Auch ich bin noch immer fassungslos.
Vor allem auch mit welcher Geschwindigkeit das Unternehmen verschwunden ist.
Ich kann auch leider nicht sagen, dass ich mit einem blauen Augen davon gekommen sei. Ich habe bis zur Insolvenz nicht für möglich gehalten, dass alles nur eine riesige Betrugsmasche gewesen ist. Ich habe all die negativen Dinge wahrgenommen, aber meine Argumentationslinie war immer: Das Unternehmen ist in einem extrem attraktiven Umfeld und darin top positioniert. Und so habe ich dann 15.000 verloren. Mein ganzes Invest.
Ich bin gestern und heute um 6.00 Uhr wachgeworden und konnte nicht mehr schlafen, weil es mich noch immer so wütend macht. Ich muss mir dann immer wieder sagen, dass 15.000 für mich zum Glück "nur" die Ersparnisse aus 6 Monaten sind. Ich verdiene gut und habe momentan niedrige Lebenskosten, was es mir ermöglicht 2.500 im Monat zu sparen, wenn ich auf unsinnige Anschaffungen verzichte. Und das werde ich jetzt auch tun. Bis die 15.000 nicht wieder drin sind wird eisern gespart. Erst dann werde ich das verarbeitet haben.
Ansonsten mache ich mir weniger Vorwürfe als manch anderer hier. Es sind tausende auf Braun reingefallen und das waren mitnichten nur leichtgläubige Deppen, sondern eben auch Profis wie der DWS Fonds, die Bafin und nicht zuletzt EY. Letztere tragen meiner Meinung nach die Hauptschuld am kompletten Desaster.
Ich bin in all meinen Analysen davon ausgegangen, dass es unmöglich ist Cashpositionen in Milliardenhöhe gegenüber dem WP zu fälschen - ganz besonders(!), weil die Vorwürfe der FT beim letzten Testat bereits bekannt waren!
Ich habe Worst Case Szenarien für mich angelegt und ich habe mich regelmäßig gefragt, ob ich bereit bin den Worst Case auszusitzen und ich konnte diese Frage immer mit JA beantworten, weil ich die Cashpositionen in meinen Analysen immer als gesetzt betrachtet habe. Entsprechend lautete mein absolutes Worst Case Szenario: 7% der Gesamtumsätze sind gefälscht. Das Cash, das angeblich mit diesen Geschäften generiert wurde, stammt aus anderen Geschäften, die weniger attraktiv als die langfristigen Payment-Umsätze sind. Wirecard hat diese Erlöse falsch verbucht und wird sich, wenn es herauskommt, auf Fehlinterpretation der Vorschriften berufen. In Wahrheit wächst Wirecard also erheblich weniger stark als Ayden und hat den Zweikampf schon längst verloren, ist aber nach wie vor ein profitables Unternehmen, dass dann wohl irgendwann übernommen wird.
Ich habe darüber hinaus nicht für möglich gehalten, dass Markus Braun mit einer solchen Dreistigkeit lügt und betrügt. Ich muss wirklich sagen, dass dieser Mann für mich das größte Schwein ist, dass ich je wahrgenommen habe. Selbst Donald Trump erscheint im Vergleich zu ihm als einer guter Typ. Darüber bin ich eigentlich am fassungslosesten. Denkt nur an den "When the dust has settled..." Tweet. Oder die Aussagen mit denen er das Unternehmen verlassen hat ("Wirecard ist eine hochprofitable Firma und für die Zukunft bestens aufgestellt").
Was ich mir wünsche: Es wäre wichtig für die Börse und für das Vertrauen aller, wenn Markus Braun aus dieser Sache nicht glimpflich herauskommt. Ich bin kein schadenfroher Mensch, aber Braun muss bluten. Er und seine Familie müssen alles Vermögen verlieren. Und er muss lange ins Gefängnis. Wenn der Rechtsstaat das nicht fertig bringt, dann ist das eine Katastrophe für das Vertrauen der Menschen in ihn.
Zweitens: EY muss bluten. Wenn sich EY mit "wir sind auch betrogen worden" herausreden kann, dann bedeutet das ja, dass ein Buchprüfer überhaupt keinen Anreiz hat einen derartigen Betrug aufzudecken. EY muss aufgrund von Fahrlässigkeit zur Rechenschaft gezogen werden.
Nach den Vorwürfen der FT hätte EY systematisch diverse Betrugsszenarien ausschließen müssen. Der allererste Punkt der extrem genau zu überprüfen gewesen wäre, wäre die Existenz der Barmittel gewesen. Denn es ist überhaupt nicht neu, dass Firmen, die Umsätze erfinden, auch Aktivvermögen erfinden. Das war bei allen Bilanzmanipulatoren der Fall gewesen. Bei Wirecard wäre es KINDERLEICHT gewesen das herauszufinden. Bei einem Steinhoff, wo Gelder in hunderten verschachtelten Unternehmensbeteiligungen versteckt waren, war das eine ganz andere Kiste. Aber bei Wirecard war lediglich ein Cashkonto zu prüfen. Es gab etliche Indizien die den Buchprüfer hätten veranlassen müssen, ganz genau hinzuschauen. Das beginnt bei der exorbitant hohen Summe. Das geht über die beteiligten, skurillen Treuhänder. In jedem Fall hätten sie sich nicht mit einer Bankbestätigung zufrieden geben dürfen, von der sie offensichtlich nicht einmal wussten wie eine korrekte Bankbestätigung auszusehen hat (die Bank selbst hat das Dokument ja sofort als Fälschung erkannt).
Meine Vermutung ist, dass EY sich letztes Jahr dachte, dass sie notfalls diese Bankbestätigung haben um sich selbst aus der Schusslinie zu bringen, also ist es ihnen egal ob die gefälscht ist. Das ist für einen Big4-WP nicht tragbar und das muss Konsequenzen haben.