Das Bankenviertel in Frankfurt. Die Mainmetropole ist der wichtigste deutsche Finanzplatz. (Symbolfoto)
Mittwoch, 26.06.2013 09:48 von | Aufrufe: 3068

Familiengesellschaften: GEX kann dem DAX nicht mehr folgen

Das Bankenviertel in Frankfurt. Die Mainmetropole ist der wichtigste deutsche Finanzplatz. (Symbolfoto) pixabay.com
Viel China im deutschen Index

Mit einem Kursverlust von mehr als 40 Prozent in den vergangenen zwei Jahren ist die Entwicklung des GEX eine herbe Enttäuschung. Der Index fasst Aktien von Unternehmen zusammen, die von Eigentümerfamilien dominiert werden. Doch nicht das Auswahlkriterium könnte das Problem sein, sondern eine spezielle Indexregel – und darüber hinaus auch der Aktienmarkt im fernen China.

Kiel, 26.06.2013 (ARIVA.DE/es) Familiengeführte Unternehmen galten lange Zeit als Perlen unter den in Deutschland gelisteten Aktiengesellschaften. Ihr Management sei deutlich stärker auf Nachhaltigkeit und langfristigen Erfolg ausgerichtet als das anderer Konzerne, könne darüber hinaus flexibler reagieren, und zudem zeichneten sich dieses Unternehmen durch hohe Eigenkapitalquoten aus, so lauten die Argumente.

Die Deutsche Börse schickte 2005 mit dem German Entrepreneurial Index GEX eigens einen Index ins Rennen, der ausschließlich Konzerne berücksichtigt, deren Aktien zu mindestens einem Viertel (und zu maximal 75 Prozent) von aktiven oder ehemaligen Vorständen oder Aufsichtsräten sowie deren Familien gehalten werden. Sechs Jahre lang schnitt der GEX besser ab als der Leitindex DAX. Doch diese Zeiten sind vorerst vorbei: Zuletzt konnte der GEX nicht einmal ansatzweise mit der allgemeinen Entwicklung des deutschen Aktienmarktes mithalten. Dr. Stefan Vetter und Christian Twiehaus vom Research-Team der Deutschen Bank machen dafür vor allem eines verantwortlich: die Konstruktion des Index.
 
„Seit seiner Auflegung ist die Anzahl der gelisteten Unternehmen um über 70 Prozent von 116 auf 34 gesunken“, sagt Vetter. Dies habe zum einen an insgesamt sinkenden Gründungszahlen gelegen und an weniger Börsengängen in den vergangenen Jahren. Zum anderen aber auch wesentlich an einer der Indexregeln, die besagt, dass nur Unternehmen aus dem Prime Standard der Deutschen Börse in den Index aufgenommen werden dürfen, deren Börsengang nicht länger als zehn Jahre zurückliegt. „Langfristig erfolgreiche Unternehmen finden sich aufgrund der 10-Jahres-Regel im GEX nicht“, folgert Vetter.

Das wirft natürlich die Frage auf: Wie will man messen, ob Familienunternehmen auf lange Sicht erfolgreicher sind, wenn Konzerne mit längerer Börsengeschichte beim Index außen vor bleiben? Doch die aktuelle Zusammensetzung des GEX überrascht auch noch in anderer Hinsicht: 20 Prozent der im Index geführten Unternehmen stammen, wenn man die Betriebstätigkeit des Gesamtkonzerns zum Maßstab nimmt, nicht aus Deutschland, sondern aus China.

Beispiel: ZhongDe Waste. Die ZhongDe-Gruppe hat in den vergangenen Jahren mehr als 200 Müllverbrennungsanlagen in China errichtet. Sie produziert im ostchinesischen Fuzhou, Hauptsitz der Gruppe ist Peking. In Deutschland gelistet ist die Aktie der ZhongDe Waste Technology AG, einer Tochtergesellschaft, deren Geschäftssitz sich in Frankfurt befindet. „Nach unserer Definition ist ZhongDe Waste ein deutsches Unternehmen, da sie in Deutschland incorporated sind und eine deutsche ISIN haben“, erklärt Andrea Weidemann von STOXX, der gemeinsamen Indextochter von Deutscher Börse und SIX.

Auch Ming Le Sports, United Power Technology, China Specialty Glass, Fast Casualwear, Haikui Seafood und Asian Bamboo haben unabhängig von der Hauptgeschäftstätigkeit des Gesamtkonzerns ihren Sitz in Deutschland. Auch sie sind im GEX vertreten. So kommt es zu der kuriosen Situation, dass die Deutsche Börse selbst zwar auf ihren Webseiten den Aktien dieser Unternehmen den Ursprung China zuweist, die Papiere aber dennoch ins Auswahluniversum für ihre deutschen Indizes aufnimmt.

In Bezug auf den GEX ist die Herkunft deshalb von Bedeutung, weil die China-Papiere analog zum chinesischen Aktienmarkt in den vergangenen beiden Jahren stark an Wert verloren haben. Daher ist die Länderzusammensetzung neben der 10-Jahres-IPO-Regel eine weitere mögliche Erklärung für die zuletzt sehr unterschiedliche Entwicklung vom German Entrepreneurial Index und dem deutschen Leitindex DAX.

Der Chartvergleich macht die Diskrepanz deutlich: Während der DAX in den vergangenen beiden Jahren um 5,3 Prozent zugelegt hat, verlor der GEX im selben Zeitraum mehr als 46 Prozent an Wert. Dr. Stefan Vetter von der Deutschen Bank nennt als einen weiteren Grund für die sich öffnende Schere die unterschiedliche sektorale Zusammensetzung. „Solarwerte machten 2011 noch 25 Prozent des GEX aus, aber litten seither unter verringerten Subventionen und dem verstärkten Wettbewerb.

Der GEX ist allerdings nicht der einzige Index, den die Deutsche Börse zum Thema Familiengesellschaften berechnet. Zusammen mit der Technischen Universität München, die bereits an der Einführung des GEX beteiligt war, hat sie vor drei Jahren den DAXplus Family- und den DAXplus Family 30-Index eingeführt. Eine 10-Jahres-Regel gibt es bei diesen Indizes nicht, insofern wurde ein wesentliches Manko des GEX mit den neuen Indizes ausgemerzt. Verschärft wurden außerdem die Ansprüche an die Familiendominanz: Bei den Unternehmen in diesen Indizes muss mindestens ein Familienmitglied aktuell im Management oder Aufsichtsrat vertreten sein. Die Gewichtung erfolgt wie beim GEX nach Freefloat, der Anteil einzelner Aktien am Index wurde ebenfalls auf zehn Prozent beschränkt.

Insgesamt 107 Wertpapiere umfasst der DAXplus Family derzeit. Darunter befinden sich fast alle GEX-Werte, inklusive der China-Papiere mit Ausnahme von MingLe Sports. Allerdings sei das Gewicht der GEX-Aktien im DAXplus Family-Index nicht sonderlich hoch, sagt Vetter. Weil im Family-Index auch Unternehmen aus DAX und MDAX vertreten sind, würden die fünf größten Konzerne dort allein schon knapp die Hälfte des Index ausmachen. „Der Unterschied zum DAX wird somit von den kleineren Unternehmen getrieben, die für sich genommen wenig Einfluss auf die Gesamtentwicklung haben.“

In den vergangenen zwei Jahren konnte der Family-Index den GEX deutlich schlagen (s. Grafik). Mit der DAX-Entwicklung hält allerdings auch die Entwicklung des Family-Index derzeit nicht Schritt. Der Nachweis, dass Konzerne in Hand einzelner Familien an der Börse langfristig erfolgreicher sind, steht somit weiterhin aus.

ARIVA.DE Börsen-Geflüster

Kurse

17.741
-0,18%
DAX Realtime-Chart
DAXplus Family (Performance) Chart
2.293,53
+0,90%
GEX (Performance) Chart
Werbung

Mehr Nachrichten zum DAX kostenlos abonnieren

E-Mail-Adresse
Benachrichtigungen von ARIVA.DE
(Mit der Bestellung akzeptierst du die Datenschutzhinweise)

Hinweis: ARIVA.DE veröffentlicht in dieser Rubrik Analysen, Kolumnen und Nachrichten aus verschiedenen Quellen. Die ARIVA.DE AG ist nicht verantwortlich für Inhalte, die erkennbar von Dritten in den „News“-Bereich dieser Webseite eingestellt worden sind, und macht sich diese nicht zu Eigen. Diese Inhalte sind insbesondere durch eine entsprechende „von“-Kennzeichnung unterhalb der Artikelüberschrift und/oder durch den Link „Um den vollständigen Artikel zu lesen, klicken Sie bitte hier.“ erkennbar; verantwortlich für diese Inhalte ist allein der genannte Dritte.


Andere Nutzer interessierten sich auch für folgende News