Mal ein allgemeiner Kommentar zu all den Äußerungen bezüglich LVs hier. Es ist ja völlig klar, dass hier eine Menge Emotionen hochkochen, da Geld mit im Spiel ist. Aber was hier teilweise geschrieben und den LVs an den Hals gewünscht wird, kann ich in vielen Teilen nicht ganz nachvollziehen - ich sehe deren Aktivitäten etwas neutraler, was ich im Nachfolgenden kurz ausführen möchte.
Zwei Investoren analysieren eine Aktie und beide möchten mit dem Ergebnis ihrer Analyse investieren bzw. Geld verdienen. Der eine Investor sieht Potenzial in der Aktie und kauft die Aktie. Der andere Investor sieht die Aktie als überbewertet und will von dem erwarteten Rückgang profitieren. Ein großer Institutioneller macht das über eine Wertpapierleihe/Öffnen einer Short Position, ein Privatanleger macht das in den meisten Fällen über Retail-Derivate (was sicherlich die meisten hier im Forum inkl. meinereiner schon einmal gemacht hat).
So weit so gut, ich kann bis hierher nichts kriminelles und/oder moralisch verwerfliches entdecken und wenn, dann wäre das genauso gegen mich gerichtet, da ich - wie geschrieben - auch schon mal mit einem Derivat auf den Kursrückgang einer Aktie gesetzt habe. Für mich sind LVs normale Marktteilnehmer wie andere auch und das seit Jahrzehnten.
Auch die Frage nach dem „ist das volkswirtschaftlich/betriebswirtschaftlich“ sinnvoll ist mir etwas zu hoch gegriffen. Auf der Long-Seite erfüllt das Risikokapital der Aktionäre natürlich eine wichtige Funktion in der Volkswirtschaft und ermöglicht Wachstum, Schaffung von Arbeitsplätzen, etc. was ich hauptsächlich auf KEs und IPOs beziehen würde. Man kann sich aber auch fragen, wo der volkswirtschaftliche Nutzen eines Trades ist, wenn ich bei 100 Euro Wirecard kaufe und ne Woche später bei 110 Euro wieder verkaufe.
Auf der Short-Seite kann ich argumentieren, dass Shorts eine Art Korrektiv der Märkte darstellen und für zusätzliche Liquidität im Markt sorgen, was generell die Anlagemöglichkeiten und das Risikomanagement im Markt verbessern. Dazu sollte man nicht vergessen, dass diese sich gegen den grundsätzlichen Markttrend stellen, laufende Leihekosten und unbegrenztes Verlustpotenzial haben.
Dass LVs durchaus „talk your position“ betreiben ist vllt als grenzwertig zu sehen, aber das passiert nicht nur auf der Short-Seite. Soll heißen: ich kann wenig Unterschied sehen, ob Citron/Lakewood einen Wert short gehen und dann negativ twittern oder ob Icahn und Buffet Apple in den Himmel loben nachdem die ihre Position gekauft haben. Bei letzterem hält sich die Kritik meistens in Grenzen.
WAS natürlich verwerflich/kriminell ist, ist das Lancieren von Gerüchten und falschen Behauptungen, von gekauften/falschen/verzerrten Artikeln in welcher Form auch immer. Ob das bei Wirecard der Fall ist, vermag ich nicht einzuschätzen. Und auch hier gilt das gleiche für die Long-Seite - wie oft gab es Falschmeldungen über mögliche Übernahmen, um einen Kurs zu pushen (www.cnbc.com/2017/12/01/...-talks-with-juniper-for-now.html)? Was man auch als falsch/unfair ansehen kann, ist der Fakt, dass Unternehmen sich schlecht wehren können gegen anonyme Zatarra-Berichte auf russischen Servern.
Um das lange Posting mal abzuschließen: vielleicht sollte man etwas mehr Gelassenheit ggü LVs entwickeln und diese als ‚normale‘ Marktteilnehmer akzeptieren (die übrigens genauso oft richtig wie falsch liegen) - ohne immer gleich von Kriminalität, Verboten, Anzeigen, Manipulation etc. zu sprechen. So sehr ich die Transparenz auf den Seiten des Bundesanzeigers zu schätzen weiß, mE haben diese Meldungen die Kleinanleger extrem „wuschig“ gemacht.
Freue mich über Feedback dazu.