Mule99 hat sehr akkurat den zeitlichen Ablauf von Twitter-Nachrichten (und deren Löschungen), des HB-Berichts (und dessen verschiedene Versionen) sowie der AdHoc-Meldung durch WDI dargestellt und dokumentiert (#7920).
Dabei fällt die reißerische Form zumindest der ersten HB-Version auf, sowie die Tatsache, dass Twitter-Nachrichten wieder gelöscht wurden, was den Eindruckt erweckt, dass hier etwas vertuscht werden sollte. Dieses Verhalten ist äußerst fragwürdig und hinterlässt einen faden Beigeschmack, aber ist letztendlich nicht illegal.
Doch es schwebt ja der deutlich schwerwiegendere Vorwurf im Raum, Holtermann könne oder würde mit den Leerverkäufern gemeinsame Sache machen. Es wurde sogar schon die Vermutung geäußert, Holtermann habe für die Leerverkäufer die Funktion von McCrum eingenommen, nachdem dieser von der Financial Times an die kurze Leine genommen wurde.
Ich muss gestehen, dass ich das – zumindest was den vergangenen Freitag betrifft – etwas differenzierter sehe.
Holtermann hat von der Hausdurchsuchung recht früh erfahren. Er ist Journalist und WDI hat über 5000 Mitarbeiter, auch wenn nicht alle in Aschheim tätig sind. Dass man als Journalist Kontakte pflegt, halte ich für normal. Das muss auch kein Maulwurf der Staatsanwaltschaft, der BaFin oder gar von WDI selbst sein. Wenn in der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt wieder mal eine Hausdurchsuchung stattfindet, kommen die Steuerfahnder etc. auch nicht im Geheimen durch die Tiefgarage, sondern fahren mehr oder weniger öffentlichkeitswirksam vor.
Warum hat nun Holtermann nicht schon am Nachmittag, nachdem er von der Hausdurchsuchung erfahren hat, darüber berichtet? Als Journalist darf er das und es gibt wohl auch keine Vorschrift, die besagt, dass er zunächst die AdHoc-Meldung des betreffenden Unternehmens abzuwarten habe.
Wenn er nun mit den Hedgefunds unter einer Decke stecken würde, hätte er das sicher getan, denn eine negative Nachricht über WDI deutlich vor Xetra-Schluss hätte den Leerverkäufern noch mehr in die Hände gespielt. Die aufgeschreckten und ohnehin schon sensibilisierten Kleinanleger hätten noch früher von dem (vermeintlichen) Desaster erfahren und sich wahrscheinlich in noch größerer Stückzahl und auch zu noch deutlich niedrigeren Kursen von ihren Aktien getrennt. Ein gefundenes Fressen für die Hedgefunds.
Holtermann hat das nicht getan, obwohl es durchaus legitim gewesen wäre. Warum? Zumindest in diesem Fall war sein Verhalten nicht im Interesse der Leerverkäufer.
Könnte es nicht auch sein, dass die Staatsanwaltschaft und/oder die BaFin und/oder WDI selbst Holtermann gebeten haben, mit dem Artikel bis Börsenschluss bzw. bis nach der AdHoc-Meldung zu warten, um den Kurs nicht noch stärker zu beeinflussen? Das würde auch erklären, weshalb der Artikel unmittelbar nach der AdHoc-Meldung schon fertig war.
Vielleicht mache ich auch einen Denkfehler. Für Gegenargumente und andere Sichtweisen wäre ich daher dankbar.