mal ganz konkret gefragt.
Was erwartest du denn aktuell von der IR? Also ganz konkret.
Du meinst, man spielt nicht auf Dax-Niveau. Mag ja zutreffen. Aber was soll man denn konkret jetzt veröffentlichen?
Ich habe mir die letzten 2-3 Stunden den gesamten KPMG-Bericht und den Geschäftsbericht 2018 durchgelesen. Und im ersten Moment war ich auch geschockt, was da alles im KPMG-Bericht steht und wie M.Braun darauf reagierte. Wenn auf faktisch jeder der knapp 70 Seiten des KPMG-Berichts etwas von "nicht gelieferte Nachweise" und ähnliches steht (auch immer schön fettgedruckt), und Wirecard dann in der ersten Reaktion meint, es wären fast alle Vorwurfe ausgeräumt worden, dann versteh ich absolut wieso der Markt sich vom Vorstand verarscht fühlt. Die erste Kursreaktion 140 € auf unter 100 € war daher zumindest psychologisch auch nachvollziehbar. Insofern sind gerade die Vorwürfe in Sachen Kommunikation des Vorstands berechtigt, und ich frage mich als normalen Privatanleger natürlich auch, wieso das Management etwas zusagt, was man dann nicht liefern kann oder verschieben muss. Das macht auf mich als kritischen Anleger den Eindruck wie damals bei Christoph Daums Haarprobe.
Wenn man sich aber mal genauer in die wirklich wichtigen Fakten des KPMG-Berichts einliest und dann mit den Finanzberichten 2017 und 2018 vergleicht, dann wird das alles von interessierter Seite der Shortseller wirklich komplett übertrieben und von Finanzjournalisten nicht eigenständig hinterfragt, sondern nur die Vorwürfe weiterkopiert. Da wird sich ernsthaft an 13% der TPA-Umsätze hochgezogen, die KMPG nicht plausibel erklären kann, aufgrund fehlender Unterlagen.
Da muss ich mir nur mal die Vorwürfe zum falsch ausgewiesen Cash anschauen. Wirecard weist in Bilanz und Kapitalfluss ja den Bankbereich gesondert auf. Die operativen Cashflows als solche ex Bankbereich kann man nicht fälschen, es sei denn da ist unglaubliche kriminelle Energie bei etlichen Mitarbeitern, Partnern und der ganzen Ernst&Young-Gruppe vorhanden. Die müssten sogar Bankguthaben fälschen, alle müssten wegschauen, etc. Das schließe ich mal aus. Die Cashflows aus allen Geschäften inklusive des Bankgeschäfts werden separat und nachvollziehbar dargelegt, und dem Cashbestand liegen entsprechende Veränderungen auf Aktiva und Passiva zugrunde. Natürlich kann es sein, dass Bankguthaben in der Konzernbilanz anders dargestellt werden müssten, weil man da Zahlungsvorgänge des Segments nicht als eigentlichen Cashbestand definiert. Allerdings steht dem auch bei jeder Erhöhung pro Jahr auch eine entsprechend gleichmäßig steigende Passiva-Position gegenüber. Also was soll die große Aufregung? Aus meiner Sicht ist Wirecard diesbezüglich zumindest transparent. Ob man das nach IFRS anders darstellen muss, dafür fehlen mir die Rechnungslegungskenntnisse, aber von Betrug ist das weit entfernt. Und was die TPA-Umsätze angeht, läuft das umgerechnet vielleicht auf 5-7% der Konzernumsätze hinaus, die für die Jahre 2016-2018 vielleicht fraglich sind. Oh wie schlimm. ;) … und selbst das ist noch nicht mal sicher, sondern KPMG beanstandet lediglich, dass dafür weder Dokumente vorliegen noch Plausibilitätsannahmen gemacht werden können. Das ist dieses viel zitierte Prüfungshemmnis.
Fazit: Was kann aber Wirecard nun aktuell machen? Aus meiner Sicht sollte man abgesehen von möglichst umfangreichen Aktienrückkäufen bis zum Geschäftsbericht gar nichts in Sachen Kommunikation tun, sondern alle Kapazitäten für die Zusammenarbeit mit Bafin und Wirtschaftsprüfern stecken. Nur so lassen sich die Vorwürfe dann entkräften. Letztlich muss man als Anleger aber wissen, dass sich kleine Teile der Vorwürfe nie werden entkräften lassen, wenn damit die maximal 13% TPA-Umsätze gemeint sind, die man für die Jahre vor 2019 schlicht nicht mehr in den Büchern hat und auch nicht zwingend haben muss (letzteres ist meine Meinung). Wichtig ist, was die TPA an Umsätzen übermitteln und was an Cash ankommt. In Zukunft sollte man das besser dokumentieren oder wie bereits angekündigt und teils umgesetzt auf Drittanbieter verzichten. Aber wie man bei dieser Bilanz und Kapitalfluss auf Betrug kommen kann, ist mir ein Rätsel. Schlimmstenfalls hat das Management sehr schlampig Umsätze mit Endkunden dokumentiert, aus welchen Gründen auch immer. Das kann am Geschäftsmodell, am starken Wachstum liegen, und ja, vielleicht wollte man es auch gar nicht wissen, was einem da über eine Excel-Datei ohne unterschriebene Nachweise übermittelt wurde. Aber ist das schon Betrug? … Also wie gesagt, Aktien zurückkaufen! Geschäft mit Drittanbietern stark verringern! Volle Zusammenarbeit mit Bafin und Prüfern! … Und dann wird sich mit dem Wachstum und Cashflows das Vertrauen auch schnell wieder einstellen, schneller als es manch einer derzeit für möglich hält. Schließlich dürfte Wirecard im nächsten Jahr etwa 900 Mio Nettogewinn machen, was auch immer etwa mit den FreeCashflow korrespondiert. Wirecard ist für dieses Geschäftsmodell üblich eine Cashflow-Maschine. Und dann möchte ich mal sehen, wie Wirecard Ende 2021 bewertet wird, wenn der Markt bei 20-25% Umsatzwachstum auf über 1 Mrd € FreeCashflow im Jahr 2022 und eine blitzsaubere Bilanz guckt. Da bin ich mal gespannt, ob man ernsthaft noch eine MarketCap von nur 9,6 Mrd und EnterpriseValue von rund 8 Mrd € als sinnvoll erachtet. … Klingt aktuell abwegig, aber wenn sich nicht wirklich ein unglaublicher Bilanzbetrug von großen Teilen des ausgewiesenen Umsatz und Vermögenswerte rausstellt (schwer vorstellbar, da es dafür wie bei Steinhoff klare Indizien in der Bilanz geben müsste, die es bei WC nicht gibt), dann halte ich sogar Kurse von 300 € Ende 2021 für realistisch.
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