Der Autor bleibt anonym:
So, nun muss ich mir auch mal die größte Fehlentscheidung meines Lebens vom Leib schreiben.
Ich habe direkt nach Beendigung meines Studiums ab Arbeitsbeginn nach einer Möglichkeit gesucht, mein Einkommen gegen Inflation zu schützen, bzw. es sogar zu vermehren.
Von ca. 2010 bis September 2018 war ich deshalb durch einen ganz gemütlichen Investmentfonds (Franklin Templeton Technology) an der Börse beteiligt.
Dieser Zeitraum war bekanntlich eine einzige Rallye, was mir eine wirklich saftige Rendite verschaffte. Schrittweise habe ich meine monatlichen Einzahlungen in den Fonds-Sparplan auf letztlich 1.200€ angepasst, da ich meistens eh keine Zeit/Bedürfnis habe, mein monatliches Einkommen für "echte Dinge" auszugeben.
Allein die Rendite belief belief sich zum Stand September 2018 auf ziemlich genau 100K, aufgrund der durchschnittlichen Rendite p.a. von 15%.
Dann kam Wirecard und die unstillbare Gier...
Als im September 2018 der Kurs von Wirecard schlagartig von ca. 180€ auf ca. 130€ einbrach, hat es mich gepackt. Nach dem Motto "Sei gierig, wenn andere ängstlich sind. Sei ängstlich, wenn andere gierig sind." habe ich... alle meine Fondsanteile verkauft und in Wirecard gesteckt. Es waren über 200K auf einmal.
Der Gedanke, die Vorwürfe gegen einen DAX-Konzern würden sich sehr bald auflösen, und der Kurs anschließend auf über 200€ hochschnellen... Die Renditeaussicht war unwiderstehlich für mich.
Den Rest (Zeitraum September 2018 bis 06/2020) möchte ich abkürzen:
- Wann immer der Kurs "schlagartig" gefallen ist, habe ich nachgekauft (oft im Bereich 90/80/70).
- Ich habe mehrere Verbraucherkredite (check24 etc.) aufgenommen, um meinen EK nach unten zu drücken. Durch hohes Einkommen habe ich hohe Bonität.
Meine Rechnung war, die Kreditzinsen durch die Rendite locker auszugleichen.
- Mein EK stand zum 18.06.2020 bei 84€, bei 350K Einsatz, davon 150K Kredit.
- Meine monatlichen Kreditraten betragen 1.800€, die inzwischen zu einem festen Bestandteil meiner Fixkosten geworden sind.
Ich war einfach zu 100% überzeugt, dass der Kurs die 200€ sehen wird, sobald sich die Vorwürfe als unberechtigt herausstellen.
Dann der Tag 18.06.2020:
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt ein Minus im oberen fünfstelligen Bereich. Ich dachte aber, heute wird sich alles, einfach alles lohnen. Es würde das angekündigte "uneingeschränkte Testat" für 2019 veröffentlicht, anschließend der Kurs ohne jegliche verbleibende "Bremse" auf 200€ hochschnellen. Ich würde dann alle Kredite zurückzahlen, und mit dem Rest kaufen, was auch immer ich wollte.
So habe ich nochmal nachgekauft bis zum obersten Kurs von 104€.
Der Rest:
60€ - Nicht verkauft
40€ - Nicht verkauft
30€ - Nicht verkauft
22€ - Verkauft mit 258K Verlust, 91K übrig.
Ich kann weder die Kredite vollständig zurückzahlen, noch kann ich vorschnell in den Ruhestand. Ganz im Gegenteil:
Ich werde das nächste Jahrzehnt damit beschäftigt sein, die Kreditraten und Zinsen abzuarbeiten. Was andere mit einer Immobilie machen.
Insolvenz kommt leider nicht infrage, denn Geld ist ja vorhanden. Ich werde nur lange Zeit nichts mehr davon sehen.
Ich sage euch:
Seid ängstlich, wenn andere ängstlich sind.
Seid nicht gierig.
Dieser Spruch von Warren Buffet hat mich meine Lebenszeit gekostet.