten Arten von Immobilien, darunter Einkaufscenter, Wohnkomplexe für Senioren oder Luxusappartements. Mittlerweile, so ergab vor kurzem eine Studie von EY Real Estate, soll jeder vierte Projektentwickler ein Crowdfunding planen. Beim Immobilien-Crowdinvestment haben Anleger keinen direkten Kontakt zu den Projektentwicklern, die das Geld letztlich erhalten, sondern schließen den Vertrag über Internetplattformen ab, die die Finanzierungen vermitteln. In Deutschland sind das beispielsweise Anbieter wie Zinsbaustein, Exporo oder Zinsland.

Risiko durch Nachrangigkeit

Ein wesentlicher Unterschied zum direkten Immobilienkauf sind aus Investorensicht die geringen Beträge, mit denen man sich an Projekten beteiligen kann. Teilweise bieten Crowdinvesting-Plattformen bereits Beteiligungen ab 250 Euro an, die das Modell auch für Kleinanleger attraktiv machen. Die Laufzeiten sind dabei üblicherweise kurz und liegen zwischen 12 und 36 Monaten; das eingesetzte Kapital gibt es mitsamt der Zinsen nach einem erfolgreichen Abschluss des Immobilienprojekts zurück. Und genau darin besteht das Risiko beim Crowdinvesting in Immobilien: Denn bei den Darlehen, die Anleger den Projektentwicklern zur Verfügung stellen, handelt es sich um sogenannte Mezzanine-Finanzierungen bzw. Nachrangdarlehen – im Fall eines Scheiterns der finanzierten Projekte sind die Forderungen nachrangig, was einen Totalverlust möglich macht.

Es gab bereits einen Fall, wo genau das passiert ist: Im vergangenen Jahr stellten ein Projektentwicklungs-Unternehmen und seine Muttergesellschaft, die über die Crowdfunding-Plattform Zinsland Geld für den Bau von 52 Mikro-Appartements in Berlin geliehen hatten, einen Insolvenzantrag. Zinsland-Geschäftsführer Carl von Stechow sagte damals dem „Tagesspiegel“, dass die Probleme bei dem Projekt für ihn „völlig unerwartet“ gekommen seien. Dass die rund 300 Anleger, die dem Projekt insgesamt 1,25 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hatten, ihr Geld zurückbekommen, ist nach jetzigem Stand eher unwahrscheinlich. Obwohl das unrühmliche Ende des Berliner Immobilienprojekts bisher die Ausnahme unter den zahlreichen erfolgreichen Finanzierungen mittels Crowdinvesting-Plattformen darstellt und die Ausfallquote bei Projekten nach Angaben des Portals Crowdinvest.de nur 0,2 Prozent beträgt – das Beispiel zeigt, dass das Renommee, das Immobilien als sichere Anlageform genießen, für das Immobilien-Crowdinvesting nur eingeschränkt gilt. So gab Steffen Sebastian, Professor für Immobilienfinanzierung an der Universität Regensburg, gegenüber dem Magazin „Capital“ zu bedenken, dass „vor allem kleine und mittlere Unternehmen“ ihre Projekte mithilfe von Crowdinvesting-Plattformen finanzieren. Der Erfolg solcher Projekte sei laut Sebastian letztlich eine „Glückssache“.

Oft gilt keine Prospektpflicht

Eine grundsätzliche Schwierigkeit beim Immobilien-Crowdinvesting ist die Bewertung der Risiken. Den einzigen Anhaltspunkt bieten die Beschreibungen und Präsentationen der Projekte auf den Anbieterseiten. Solange das Finanzierungsvolumen nicht die Marke von 2,5 Millionen Euro überschreitet und beim Anlagebetrag bestimmte Höchstgrenzen eingehalten werden, sind Anbieter dabei von der sogenannten Prospektpflicht befreit. Die Prospektierung von Vermögensanlagen soll laut Angaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sicherstellen, dass potenzielle Investoren „ umfangreich und verlässlich über den Emittenten und das betreffende Wertpapier oder die Vermögensanlage informiert“ sind und sich ein „zutreffendes Bild über das Angebot“ machen können – beim Immobilien-Crowdinvesting ist das oft nicht sichergestellt.

Was Anleger beachten sollten

Um das Risiko eines Totalausfalls zu verringern, sollten Anleger deshalb nicht nur Art und Lage des finanzierten Projekts genauestens prüfen, sondern sich auch ein Bild über die Projektentwickler und Bauträger machen: Seit wann existiert die Firma schon und wie etabliert ist sie? Welche Immobilienprojekte sind bisher mit welchem Erfolg durchgeführt worden? Beachtet werden sollte auch, ob die bisherigen Projekte in der gleichen Immobilienklasse angesiedelt waren – oder ob z.B. ein Entwickler von Gewerbeimmobilien sich nun im Bereich der Seniorenresidenzen versucht. Auch die finanzielle Situation sollte vor einer Beteiligung geprüft werden, z.B. mithilfe von Bonitätsratings oder Jahresabschlüssen: Die Höhe des Eigenkapitals und die Liquidität können darüber entscheiden, ob Verzögerungen des Projekts problemlos gemeistert werden können – oder ob es bei Schwierigkeiten schnell zu einer Insolvenz kommen könnte. Und neben diesen spezifischen Hinweisen gilt wie bei allen Investments, dass Diversifikation den Totalausfall einer Anlage kompensieren kann: Statt alles auf eine Karte zu setzen, sollten Anleger, die sich für das Immobilien-Crowdinvesting entscheiden, besser kleinere Beträge auf mehrere Projekte verteilen.

Weitere Informationen zum Crowdinvesting finden Sie im Immobilien-Bereich auf ARIVA.DE.


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