Ich habe mich die letzten Tage nicht an der Diskussion um einen möglichen Short Squeeze beteiligt. Aus einem einfachen Grund: Ein Short Squeeze ist mir vollkommen egal, da ich davon ausgehe, dass uns ein solcher in wenigen Jahren lächerlich erscheinen wird.
Ich möchte daher meine Ansicht dazu noch in die Diskussion mit einbringen:
I. In den vergangenen Monaten legte Wirecard großen Fokus auf den stationären Einzelhandel. Umsatzrückgänge durch COVID-19 konnten dadurch nahezu ausgeglichen werden. Mit Wiederbelebung von Touristik und Luftfahrt werden die Umsatzzahlen in 2021 einen enormen Sprung machen.
II. Das Wachstumspotenzial von Wirecard wird stark unterschätzt. So werden in der Regel bestehende Wachstumsquoten linear fortgeschrieben, mit Auf- oder Abschlägen. Die Einnahmen aus der Abwicklung von Zahlungsvorgängen sind jedoch von mehreren Faktoren bestimmt, die jeweils für sich allein betrachtet wachsen.
1. Anzahl der angebundenen Plattformen und Händler nimmt zu (Online, PoS u.a.)
2. Anzahl der Endkunden nimmt zu (Erschließung neuer Märkte: Europa, Afrika, Indien u.w.; Wachstum der Kooperationspartner)
3. Anzahl und Volumen von Transaktionen je Endkunde nehmen zu (Endkunden bezahlen häufiger und nach Vertrauensbildung auch höhere Beträge)
Hierzu ein Rechenbeispiel: 100 Händler haben jeweils 100 Endkunden, die für jeweils 100 Euro einkaufen. Ergibt ein Transaktionsvolumen von 1,0 Mio Euro. Angenommen in den kommenden 10 Jahren werden Anzahl Händler, Endkunden und Transaktionen moderat um jeweils 5,0 % p. a. wachsen. Während sich 1,0 Mio. Euro auf zehn Jahre betrachtet, bei 5,0 % Wachstum, auf 1,6 Mio. Euro erhöhen würden, beträgt das jährliche Gesamtwachstum im Beispiel ca. 15,75 %: 4,3 Mio. Euro. Aus diesem Grund braucht es auch nicht irrsinnig viele neue Kooperationen, sondern nur Zeit.
III. Herr Dr. Braun hatte im letzten Jahr schon vorhergesagt, dass Wirecard in zehn Jahren sein Geld mit anderen Dingen verdienen wird, als es dies jetzt tut. Dies war sicherlich etwas überspitzt formuliert, verdeutlicht aber seine Unternehmensphilosophie und Strategie. Die kommenden Jahre werden stark geprägt sein von der Vernetzung einzelner Systeme (IoT). Plattformökonomie und Informationsdienstleistungen werden dabei eine immer größere Rolle spielen. Hier sei beispielhaft WeChat genannt, innerhalb dessen App in China mittlerweile nahezu alles gebucht und bezahlt werden kann. Ebenfalls hier sehen viele nicht annähernd die Möglichkeiten von Wirecard, sondern denken lediglich vom Bäcker bis zur Tankstelle.
IV. Wirecard wird aus vorgenannten Gründen innerhalb der kommenden fünf Jahre neben SAP die größte Marktkapitalsisierung im DAX erreichen. Viele Fondsmanager, insbesondere jene mit Fokus auf Wachstumswerte Deutschlands/Europas, kommen um Wirecard nicht herum, wenn ihre Fonds die Indizes outperformen sollen.
V. Ich gehe darüber hinaus von einer Fusion mit einem anderen großen Zahlungsdienstleister innerhalb der nächsten 3 Jahre aus. Abspaltungen einzelner Geschäftsfelder werden nach 2025 auf Grund der Marktmacht bzw. der Symbiose von Informationsdienstleistungen, Zahlungsdienstleistungen und Finanzdienstleistungen ebenfalls denkbar (was nicht nachteilig sein muss, siehe aktuelle Diskussionen zu Facebook, Alphabet, Amazon).
Wer also denkt, er macht mit 50% oder 100% Kursgewinn den großen Reibach, dem möchte ich dringend raten, sich mit dem Unternehmen und dessen Geschäften intensiver auseinander zu setzen.
Fakt ist; kaum ein anderes Unternehmen wurde einer solch intensiven Prüfung unterzogen, die neben Buchführung und Compliancevorgängen auch noch dessen "Produkte" umfasste. Solchen Tamtam stelle man sich mal bei den anderen DAX Titeln vor. (O_O)
JL