Die irische Schuldenkrise spitzt sich zu: Gestern noch lehnte die irische Regierung alle Hilfsangebote ab. Nun fleht das hochverschuldete Land die EU "dringend" um Hilfe an. Irland und Griechenland greifen Deutschland offen an - Finanzminister Schäuble wehrt sich gegen Vorwürfe, die Euro-Krise verschärft zu haben.
HB BRÜSSEL. Irland hat den Widerstand gegen EU-Hilfe in der Schuldenkrise aufgegeben und wird wahrscheinlich doch unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen. Der irische Ministerpräsident Brian Cowen sagte am Mittwoch, er könne zwar keinen Zeitrahmen für die Gespräche mit der EU nennen, aber sie seien „dringend“. Kredithilfe werde aber nicht ohne Vorbereitung beantragt, ergänzte Cowen. Auch Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann warnte vor einer Ausweitung der Irland-Krise. „Ein Ausbrechen irgend eines Staates an den Märkten würde jetzt zur Ansteckung führen“, sagte er am Mittwoch am Rande des EU-Finanzministertreffens in Brüssel. Das gelte es „mit allen Mitteln“ zu vermeiden.
Deutschland steht in der Irland-Krise unter Beschuss: Finanzminister Wolfgang Schäuble hat Vorwürfe zurückgewiesen, die Schuldenkrise Irlands mit verschärft zu haben. Er habe derzeit genug damit zu tun, solche Unterstellungen „in aller gebotenen Form höflich aber deutlich zurückzuweisen“, sagte Schäuble. Irland und Griechenland hatten kritisiert, die von Deutschland vorangetriebene Debatte um einen dauerhaften Krisenmechanismus mit privater Gläubigerhaftung habe die Finanzmärkte in Unruhe versetzt und die schwächelnden Euro-Staaten belastet.
Schäuble betonte, es sei im Kreis der Finanzminister ausdrücklich bestätigt worden, dass an dem Konzept weitergearbeitet werde. Der Mithaftung privater Investoren bei einem Mechanismus nach Auslaufen des Euro-Rettungsschirms 2013 hatten die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel Ende Oktober auf Drängen von Bundeskanzlerin Angela Merkel zugestimmt. Der Versuch, die Entscheidung des Gipfels zu untergraben, werde von niemandem in der EU unterstützt. Es gebe keinen Zweifel, dass der Beschluss umgesetzt werde, sagte der Finanzminister.
Als ersten Schritt in Richtung Euro-Schutzschirms akzeptierte Irland, mit einer Expertengruppe von EU, IWF und EZB den Sanierungsbedarf seines Bankensystems zu ermitteln. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass Irland keine Hilfe von außen braucht“, sagte der finnische Finanzminister Jyrki Katainen in Brüssel. Bereits am Donnertag sollen Gespräche mit der EU-Kommission, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) darüber beginnen, wie das hoch verschuldete Irland die Bankenkrise in den Griff bekommen kann. Ein Hilfsantrag an den Euro-Rettungsschirm ist nach Einschätzung von EU-Diplomaten dann nur noch eine Frage der Zeit. Es sei nichts entschieden, doch der Prozess werde schnell abgeschlossen, sagte Katainen. „Nach einigen Tagen oder Wochen wissen wir mehr.“
Im Gespräch sei auch eine Beteiligung Großbritanniens, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn. Schließlich seien der Banken- und Finanzsektor beider Länder eng miteinander verbunden. Großbritannien nimmt nicht am Euro-Rettungsschirm teil, da es nicht zur Euro-Zone gehört. Über den Anteil der EU-Kommission am Rettungsschirm ist Großbritannien allerdings bereits indirekt beteiligt. Britische Banken sind mit knapp 150 Milliarden Dollar am stärksten in irischen Staatsanleihen engagiert vor den deutschen Banken mit 138 Milliarden Dollar. Der britische Schatzkanzler George Osborne sagte, seine Regierung sei bereit, Irland zu unterstützen, um Stabilität zu schaffen. Es sei in Großbritanniens nationalem Interesse, dass die irische Wirtschaft erfolgreich sei und ein stabiles Bankensystem habe.
Einige Krisenbanken in Irland hängen praktisch am Tropf der EZB, die die Geldinstitute mit frischem Geld versorgt. Doch die EZB kann diese Art der Refinanzierung nicht auf Dauer aufrechterhalten. Einige Euro-Partner und auch die EZB drängen die Regierung in Dublin deshalb, Hilfe aus dem Rettungstopf anzufordern. Die Regierung will kurz vor einem wichtigen Nachwahltermin am 25. November aber nicht als Bittsteller in Brüssel vorstellig werden. Ministerpräsident Cowen bekräftigte, es werde keinen „Bail-Out“ geben. Dieses Wort sei herabsetzend.