Krise gefährdet die LV-Altersvorsorge der Deutschen
Ratingagenturen warnen vor einer Bonitätsschmelze bei den Versicherern. Im schlimmsten Fall können die Anbieter nicht auf Staatshilfen hoffen.
Mit Händen und Füßen kämpfen die Lebensversicherer dagegen, das Attribut „systemrelevant“ aufgedrückt zu bekommen. Jetzt könnte ihnen – und damit auch ihren Kunden – genau das zum Verhängnis werden. Denn wer nicht als „zu groß, um zu scheitern“ gilt, der kann auch nicht darauf vertrauAls systemrelevant oder „too big to fail“, gelten Unternehmen nur dann, wenn der Staat sie notfalls aus ihrer finanziellen Schieflage raushauen wird – um eine sich weiterfressende Gefahr für Volkswirtschaft und Wirtschaftssystem durch ihre Insolvenz zu verhindern. Kürzen Versicherer Leistungen für ihre Kunden, weil sie Versprechen, die sie ihnen gegeben haben nicht mehr einlösen können. sind davon schließlich „nur“ private Vorsorgesparer oder Häuslebauer betroffen.
Eigenheimfinanzierer könnten ihre Hypothek nicht mehr so schnell ablösen und Lebensversicherte verlören einen Teil ihrer Altersvorsorge. Letzteres in den meisten Fällen nicht morgen oder übermorgen sondern erst in einigen Jahren – der Aufschrei könnte dementsprechend leise ausfallen.
Im Zweifelsfall springt der Staat nicht ein
Dennoch: 100 Millionen Lebenspolicen mit einer Versicherungssumme von sagenhaften 2,5 Billionen Euro – das ist das gewichtigste Bein, auf dem die deutsche Altersvorsorge steht. Anders als bei Banken können die Verbraucher bei Versicherern jedoch nicht darauf setzen, dass ihre Ansprüche im Zweifelsfall vom Staat aufgefangen werden.
Die internationalen Kapitalmarktwächter haben gerade eine Liste der 28 wichtigsten Banken zusammengestellt, die zu groß sind, um sie im Krisenfall fallenlassen zu können, weil ihr Kollaps würde weitere Firmen mit in den Abgrund reißen.
Diese sogenannten SIFIs sollen mit mehr Kapital als normale Institute ausgestattet sein, um einen Extra-Puffer zu haben. Zwar ist geplant, auch einige große Versicherer wie die Allianz oder die Münchener Rück auf die Liste zu setzen – das stößt allerdings auf erbitterten Widerstand in der Versicherungswirtschaft, weil die Assekuranzen nicht in einen Topf mit den Banken geworfen werden wollen. Schließlich sehen sie sich nicht als Verursacher der Finanzkrise.
„Die Kernaktivitäten der Versicherer verursachen kein Systemrisiko“, schrieb die Versichererorganisation Geneva Association Anfang des Jahres in einem offenen Brief an die Finanzminister und führenden Notenbankchefs. Signiert haben diesen Brief Nikolaus von Bomhard, der Chef des Rückversicherers Munich Re, und der Generalsekretär der Geneva Association.
Nach Ansicht der EU-Kommission müssen sich auch die großen europäischen Versicherer keine Sorge machen, als systemrelevante Firmen der Finanzbranche noch zusätzliches Kapital vorhalten zu müssen: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Lösung noch mehr Kapital ist“, sagte der für Versicherungen zuständige Referatsleiter der EU-Kommission, Karel Van Hulle: „Das wäre kompletter Unsinn.“
Ratingagenturen geben negativen Ausblick
Zumindest in Europa sollten die auf die Versicherer zukommenden strengeren Kapitalvorschriften nach Solvency II als zusätzlicher Kapitalpuffer für weitere Zinseiszeiten ausreichen, sagte Van Hulle. Solvency II soll im Jahr 2013 eingeführt werden und die Kunden der Versicherer besser schützen. So müssen etwa die Risiken aus Wertpapieren mit mehr Kapital abgesichert werden als in der Vergangenheit –die Gesellschaften flüchten daher aus der Anlage „Aktie“.
Gerade die Unterfütterung mit Eigenkapital, die Belastung aus Solvency II, sieht die Rating-Agentur Standard & Poor’s (S&P) als großes Problem für die deutschen Lebensversicherer. Sie sieht die Branche auf dem absteigenden Ast und erklärt in einer aktuellen Studie, die Bonität von Lebensversicherern werde in den nächsten Jahren weiter nach unten gehen.
Einer sich verschärfenden Schuldenkrise einem anhaltenden Niedrigzinsniveau sieht die Ratingagentur die Lebensversicherer nicht gewachsen. Durch die niedrigen Renditen bei sicheren Staatsanleihen ist es für die Branche eine enorme Herausforderung, die den Kunden versprochenen Zinsen zu erwirtschaften. Zwar wird der garantierte Zins, der sogenannte Garantie- oder auch Höchstrechungszins, zum Jahreswechsel von heute noch 2,25 Prozent auf 1,75 Prozent für Neuverträge gesenkt.
http://www.welt.de/finanzen/article13659466/...rge-der-Deutschen.html