Also, zwetschq./Kosto/difigiano, danke für Eure langen Postings...bitte seht es mir nach, dass ich bei so einem Wetter und an so einem Tag nicht mit gleich viel Einsatz beantworten kann. Außerdem habe ich das Gefühl, dass ich da jetzt ein wenig die Projektionsfläche für aufgestauten WDI-Frust geworden bin, denn so negativ habe ich weder über das Unternehmen, noch das Management, noch die Aktie geredet. Ich habe nur geschrieben, dass ich die Kommunikationspolitik in den letzten Wochen nicht optimal fand. Ich gebe mir 20 Minuten picke mir daher mal nur einzelne Punkte heraus:
1) Twittern des CEO: eigentlich eine ganz tolle Idee, keine Frage. Gerne über Adhocs die gerade gekommen sind, über neue Technologien, über Konferenzen, über kürzlich veröffentlichte Kooperationspartner, etc. Aber mE nicht über stark kursrelevante Dinge. Eine IR-News kann ich über den Verteiler bekommen, eine Adhoc über dgap, dazu gibt es noch die Wirecard IR-Seite. Aber dass ich jetzt noch Twitter, Instagram, FB und sonstiges von verschiedenen Funktionären abbonieren muss, ist mE nicht richtig. Dazu kommt noch, dass das wieder riskanter ist. Wahrscheinlich gehen Unternehmensmeldungen durch einige Gremien durch, während so ein CEO Gedankengang schnell gefeuert ist (Elon) und man auch der Gefahr gehackter Accounts ausgesetzt ist.
2) "Das Perverse ist ja das immer so getan wird, als ob Wirecard von Beginn an die ganze Sache geleugnet hätte." und "Was aber Wirecard tat, und daran sollten sich alle IRs ein Beispiel nehmen, war von Beginn an zu sagen: Ja, da ist was": Also wenn ich mich richtig erinnere, dann waren die ersten Reaktionen der Sprecherin von Wirecard "völlig substanzlos", "falsch", "irreführend und verleumderisch". Und, sorry, wenn ich mir jetzt den Abschlussbericht anschaue mit den einzelnen Punkten und dass der WP drei Wochen länger braucht bzw. beantragt hat - dann kommen mir zB die ersten beiden Attribute "falsch" und "völlig substanzlos" eben nicht in den Sinn. Aber: Ansichtssache, muss jeder selber bewerten.
Ein anderer Gedankengang in diese Richtung: man kann mE der FT einige Dinge vorwerfen: die Artikel kamen peu a peu, die haben aus geringen Beträgen einer Tochtergesellschaft in Asien einen "Bilanzskandal" gemacht (völlige Übertreibung), wenig Reaktionszeit vor dem ersten Artikel gegeben, Klarnamen genutzt, etc. Was man denen mE aber NICHT vorwerfen kann, ist, dass sie dieses Thema grundsätzlich aufgegriffen haben. Ich unterstelle einfach mal, dass jede Zeitung dieser Welt, die den vorläufigen R&T Bericht in die Hände bekommen hätte, dies mit einem Artikel aufgenommen hätte (das hätte auch WSJ, Spiegel, WiWo, SZ, MM, etc. sein können). Dass das bei Crum gelandet ist, hat natürlich ein Geschmäckle.
3) Kosto, jaaa! Selbstverständlich gibt es in jedem Unternehmen kriminelle Energie einzelner, damit auch in jedem Dax-Unternehmen. Lass mal 0,1% in jedem Unternehmen sich selbst übervorteilen wollen und multiplizier das mit der Anzahl der Mitarbeiter - dann bist Du im Dax bei mindestens Dutzenden wenn nicht sogar eine dreistelligen Anzahl an Leuten, die dem Unternehmen schaden (können/wollen) und damit wäre WDI völlig in der Norm. Das werfe ich WDI doch gar nicht vor und das wäre kein Grund für mich, die Aktie zu verkaufen. Nur wenn Du Deine Argumentation fortführst, dann müsstest Du auch akzeptieren, dass die Aktien all dieser Unternehmen auch einen auf den Deckel bekommen haben (und sich später erholten) und dass all diese Unternehmen auch in den Medien zerrissen wurden. WDI ist somit keine Ausnahme und muss dann nun mal auch da durch.
Was lustig ist: wenn Du Deine Aufzählung der einzelnen Unternehmen in die jeweiligen ariva-Boards reinkopieren würdest, dann würdest Du wahrscheinlich auch mit schwarzen Sternen überhäuft, ne Menge Pushback bekommen, dass das so alles nicht war, zumindest aber stark (von der Presse) übertrieben ist :-)
4) Ich betreibe kein "victim blaming", aber man muss sich mal Gedanken machen, warum WDI immer so viel Angrifffsfläche liefert, oder nicht? In dieser Regelmäßigkeit gibt es solche Angriffe nicht bei adidas, SAP, Heidelberger Cement, Telekom, etc. Und damit meine ich nicht Einzelthemen wie Diesel oder Siemens Bestechung, sondern dass nun schon über Jahre immer wieder Zweifel am Thema Bilanzierung aufkommen. Kann man das nicht besser addressieren?
Warum WDI sich so gut eignet für solche Angriffe kann ich nicht sagen, da kann ich nur spekulieren: a) gibt es Dinge für die WDI nichts kann (erfolgreich, sehr schnell gewachsen, sehr liquide Aktie mit hohem Free Float), b) Dinge, für die WDI evtl etwas kann (Business im "zwielichtigen" Milieu, intransparente Struktur der Töchter, die Mittelsmänner mit den nationalen Lizenzen, ominöse Übernahme in Indien, die internen Kontrollstrukturen nicht so schnell gewachen wie das 'Front Office') und vielleicht noch Kategorie c) wie wesentlich höhere Margen als Konkurrenten, die absolut iO sein mögen aufgrund anderer Nuancen im Geschäftsmodell, aber schwieriger zu erklären ist.
5) difigiano: über die Verhältnismäßigkeit habe ich doch gar nicht geschrieben, von daher verstehe ich das an mich gerichtete Taxi-Beispiel gar nicht. Natürlich sind die Beträge klein und rechtfertigen nicht den Kursabschlag; daher ist der Kurs auch um 30% nach oben, als die kleinen Beträge bestätigt wurden. Ich habe doch nur geschrieben, dass der vorläufige R&T für mich im Nachhinein eine "tickende Zeitbombe" war, da dieser wesentlich dramatischer war/klang und noch viel mehr in Frage gestellt hat. Der Bericht kam Anfang Mai 2018 und die FT Ende Januar 2019. Und dann kann man über acht Monate lang nichts für die Schublade vorproduzieren, das man dann rausholt oder R&T nach schnellerer Bearbeitung, etc. fragen?
Zu Deinem "zu dem thema: hätte wirecard den termin veröffentlichung jahreszahlen ohne Ft verschoben. sicher nicht, warum auch, warum hätte wtc das tun sollen?": das ist jetzt aber eine etwas gefährliche Argumentation. Denn warum hat es denn dann die Verlängerung gegeben? Ich dachte, diese Verlängerung hat es gegeben, weil E&Y die neuen Erkenntnisse in den Jahresbericht einbauen muss + nochmalige Kontrolle.
So, 22 Minuten waren es...enjoy Easter!