"Weltmeister Deutschland"
von Friedhelm Busch
Nein, dieser deutsche Sozialstaat ist auf Dauer nicht mehr zu bezahlen. Die vorhersehbare Vergreisung unserer Gesellschaft wird zum Kollaps unserer Sozialversicherung führen. Zuviel ältere Menschen, die die gesetzliche Rentenversicherung in Anspruch nehmen, zuwenig junge Erwerbstätige, die das aufgrund des Generationenvertrages mit ihren Beiträgen direkt bezahlen müssen. In dieser Analyse sind sich seit Jahren die meisten Wirtschaftswissenschaftler einig. Wir Stecken in der am längsten vorhergesagten Krise in der Geschichte de Bundesrepublik Deutschland.
Ein starker Aufschwung unserer Wirtschaft, der über eine dauerhafte Mehrbeschäftigung den seit Jahrzehnten vorhergesagten Zusammenbruch unseres Sozialsystems zumindest vertagen könnte, ist nicht in Sicht. Im Grunde ist er gerade wegen der ausufernden Soziallasten auch kaum möglich.
Ja, in der Analyse sind wir wahrlich Weltmeister. Aber das ist auch schon alles, denn es steht zu befürchten, dass sich trotz dieser Erkenntnis nichts Grundlegendes ändern wird. Auch nicht nach der Bundestagswahl im September, auch nicht, wenn es zu einem Regierungswechsel kommen sollte. Zu groß ist unser Beharrungsvermögen, die Sehnsucht der Bürger nach dem Wohlfahrtsstaat zum Nulltarif, zu groß die Angst der Politiker, schon für erste zaghafte Umbaumaßnahmen unseres staatlichen Sozialsystems vom Wähler bestraft zu werden.
Die gegenwärtige Regierung hat mit dieser Angst älterer Menschen, offensichtlich eine wahlentscheidende Gruppe, die letzte Bundstagswahl erfolgreich bestanden. Winzige erste Schritte der Kohl-Regierung in Richtung Anpassung des Rentensystems an die demografische Entwicklung oder Liberalisierung des Arbeitsmarktes führten zu einem Verlust der Mehrheit in unserem Staate. Daraus hat die CDU/CSU-Opposition gelernt. Das Konzept ihrer Wahl-Strategien ist auf Konsens ausgerichtet. Ohne Ecken und Kanten. Reformen sind zwar notwendig, stimmt, sie dürfen aber keinem weh tun.
Vor allem darf es keine Konfrontation mit der Gewerkschaftsbewegung geben, die sich von jeher als verlässliches Bollwerk gegen Modernisierung and Umbau unseres Staates in Szene setzt. Mögen auch Ausweitung der Mitbestimmung, übertriebener Kündigungsschutz, Recht auf Teilzeitarbeit, Zwang zur Tariftreue bei staatlichen Aufträgen oder ein Flächentarifvertrag für florierende wie marode Betrieben gleichermaßen den Wirtschaftsstandort Deutschland unter Wasser drücken, egal, die Gewerkschaften stört das wenig. Lautstark bringen sie sich vor der Bundestagswahl wieder als Lobbyisten der Arbeitsbesitzenden in Erinnerung.
Dass die Fundamente ihrer Barrikaden längst von der Globalisierung und dem Trend zur Dienstleistungsgesellschaft unterspült worden sind, ihre Mitgliederzahl schwindet und die deprimierende Arbeitslosigkeit nicht zuletzt wegen dieses Starrsinns einiger Gewerkschaftsfunktionäre den Aufschwung in Deutschland bremst und die Produktion großer Konzerne ins Ausland verjagt, das alles wird zur Zeit überlagert vom Schmusekurs der Wahlkampf-Strategen, von der Angst, die Gewerkschaften gegen sich aufzubringen, wenn man den Bürgen die Wahrheit sagt.
Nur wenige Politiker im Lager der CDU/CSU haben offenbar de Mut, den Bundesbürgern die Konsequenzen der bisherigen Politik vor Augen zu führen.
Nur ein drastischer Richtungswechsel in der Politik kann unsere Gesellschaft wieder vom Kopf auf die Fuße stellen.
Einfach wird dies natürlich nicht sein, denn angesichts der hohen Staatsverschuldung ist der Spielraum für teure Wahlgeschenke auf null zusammengeschnurrt. Im Schatten der Maastricht-Kriterien verbietet sich somit jeder Gedanke an eine tatsächliche Reform unseres Steuersystems, wenn dadurch die Steuereinnahmen – sei es auch nur vorübergehend – abnehmen. Die zweifellos vorhandene Selbstfinanzierungskraft einer Steuerreform über niedrigere Steuersätzen braucht halt Zeit. Der amerikanisch Präsident Ronald Reagan hat diesen Schritt gewagt. Aber erst Bill Clinton konnte Jahre später die Ernte in die Scheuer fahren.
Soviel Zeit geben sich unsere Politiker nicht. In Deutschland wird schließlich schon jede noch so kleine Wahl zur Nagelprobe für die Bundesregierung hochstilisiert. Und immer gibt es irgendwo im Lande eine Kommunalwahl.
Theoretisch könnte ein Abbau von Subventionen den Finanzminister aus seiner Schuldenfalle befreien und ihm Liquidität für sinnvolle Steuermaßnahmen verschaffen. Praktisch wird dies aber wohl kaum möglich sein. Zwar tönen Politiker fortwährend vom Prüfstand, auf den alle Subventionen gestellt werden müssten. Ohne Wenn und Aber. Doch den Mut zur Konkretisierung hat keiner. Alles nur Gerede. Wie sonst wären beispielsweise die Milliarden für den deutschen Steinkohlebergbau zu erklären? Mit wirtschaftlicher Vernunft haben derartige Erhaltungssubventionen nichts zu tun. Wohl aber mit unserem Hang zum Konsens.
Noch finden diese Sehnsucht der Buerger nach staatlich garantierter Nestwärme und sozialer Gerechtigkeit, der Schutz des Schwachen durch die Gesellschaft ihre positive Resonanz in den Wahlprogrammen der großen Volksparteien, doch längst wissen wir im Grunde, dass vor allem diejenigen davon profitieren, die am lautesten die Hilfe der Gesellschaft einfordern, die die stärksten Bataillone auf ihrer Seite wissen. Die tatsächlich Schutzbedürftigen aber, beispielsweise die Arbeitslosen, die wegen ihres Alters oder aufgrund ihrer schlechten Ausbildung keine Arbeit finden; sie werden letztlich nur benutzt, um den Arbeitsbesitzenden die Arbeit zu erhalten. Die Arbeitslosen bleiben draußen vor der Tür. Ausgesperrt.
Der Widerspruch dieser scheinbar sozialen Politik wird erst dann mit den Händen zu greifen sein, wenn der Staat immer stärker die Leistungsträger der Gesellschaft mit immer höheren Beiträgen in Anspruch nehmen muss, um seinen selbstgeschaffenen Pflichten nachkommen zu können. Am Ende wird die Abgabenlast so hoch sein, dass zunehmend auch einstige Leistungsträger sich selber als sozial schwach einstufen und auf Hilfe durch den Staat bestehen, weil Ihnen der Spielraum für die eigene Vorsorge durch den Staat genommen worden ist. Die regelmäßigen Erhöhungen der Beitragsbemessungsgrenzen in der Sozialversicherung zielen in dieser Richtung.
Wie gesagt, dies sind keine neuen Erkenntnisse. Die Analysen der sozialstaatlichen Fehlentwicklungen werden seit Jahrzehnten in Deutschland herumgereicht. Doch leider hat sich nur wenig getan. Die großen Konzerne in Deutschland wird dies nicht sonderlich aufregen, sie haben im Grunde längst ihre Konsequenzen gezogen und entscheidende Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagert. Wen wundert es, dass die Finanzmärkte gelassen bleiben. Den heimischen Mittelstand dagegen trifft die ganze Wucht dieser Fehlentwicklung. Ihm muss geholfen werden, denn er ist die Basis unserer Wirtschaft. Er prägt in erheblichem Umfang die Stimmung im Lande.
In diesen Punkten könnte eine neue Regierung nach der Wahl ihre Duftmarken setzen. Das würde nicht einmal viel Geld kosten. Es reicht nicht, nur Weltmeister der Analyse zu sein, man muss ihr auch Taten folgen lassen. Vielleicht sind die Bürger ja inzwischen mündiger und einsichtiger als die Politiker vermuten.
In diesen Punkten könnte eine neue Regierung nach der Wahl ihre Duftmarken setzen. Das würde nicht einmal viel Geld kosten. Es reicht nicht, nur Weltmeister der Analyse zu sein, man muss ihr auch Taten folgen lassen. Vielleicht sind die Bürger ja inzwischen mündiger und einsichtiger als die Politiker vermuten.
von Friedhelm Busch
Nein, dieser deutsche Sozialstaat ist auf Dauer nicht mehr zu bezahlen. Die vorhersehbare Vergreisung unserer Gesellschaft wird zum Kollaps unserer Sozialversicherung führen. Zuviel ältere Menschen, die die gesetzliche Rentenversicherung in Anspruch nehmen, zuwenig junge Erwerbstätige, die das aufgrund des Generationenvertrages mit ihren Beiträgen direkt bezahlen müssen. In dieser Analyse sind sich seit Jahren die meisten Wirtschaftswissenschaftler einig. Wir Stecken in der am längsten vorhergesagten Krise in der Geschichte de Bundesrepublik Deutschland.
Ein starker Aufschwung unserer Wirtschaft, der über eine dauerhafte Mehrbeschäftigung den seit Jahrzehnten vorhergesagten Zusammenbruch unseres Sozialsystems zumindest vertagen könnte, ist nicht in Sicht. Im Grunde ist er gerade wegen der ausufernden Soziallasten auch kaum möglich.
Ja, in der Analyse sind wir wahrlich Weltmeister. Aber das ist auch schon alles, denn es steht zu befürchten, dass sich trotz dieser Erkenntnis nichts Grundlegendes ändern wird. Auch nicht nach der Bundestagswahl im September, auch nicht, wenn es zu einem Regierungswechsel kommen sollte. Zu groß ist unser Beharrungsvermögen, die Sehnsucht der Bürger nach dem Wohlfahrtsstaat zum Nulltarif, zu groß die Angst der Politiker, schon für erste zaghafte Umbaumaßnahmen unseres staatlichen Sozialsystems vom Wähler bestraft zu werden.
Starsinn und Mutlosigkeit verhindern Reform
Die gegenwärtige Regierung hat mit dieser Angst älterer Menschen, offensichtlich eine wahlentscheidende Gruppe, die letzte Bundstagswahl erfolgreich bestanden. Winzige erste Schritte der Kohl-Regierung in Richtung Anpassung des Rentensystems an die demografische Entwicklung oder Liberalisierung des Arbeitsmarktes führten zu einem Verlust der Mehrheit in unserem Staate. Daraus hat die CDU/CSU-Opposition gelernt. Das Konzept ihrer Wahl-Strategien ist auf Konsens ausgerichtet. Ohne Ecken und Kanten. Reformen sind zwar notwendig, stimmt, sie dürfen aber keinem weh tun.
Vor allem darf es keine Konfrontation mit der Gewerkschaftsbewegung geben, die sich von jeher als verlässliches Bollwerk gegen Modernisierung and Umbau unseres Staates in Szene setzt. Mögen auch Ausweitung der Mitbestimmung, übertriebener Kündigungsschutz, Recht auf Teilzeitarbeit, Zwang zur Tariftreue bei staatlichen Aufträgen oder ein Flächentarifvertrag für florierende wie marode Betrieben gleichermaßen den Wirtschaftsstandort Deutschland unter Wasser drücken, egal, die Gewerkschaften stört das wenig. Lautstark bringen sie sich vor der Bundestagswahl wieder als Lobbyisten der Arbeitsbesitzenden in Erinnerung.
Dass die Fundamente ihrer Barrikaden längst von der Globalisierung und dem Trend zur Dienstleistungsgesellschaft unterspült worden sind, ihre Mitgliederzahl schwindet und die deprimierende Arbeitslosigkeit nicht zuletzt wegen dieses Starrsinns einiger Gewerkschaftsfunktionäre den Aufschwung in Deutschland bremst und die Produktion großer Konzerne ins Ausland verjagt, das alles wird zur Zeit überlagert vom Schmusekurs der Wahlkampf-Strategen, von der Angst, die Gewerkschaften gegen sich aufzubringen, wenn man den Bürgen die Wahrheit sagt.
Nur wenige Politiker im Lager der CDU/CSU haben offenbar de Mut, den Bundesbürgern die Konsequenzen der bisherigen Politik vor Augen zu führen.
Nur ein drastischer Richtungswechsel in der Politik kann unsere Gesellschaft wieder vom Kopf auf die Fuße stellen.
Deutschlands teuerer Hang zum Konsens
Einfach wird dies natürlich nicht sein, denn angesichts der hohen Staatsverschuldung ist der Spielraum für teure Wahlgeschenke auf null zusammengeschnurrt. Im Schatten der Maastricht-Kriterien verbietet sich somit jeder Gedanke an eine tatsächliche Reform unseres Steuersystems, wenn dadurch die Steuereinnahmen – sei es auch nur vorübergehend – abnehmen. Die zweifellos vorhandene Selbstfinanzierungskraft einer Steuerreform über niedrigere Steuersätzen braucht halt Zeit. Der amerikanisch Präsident Ronald Reagan hat diesen Schritt gewagt. Aber erst Bill Clinton konnte Jahre später die Ernte in die Scheuer fahren.
Soviel Zeit geben sich unsere Politiker nicht. In Deutschland wird schließlich schon jede noch so kleine Wahl zur Nagelprobe für die Bundesregierung hochstilisiert. Und immer gibt es irgendwo im Lande eine Kommunalwahl.
Theoretisch könnte ein Abbau von Subventionen den Finanzminister aus seiner Schuldenfalle befreien und ihm Liquidität für sinnvolle Steuermaßnahmen verschaffen. Praktisch wird dies aber wohl kaum möglich sein. Zwar tönen Politiker fortwährend vom Prüfstand, auf den alle Subventionen gestellt werden müssten. Ohne Wenn und Aber. Doch den Mut zur Konkretisierung hat keiner. Alles nur Gerede. Wie sonst wären beispielsweise die Milliarden für den deutschen Steinkohlebergbau zu erklären? Mit wirtschaftlicher Vernunft haben derartige Erhaltungssubventionen nichts zu tun. Wohl aber mit unserem Hang zum Konsens.
Noch finden diese Sehnsucht der Buerger nach staatlich garantierter Nestwärme und sozialer Gerechtigkeit, der Schutz des Schwachen durch die Gesellschaft ihre positive Resonanz in den Wahlprogrammen der großen Volksparteien, doch längst wissen wir im Grunde, dass vor allem diejenigen davon profitieren, die am lautesten die Hilfe der Gesellschaft einfordern, die die stärksten Bataillone auf ihrer Seite wissen. Die tatsächlich Schutzbedürftigen aber, beispielsweise die Arbeitslosen, die wegen ihres Alters oder aufgrund ihrer schlechten Ausbildung keine Arbeit finden; sie werden letztlich nur benutzt, um den Arbeitsbesitzenden die Arbeit zu erhalten. Die Arbeitslosen bleiben draußen vor der Tür. Ausgesperrt.
Der Widerspruch dieser scheinbar sozialen Politik wird erst dann mit den Händen zu greifen sein, wenn der Staat immer stärker die Leistungsträger der Gesellschaft mit immer höheren Beiträgen in Anspruch nehmen muss, um seinen selbstgeschaffenen Pflichten nachkommen zu können. Am Ende wird die Abgabenlast so hoch sein, dass zunehmend auch einstige Leistungsträger sich selber als sozial schwach einstufen und auf Hilfe durch den Staat bestehen, weil Ihnen der Spielraum für die eigene Vorsorge durch den Staat genommen worden ist. Die regelmäßigen Erhöhungen der Beitragsbemessungsgrenzen in der Sozialversicherung zielen in dieser Richtung.
Gebeutelter Mittelstand
Wie gesagt, dies sind keine neuen Erkenntnisse. Die Analysen der sozialstaatlichen Fehlentwicklungen werden seit Jahrzehnten in Deutschland herumgereicht. Doch leider hat sich nur wenig getan. Die großen Konzerne in Deutschland wird dies nicht sonderlich aufregen, sie haben im Grunde längst ihre Konsequenzen gezogen und entscheidende Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagert. Wen wundert es, dass die Finanzmärkte gelassen bleiben. Den heimischen Mittelstand dagegen trifft die ganze Wucht dieser Fehlentwicklung. Ihm muss geholfen werden, denn er ist die Basis unserer Wirtschaft. Er prägt in erheblichem Umfang die Stimmung im Lande.
In diesen Punkten könnte eine neue Regierung nach der Wahl ihre Duftmarken setzen. Das würde nicht einmal viel Geld kosten. Es reicht nicht, nur Weltmeister der Analyse zu sein, man muss ihr auch Taten folgen lassen. Vielleicht sind die Bürger ja inzwischen mündiger und einsichtiger als die Politiker vermuten.
In diesen Punkten könnte eine neue Regierung nach der Wahl ihre Duftmarken setzen. Das würde nicht einmal viel Geld kosten. Es reicht nicht, nur Weltmeister der Analyse zu sein, man muss ihr auch Taten folgen lassen. Vielleicht sind die Bürger ja inzwischen mündiger und einsichtiger als die Politiker vermuten.