Margin Rules
Der Kunde darf ein bestimmtes Verhältnis von geliehenem Geld zu Aktienbuchwert (Margin Ratio) nicht längerfristig unterschreiten, sonst fordert ihn der Broker per „Margin Call“ auf, sein Konto wieder in Ordnung zu bringen. Die Formel zur Berechnung des Margin Ratio finden sie im folgenden:
Margin Ratio = (Long Stock Value + Short Stock Value + Real Cash) / (Long Stock Value + Abs(Short Stock Value)) x 100%
wobei:
Long Stock Value: der gegenwärtige Buchwert aller Aktien im Depot, die „marginable“ sind Short Stock Value: der gegenwärtige Buchwert aller leerverkauften Aktien im Depot. Dieser Wert ist negativ
Real Cash der Bargeldbestand – dieser Wert ist negativ, wenn das Konto überzogen wurde. Einnahmen aus Leerverkäufen erscheinen hier positiv.
Abs(Short Stock Value) der absolute Buchwert aller leerverkauften Aktien im Depot; dieser Wert ist positiv
Die Margin Ratio verändert sich also während der Börsenöffnungszeiten kontinuierlich, da es von den Aktiennotierungen abhängig ist. Natürlich muss der Kunde diesen Wert nicht selbst ausrechnen, sondern wird in seiner Account-Übersicht darüber informiert. Wenn man die Konditionen eines ausgewählten US-Brokers zu Grunde legt, dann würde die Entwicklung des Margin Ratio in der Praxis folgendermaßen aussehen:
Ein Kunde eröffnet beispielsweise ein Depot mit $10,000. Der Broker ermöglicht es seinen Kunden, bei bestimmten Aktien bis zum Doppelten des Bargeldbestands zu kaufen. Ein Margin Call wird ab 30% fällig. Der Broker behält sich das Recht vor, Aktien unmittelbar zu verkaufen, wenn das Margin Ratio unter 10% fällt. Um einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen, kauft der Kunde nun für $20,000 Aktien zum Stückpreis von $100. Er hat damit zwar seinen Effektenkredit bis zum Anschlag ausgenutzt, aber sein Margin Ratio ist noch im grünen Bereich: (20,000-10,000) / 20,000 = 50%.
Die Aktie darf durchaus ein Stück abrutschen, bis der Kunde eingreifen muss. Steigen seine Aktien nun beispielsweise auf $120, dann steigt die Ratio auf rund 5%. Fällt die Aktie dagegen auf $80, dann verschlechtert sich das Margin Ratio auf 37,5%. Konkret heißt das, der Kunde hat sich $10,000 ausgeliehen, kann diesen Kredit jetzt aber nur noch mit $16,000 Aktienbuchwert absichern. Hält der Kursschwund an, dann wird er ab rund $71 (30%) einen Margin Call erhalten. Jetzt muss er entweder Geld nachschießen, um auf das notwendige Ratio zu kommen oder er muss zumindest einen Teil der Aktien verkaufen. Reagiert der Kunde nicht innerhalb kurzer Zeit auf diese Aufforderung oder fällt der Aktienwert bis unter 56 Dollar (10%), wird der Broker von sich aus eingreifen und Aktien aus dem Depot des Kunden verkaufen.
Diese Betrachtungen gelten zunächst nur für Long-Positionen in einem Margin Account. Ein Kunde, der sein Konto nicht überzieht, muss sich auch keine Gedanken um einen margin call machen. Er kann jeden Verlust beliebig lange aussitzen, denn er hat nur sein eigenes Geld eingesetzt und kann nur dieses Geld verlieren.
Anders verhält es sich beim Short-Seller:
Selbst wenn er für jeden Dollar in seinem Konto nur für einen Dollar short geht, muss er das Short Ratio beachten, denn seine Position kann mehr als 100% Verlust machen. Beispiel: Der Kunde mit einem Account von $10,000 shortet 200 Aktien zum Preis von je $100. Er hat jetzt einen Bargeldbestand von $30,000, da er aus dem Leerverkauf $20,000 erzielt hat. Er muss allerdings sicherstellen, dass er mit diesem Geld jederzeit die 200 ausstehenden Aktien zurückkaufen kann. Auch er hat zunächst die maximale Anzahl Aktien geshortet, denn er darf für jeden Dollar, denn er im Depot hat, zwei zusätzliche Dollar einnehmen. Sein Margin Ratio beträgt anfangs 50% = (-20,000 + 30,000) / 20,000. Läuft die Sache nun schief, weil der Kurs wider Erwarten steigt, dann fällt sein Margin Ratio. Schon bei rund $115 wird ihn der Margin Call erreichen. Bei $136 dürfte der Broker die Short-Positionen covern. Normalerweise sollte jede einzelne Short-Position im Depot nur einen geringen Teil des Depotbestands ausmachen, sodass diese Position nicht das gesamte Portfolio gefährden kann. Einzelne Positionen können dafür aber auch um mehr als 100% in den Verlust gehen. Mit dem Margin Ratio will der Broker nur sicherstellen, dass ihm keine Verluste entstehen. Wie sich der Kunde ruiniert, dürfte ihn jedoch nur wenig interessieren.