Das Problem ist, dass es leider nicht um eine belastbare Kernaussage geht, sondern um demagogische Spekulationen.
Schon der Titel "Auf Anweisung des Vorstands" suggeriert eine Tatsache. Nachher stellt sich heraus, dass es sich um Edos Behauptung handelt. Ohne Frage- oder Anführungszeichen grenzt - wie üblich im Skandaljournalismus - der Titel an falsche Verdächtigung und üble Nachrede.
Wenn Edo Marsalek belastet hat, RT das aber nicht glaubwürdig fand und sich diese Vorwürfe auch danach nicht erhärten liessen, muss man die Frage nach dem Informationsgehalt dieses neuen Artikels stellen.
"Alle Anweisungen, die er (Edo K., Anmerkung der Redaktion) erhielt, bekam er vom Vorstand der Wirecard AG", heißt es in der Zusammenfassung, die der SZ vorliegt."
Dieser Satz schliesst nicht aus, dass Edo OHNE Anweisung Marsaleks die $500.000 überwiesen hat.
"Etliche interne E-Mails zeigen einen regen Austausch zwischen Edo K. und Marsalek, auch über die Einzelheiten bestimmter Verträge mit Geschäftspartnern."
Wenn "etliche interne E-Mails" der SZ vorliegen, sollen sie doch bitte diejenige mit der entsprechenden Anweisung Marsaleks an Edo veröffentlichen oder wenigstens akurat paraphrasieren.
Nicht zuletzt die unsäglich schlechte Übersetzung des R&T-Statements zu Wirecards Zusammenfassung des Berichts:
Aus "We have no comments." wird in der SZ das pejorative "Wir kommentieren das nicht", obwohl es nur heissen soll: "Wir haben dazu nichts anzumerken."
Mag sein, dass ich mich irre, aber ohne Informationen, die den Verdacht auf Marsaleks Mitwisserschaft HINREICHEND begründen, erschöpft sich dieser Artikel in Andeutungen und Suggestionen: Sollten etwa in Gesprächen zwischen Wirecard und RT (für die natürlich niemandem E-Mails und Chat-Protokolle vorliegen) Absprachen stattgefunden haben, um Marsalek zu decken? Sollte RT nur zähneknirschend die Zusammenfassung von Wirecard geschluckt haben?
Alles finsterste Psychologisierung. Investigativer "Qualitätsjournalismus" könnte mit überprüfbaren Fakten eine wichtige Funktion in dieser Geschichte erfüllen. Dieser Artikel ist eher eine Arbeitsskizze ohne Kernaussage. Im Versuch, sich durch Rufschädigung zu profilieren, diskreditieren sich die hochdekorierten Journalisten selbst. Ich denke aber nicht, dass das Anleger davon abhalten wird, in die sehr viel glaubwürdigere, weil fundierte WC-Story zu investieren.