Was man hier derzeit von einem Großteil liest, ist qualitativ auf einem Kommunikationsniveau jenes von Wirecard in der letzten Woche.
Ich frage mich wirklich, was für einige (mittlerweile die Mehrheit) die Beweggründe sind, hier zu schreiben.
- Frustbewältigung wegen Verlusten?
- Freude über Gewinne?
- Schadenfreude, weil andere verloren haben?
Sowohl die positiven ("pusher") als auch negativen ("basher") Beiträge vieler Foristen hier befinden sich größtenteils auf einem Niveau, das vor einem Jahr oder sogar noch vor 3 Monaten hier nicht vorstellbar gewesen wäre.
Ich kenne mich selbst noch aus dem Studium und meinen ersten Handlungen an der Börse, da hatten wir eine Whatsappgruppe, in der wir uns über jeden € Kurssprung gefreut/geärgert haben und dies vor allem mit wenig stichhaltigen Argumenten/Erklärungen verbunden haben. Bitte sucht euch doch für solche Beiträge eine Whatsappgruppe oder ähnliches, das bringt uns hier 0,0 weiter.
Zu dem KPMG-Bericht:
Ich möchte gar nicht so sehr auf den Inhalt eingehen, der wurde nun schon das ein oder andere mal im Forum beleuchtet. Ohne etwas schön reden zu wollen, sollte man hierbei beachten, dass sich schon normale Prüfungsberichte für Außenstehende zumeist anhören, als wäre die untersuchte Firma ein einziger Hühnerhaufen. Es wird hier ausschließlich auf die Fehlleistungen eingegangen und nicht auf die Dinge, die richtig laufen.
Ich persönlich bin mit einer forensischen Analyse noch nicht in Kontakt gekommen, mir wurde allerdings von einem Freund, der selbst bei den Big4 arbeitet bestätigt, dass die Anforderungen hierbei nochmals DEUTLICH über denen einer regulären Prüfung liegen. Auch dies wurde hier bereits kurz thematisiert, allerdings ist das ziemlich untergegangen.
Weiterhin stelle ich einmal die Behauptung auf, dass in jedem größeren Betrieb, zumindest aber in jedem Dax- Konzern ähnliche Ergebnisse präsentiert worden wären. Dies hat zwar nicht direkt etwas mit Wirecard zu tun und könnte demnach schnell als "Whataboutism" abgetan werden, es bringt mich allerdings zu meinem Hauptkritikpunkt:
Der allgemeine Umgang mit den Vorwürfen gegenüber Wirecard und die Kommunikation hinsichtlich der KPMG Untersuchung.
Mit welcher Erwartungshaltung seitens Wirecard wurde KPMG mit der forensischen Analyse beauftragt - Völliger Freispruch gegenüber allen Vorwürfen?
Zumindest dem Vorstand bzw. den beratenden Abteilungen hinsichtlich einer Prüfung muss doch klar gewesen sein, wie tiefgehend eine Analyse seitens KPMG sein und wo gegraben werden würde. Ist man hier zu blauäugig gewesen oder wusste man es nicht besser? Beides sind für mich ganz klare Managementfehler.
Wenn ich als Management weiß, dass man teilweise in Grauzonen agiert und das tut Wirecard mit Sicherheit (genauso wie jedes andere Unternehmen in dieser Größenordnung), verspreche ich der Öffentlichkeit nicht großspurig den Bericht in Gänze zu veröffentlichen, sodass jeder sehen kann, wo man den gesetzlichen Ermessensspielraum maximal dehnt.
Hat jemand hier ein Beispiel parat, bei dem so ein Vorgehen in der Vergangenheit schon einmal stattgefunden hat?
Wenn ich schon auf die Vorwürfe mit einer externen Prüfung reagiere, dann schaue ich mir doch zunächst die Ergebnisse an und präsentiere sie so, dass sie mich in einem positiven Bild erscheinen lassen. Dies wäre auch hier möglich gewesen, in dem ausschließlich die Kernaussagen veröffentlicht worden wären: Keine Bilanzfälschung erkennbar, Keine Berichtigung nötig, Es konnten keine erfundenen Umsätze dargelegt werden, kein Roundtripping vorhanden etc. .
So wie man aber agiert hat, hat man sich selbst ins Knie geschossen, indem man alle Schwachstellen der Öffentlichkeit preisgegeben hat.
Für mich persönlich bleibt hierbei hängen, dass man das Vertrauen, das man mit dem KPMG zurückgewinnen wollte, noch weiter verspielt hat. So gut Wirecard operativ auch performen mag, so unfassbar schlecht war/ist die derzeitige Außendarstellung. Ich denke, insbesondere auf kurz- mittelfristige Aktienkurse hat eben jene Außendarstellung einen nicht unerheblichen Einfluss, ansonsten wäre beispielsweise auch eine Tesla nie so hoch bewertet, wie sie es war bzw. sind.
Ein Markus Braun ist das Herz des Unternehmens, er muss erhalten bleiben, keine Frage - allerdings sollte hinterfragt werden, ob nicht eine Umstrukturierung auf höchster Ebene von Nöten ist.
Von außen betrachtet kommt mir das Unternehmen wie viele schnell wachsende Unternehmen vor: Die Umsätze steigen extrem schnell und die Prozesse und Richtlinien werden nicht schnell genug angepasst. Jeder, der selbst ein Unternehmen führt oder in höheren Positionen tätig ist, kann bestätigen, wie "nervig" und zeitintensiv die Einführung und Einhaltung solcher Standards ist. Niemand macht das gerne und insbeonsdere Vertriebler (wie auch Herr Braun einer zu sein scheint), schauen erst einmal auf das operative Geschäft und wenn sich dann noch Zeit findet, kümmert man sich um den Rest. Einerseits verständlich, andererseits eines Dax-Konzerns nicht würdig.
Dementsprechend befürworte ich personelle Konsequenzen auf höchster Ebene als Zeichen der Reaktion seitens Wirecard (dennoch sollte man MB als CEO behalten).
Long Story short: Auch ich habe in den letzten 2 Tagen ein ziemliches Minus eingefahren, da ich nicht mit einer derartig schlechten Kommunikationspolitik gerechnet habe. Davon unberührt bleibt allerdings das operative Geschäft, das ja weiterhin innerhalb der Erwartungen zu sein scheint.
Weiterhin halte ich es wirklich für einen schlechten Scherz keine öffentliche Stellungnahme zu dem KPMG-Bericht abzugeben.