Dieser weist in seiner aktuellen Verfassung zahlreiche Parallelen zu anderen schädlichen Verhaltensweisen auf (www.novo-argumente.com/artikel/...ng_der_informationsmedien). Dieses ständige „Es-ist-noch-nicht-gut-nein-auch-jetzt-noch-nicht-und-immer-noch-nicht-gut-genug erinnert an Mobbing und an das Münchhausen- sowie an das Münchhausen-Stellvertretersyndrom. Und wie das bei Mobbing so ist: Zunächst versuchen die „Ungenügenden“ sich zu verbessern und den Ansprüchen genüge zu leisten, selbst wenn es dies gar nicht bräuchte. Und dann verstummen sie zusehends, weil es eh keinen Zweck mehr hat. Alles was sie tun und nicht tun, wird schlecht gemacht. Da hilft nur noch eines: Drüberstehen. Man kann dem Boulevardjournalismus nicht offensiv begegnen, da man so nur noch mehr Wind auf dessen Mühlen streut. Man kann nur noch darauf setzen, dass der vernunftbegabte Medienkonsument selbst fähig ist, die diversen Artikel richtig einzuordnen.
Übrigens: Was in diversen Börsenforen zu lesen war, deutet auf ein Wegducken der Presse hin. Also das, was sie bei anderen geißeln, beherzigen sie nun selbst. Es wird relativiert, angefangen bei Artikelupdates, deren Verbesserungen aber nicht kenntlich gemacht werden, über ausweichende und allgemeine Antworten auf individuelle Beschwerde-Emails bis hin zu völliger Ignoranz.
Nachdem das Handelsblatt den meiner Meinung nach höchst grotesken Artikel am frühen Abend des 19.11.2019 auf all seinen Kanälen veröffentlichte, sackte der Aktienkurs von Wirecard kurzzeitig im hoch einstelligen Prozentbereich ab. Dass der Kurs überhaupt reagierte, kann ich mir nur durch den hochautomatisierten Börsenhandel erklären. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Kleinanleger die nötige Masse an Aktien, die Handlungsschnelligkeit, das Instrumentarium und jenen Mangel an gesundem Menschenverstand aufweisen, als dass sie für den rasanten Kurssturz verantwortlich wären. Auch Wirecard erachte ich als unschuldig, denn weder für die boulevardeske Berichterstattung, noch für die Handelsaktivitäten ihrer Aktionäre können sie etwas. Wirecard ist nicht verantwortlich für diverse Algorithmen, Stop-Loss-Marken, Wertpapierleihen, Margin Calls, Money Management- und Risikomanagement-Vorgaben o.Ä. Und Wirecard kann auch nichts für die Leerverkaufsquote im anscheinend niedrigen zweistelligen Bereich seines Aktienkapitals. Zu Leerverkäufen später mehr.
Gemessen an früheren Ausschlägen des Wirecardkurses war die Reaktion diesmal sogar gering und kurz. Neu war meiner Meinung nach allerdings der Shitstorm, der vor allem über die verantwortlichen Personen des Handelsblattes hereinbrach. Auf Twitter, Facebook, in den Artikelkommentaren und in Börsenforen wurde heftig über Herrn Holtermann, über Handelsblatt-Chefredakteur Sven Afhüppe und generell über die Medien diskutiert und sich echauffiert.
Warum dieser Shitstorm? Und warum jetzt?
Nun ja, wenn ich mein eigenes Empfinden verallgemeinere, dann, weil Felix Holtermann diesmal mit seinem Wirecard-Artikel die Grenze zur Lächerlichkeit überschritt und massiven Korrekturbedarf aufwies, sofern man dem Handelsblatt und generell der Börsenpresse noch Seriosität unterstellt. So gesehen ist dieser Shitstorm nichts anderes als konstruktiver Journalismus in der Retourkutsche in dreierlei Hinsicht:
Als ein unverkennbares Zeichen zu verstehen, dass die Anleger zu Wirecard stehen,
sich nicht ob des Kursverlaufs und der Kommunikationspolitik Wirecards ängstigen sowie
den boulevardesken Stil des Gros der Wirtschafts- und Börsenpresse in Deutschland leid sind.
Denn was Holtermann in seinem Artikel vermissen lies und damit dem Informationsbedürfnis der Leser zuwider lief, war Ausgewogenheit. Die Betroffenen, wenn man so will, wurden nur mit einem kurzen Statement berücksichtigt. Mehr Platz bekamen vor allem jene Experten, wobei Experte ja ein sehr dehnbarer Begriff ist, die ein deutlicheres Herausstellen des zurückgehaltenen Testats befürworteten. Hierzu zählte die Rechtsanwältin und Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. Daniela Bergdolt, die auf Mandantensuche ist, um etwaigen Schadensersatz von Wirecard einzuklagen (vgl. www.ra-bergdolt.de/aktuelles/...z-fuer-aktionaere-moeglich/), obwohl die Fehlbuchungen in der Singapurer Tochterfirma als unwesentlich für die Vermögens- Finanz- und Ertragslage gekennzeichnet wurden (0,1% des Gesamtumsatzes von 2017 musste korrigiert werden) und obwohl ja gegen die Financial Times ein Ermittlungsverfahren läuft, so dass, wenn überhaupt, wohl eher Schadensersatz von der FT einklagbar wäre. Wer als Aktionärsschützerin auftritt, so meine Meinung, täte gut daran, anderen Sachverhalten und Verdachtsmomenten nachzugehen und zu thematisieren, z.B. den Marktmanipulationsverdacht bezüglich Financial Times-Autoren und Hedgefonds-Managern (vgl. www.theshortleaks.com). Zumindest aber hätte es ihr gut gestanden, die Gefahr für die Bestandsaktionäre Wirecards zu relativieren, indem sie auf die umfangreichen Prüfungen durch EY und dessen uneingeschränktes Testat für den Gesamtkonzern hingewiesen hätte, statt die Unsicherheit mit zu verursachen bzw. zu verschärfen.
Auch sonst fehlte es Holtermanns Artikel an Ausgewogenheit. Die Tatsache, dass Wirecards Jahresabschluss als Solches testiert wurde, trotz des vorläufigen Testatfehlens in der Singapurer Tochtergesellschaft, hätte zumindest bei mir das Interesse geweckt, nach der generellen Aussagefähigkeit von Testaten zu fragen, zumindest aber wie Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Testate vergeben. Ich glaube kaum, dass 99% der Handelsblattleser Steuerberater, Buchhalter und Wirtschaftsprüfer sind, so dass nur noch die Frage offen blieb, ob ein klareres Herausstellen fehlender Lokaltestate wünschenswert wäre. Informativ hätte ich es auch gefunden, wenn er die Story der fehlenden Testate ausgeweitet hätte.
Der DAX besteht aus noch 29 weiteren, multinationalen Unternehmen und viele davon sind aufgrund ihrer Verfehlungen schon berühmt-berüchtigt. Auf die Marktmanipulationsermittlungen gegen die Financial Times aufgrund der oben verlinkten Tonbandmitschnitte, über die das Handelsblatt ja ebenfalls exklusiv berichtet (vgl. www.handelsblatt.com/finanzen/...ellosen-krimi/24687366.html) wurde ebenfalls verzichtet. Und gemessen daran, dass Wirecard auch Tochtergesellschaften in Malaysia, Vietnam, Indonesien, Myanmar, Thailand, Indien, Philippinen, Türkei, Hong Kong und VAE (Dubai) unterhält, finde ich die Singapurer Gesellschaft sowohl von ihrem Zweck/ihrer Aufgabe, als auch vom Umsatz her (40 Mio. Dollar) in den Medien und im Handelsblatt-Artikel für überhöht.
Ich kann mich des Eindrucks leider nicht erwehren, dass Herr Holtermann so agierte, dass möglichst Wirecard in ein schlechtes Licht gerückt wurde. Als ob Wirecard die Wünsche seiner Aktionäre ignorierte, als ob es etwas zu verbergen hätte und als ob Wirecard das Vertrauen seiner Anleger egal wäre.
Wenn dem so wäre, warum verstärkt Wirecard seine Kommunikations- und Compliance-Abteilung? Warum reagiert sie auf alle Vorwürfe? Warum stellt sich Herr Braun sämtlichen Fragen in Telefonkonferenzen, bei Presseinterviews und diversen Events? Und warum werden teure Extra-Prüfungen mit unterschiedlichen Kanzleien beauftragt?
Da auch in den zurückliegenden Tagen keine weiteren Artikel zu diesem Themenkomplex von Herrn Holtermann kamen, die bspw. die o.g. Fragen aufgriffen, erscheint es mir eindeutig, dass er es absichtlich an Seriosität vermissen ließ. Ihm muss man allerdings zur Gute halte, wenngleich es keine Entlastung oder Entschuldigung für ihn darstellt, dass ich als Außenstehender nicht weiß, wie sehr ihm evtl. von oben Anweisungen gegeben wurden und wie lange er Wirecard Zeit für ein Statement gab. Ich schreibe dies, wie gesagt nicht zur Relativierung, sondern der Versachlichung und Ausgewogenheit wegen. Ich kann ja nicht anderen tendenziöse Berichterstattung vorwerfen und es dann selbst an Reflektion missen lassen.
Durchwachsenes Medienecho
Das Medienecho auf Holtermanns Artikel war sehr groß, aber ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn blieb leider aus. Ein Medienecho getreu dem Motto: Alter Inhalt unter neuen reißerischen Überschriften. Lediglich das Nebenwerte-Magazin und die Frankfurter Allgemeine Zeitung hoben sich positiv von der Masse ab. Man durfte sich nicht von Emotionen beirren lassen, wenn man die Schlagzeile „Wirecard ist eine Schande für den DAX“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung las. Wenn der FAZ-Redakteur Henning Peitsmeier - der als langjähriger Unternehmensjournalist bereits mit diversen Vorstandsvorsitzenden Interviews führte, u.a. mit Herrn Braun von Wirecard oder mit Herrn Bäte von der Allianz, und auch sonst die Kommunikationsabteilungen vieler großer Konzerne kennt - Wirecard als eine Schande für den Dax bezeichnet, dann lässt sich das durchaus als Weckruf verstehen. Denn Herr Peitsmeier ist kein junger Wilder und er berichtete bislang sachlich zu Wirecard. Auch schrieb er seinen Kommentar in der Sorge, dass es doch ein Unding sei, dass ein solcher Artikel, wie von Herrn Holtermann, zu zumindest Buchverlusten und einzelnem Verdruss auf Anlegerseite führte. Zwar erschließt sich mir nicht seine Schlussfolgerung, dass dies Wirecard anzulasten sei, aber das kann ja auch an mir liegen. Überdies gab es andernorts viel unplausiblere Kommentare und Artikel zu Wirecard, wie z.B. die pauschale Kritik am Aufsichtsrat. Nicht nur, dass dessen Zusammensetzung in den letzten zwei Jahren verändert wurde, nein, darüber hinaus kann er in Sachen Diversität durchaus als Vorzeige-Aufsichtsrat gelten. Auch findet man dort keine Ex-Vorstände und das Softbank dort demnächst ebenfalls präsent sein wird, kann ich nur als weiteren Beleg für eine gute Unternehmensführung empfinden.
Eine Frage des Stils?
Einen Absatz möchte ich zudem der Formulierungsweise widmen: Langgliedrige Finger, kurz rasierte Haare, schwachbeleuchtete Theken an Messeständen, dunkle Anzüge, angemietete Büroräume und dass der Sitz der Zentrale in keiner Großstadt liegt, lassen kompetente Leser die Augen verdrehen, ob dieser Nichtigkeiten; bei weniger kompetenten lösen sie unwillkürlich eher negativ besetzte Assoziationen aus. Ich denke da an Begriffe wie Langfinger, Militär, Geldwäsche, Geheimnistuerei, Anrüchigkeit und Provinzialität. Und ich zitiere hier bereits wohlwollend dem Manager-Magazin, der Süddeutschen Zeitung, dem Handelsblatt oder bspw. finanze-szene.de gegenüber! Und das in einer Firma durchaus auch weitere Familienmitglieder ihrer Angestellten arbeiten, dass Privat- und Berufsleben nicht immer strikt getrennt werden können und das für die Aufnahme in den DAX zuvörderst die Free Float-Marktkapitalisierung und der Börsenumsatz zählen, also die Handelbarkeit/Liquidität der Unternehmensaktien und die Höhe der Unternehmensbewertung, sollte doch Wirtschafts- und Finanzjournalisten nicht unbekannt sein. Der tatsächliche Firmenumsatz spielt hingegen keine Rolle. Man kann, muss aber nicht 50 Mrd. Euro an Umsatz erwirtschaften, um Teil dieses Börsenbarometers zu sein. Übrigens zählt der Free-Float von Wirecard zu den höchsten im DAX, ja, es gibt noch nicht mal Stamm- und Vorzugsaktien, mit der andere Börsenunternehmen die Mehrheit der Stimmrechte beim Gründer bzw. obersten Boss belassen. Und die Vergleiche Wirecards mit Start-ups oder den Firmen des „Neuen Marktes“ sind so dermaßen haarsträubend, dass man jedem Leser kurzrasierte Haare wünschen kann. Und es wäre Journalisten zu wünschen, auch den Privatanleger/Kleinanleger zu Wort kommen zu lassen, statt nur über ihn zu schreiben und ihm Wertverlust, Angst und Wut zuzuschreiben. Ich lese in den Aktienforen das Gegenteil; ebenso, wie ich dort die fundiertesten und spannendsten Analysen und Hintergründe zu Wirecard und zum Handel der Aktie finde.
Besserer Umgang mit Short-Attacken nötig
Und damit möchte ich auf eher generelle Aspekte überleiten, die dieses Essay ebenfalls noch erörtern soll. Die boulevardeske Berichterstattung über Wirecard kann in Abschlussarbeiten von Medien- und Kommunikationsstudenten aufgearbeitet werden, genauso wie die Frage, wie sich ein DAX-Konzern kommunikativ aufzustellen habe. Dringend wissenschaftlich zu untersuchen empfehle ich auch, wie sich die Berichterstattung verhält bzw. inhaltlich gestaltet, sobald ein Börsenunternehmen eine Short-Attacke erleidet.
Ob bei Wirecard, Ströer oder Aurelius, zunächst nutzten die diversen Börsenmedien die Attacke für weitere Panikmache, danach wurden sämtliche Bewegungen der Leerverkäufer-Quote für Clickbait-Titel genutzt und nach Monaten interessierte sich niemand mehr dafür. Eine umfassende Auseinandersetzung mit diesem Vermögen vernichtenden Gebaren blieb leider aus. Selbst die nicht sonderlich auf Quote ausgelegten öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten mit ihren Talkshows und Doku-Magazinen widmeten sich lieber zum x-ten Mal Trump, Altenpflege und Ökologie. Am schlimmsten finde ich, dass solche Leerverkäufer viel zu oft als die Guten angesehen werden. Sie stellen sich als Aufklärer dar, aber in den wenigsten Fällen war an ihren Vorwürfen und Unterstellungen was dran. Warum wohl äußern sich solch neue und anonyme Researchhäuser wie MCA-Mathematik.com (mca-mathematik.com) oder Zatarra nur unter einem vorangestellten Disclaimer, der sie von allen Haftungen befreit, benutzen den Konjunktiv, verzichten auf ein vollständiges Impressum und liefern keine Beweise?
Dass Felix Holtermann aufgrund von MCA-Mathematik seinen Testat-Artikel schrieb, halte ich für sehr wahrscheinlich, da es dort das erste Mal publiziert wurde. Oh Moment... zum zweiten Mal publiziert wurde, denn es stand ja im lokalen Unternehmensregister. Diese Shortseller sind einzig und allein an ihrem eigenen Profit durch niedrige Aktienkurse interessiert. D.h., nicht nur, dass die Kurse fallen, sondern möglichst lange unten bleiben und wenn, dann nur gemächlich wieder steigen. Sie haben mit den klassischen Leerverkäufen, die es ja quasi seit Bestehen des Börsenhandels aus nachvollziehbaren Gründen gibt, jedoch nichts zu tun. Damit der Kurs fällt, schauen sie sich in den Veröffentlichungen der Unternehmen um, und ziehen alles in Zweifel und stellen alles negativ dar, was möglich ist. Wirkliche Mängel, Verfehlungen oder falsche Angaben finden sie jedoch nicht, denn die kann es in gesetzestreuen und von integeren Personen geleiteten Unternehmen nur in äußerst seltenen Fällen geben.
Keiner dieser gemeingefährlichen Shortseller deckte z.B. den Abgasbetrug, diverse Kartellabsprachen, Schmiergelder, Produktmängel, Hackerangriffe oder finanzielle Schieflagen auf, die zu Prognoseanpassungen führten. Wie auch? Deutschlands Anforderungen an eine Börsen- und Indexnotierung sowie die regelmäßigen und verschiedenen Zertifizierungen und Prüfungen, die Sorge um ein schlechtes Image, oft auch der Konkurrenzkampf und vieles mehr, sorgen dafür, dass die hiesigen Verhältnisse sich positiv abgrenzen von dem „Wilden Westen“, der in weniger entwickelten Standorten herrscht. Sie finden sicherlich ein eigenes Wort für solch eine Schreib- und damit Verhaltensweise, wie die der Financial Times und ihres Redakteurs Dan McCrums - über eine bereits von Wirecard längst eingeleitete Untersuchung von Buchungsvorgängen in Singapur so zu berichten, dass man im ersten Moment an einen riesen Bilanzskandal, den sie zu vertuschen versuchen, denken muss – so dass ich dieses Kind nicht selbst beim Namen nennen muss.
Daher gilt: Eine negative, boulevardeske und weitestgehend auf die Eigenrecherche verzichtende Finanzpresse passt hervorragend in die Absicht solch perfider Short-Seller. Und die Presse wiederum mag negative Berichte, mag Exklusivstories sowie den Gedanken an renommierte Journalistenpreise. Win-Win, könnte man sagen; jedoch handelt es sich um einen Selbstbetrug, wie man ihn von Verschwörungstheorien und selbst erfüllenden Prophezeiungen her kennt.
Ein Beispiel: Jemanden solange medial in die Pfanne hauen, bis er endlich nachgibt, einen Kommunikationschef einstellt und einen Vorstand für Vertrieb/Marketing einsetzt, der dann das Marketingbudget erhöht. Wie gesagt, dies ist nur ein Beispiel! Für den eigentlichen Unternehmenserfolg wären diese Positionen natürlich entbehrlich, wie das Zahlenwerk, die Neukundenabschlüsse und das Investoreninteresse an Wirecard, u.a. von Softbank und DWS, belegen. Dass Kurs und Fundamentaldaten eine Zeit lang voneinander losgelöst verlaufen, ist ja normal. Und dass die Wirecard-Aktie einen wahren Run in 2017 und 2018 hinlegte, ist für DAX-Neulinge und vor allem durch das Covern hoher Short-Positionen wie im Anschluss an Zatarra ebenfalls völlig normal.
Journalisten und die eigene Filterblase
Normal scheint es leider auch zu sein, dass sich Journalisten bewusst oder unbewusst eine Filterblase kreieren, indem sie
nicht nach ergänzenden Aspekten suchen bzw., wenn diese bekannt sind, ignorieren oder verschweigen,
ihre These(n) ständig wiederholen, selbst wenn sie widerlegt sind,
verkürzen, vereinfachen, übertreiben, ausweichen und unter Bezugnahme des Konjunktivs Andeutungen, Halbwahrheiten und Bedenken vortragen,
Bestätigung einholen, z.B. durch Umfragen oder Expertenmeinungen (zur Erinnerung: Experte ist ein sehr dehnbarer Begriff),
unkonkret bleiben, z.B. lieber weiterhin im Allgemeinen von Vorwürfen schreiben, statt diese konkret zu benennen,
ein Thema nicht zu Ende begleiten und Rezipienten bei der Frage „was wurde eigentlich aus...?“ allein lassen,
sowie stark miteinander und untereinander vernetzt sind, so dass ein- und derselbe Inhalt mehrfach verwertet wird.
In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass ich nicht davon ausgehe, dass die Short-Seller die Journalisten deutscher Medien korrumpiert haben. Da spricht zu vieles dagegen, angefangen bei ihrer Berichterstattung. Sondern es ist der Zustand der Medienbranche, den ich im obigen Absatz schon ansprach und unten weiter ausführe, der zu diesem sich selbst verstärkenden und selbst referenziellen Wirecard-Bashing seit knapp einem Jahr führt.
Geht es (nur) ums Geld?
In einem Aktienforum las ich einen Eintrag, der sich mit der finanziellen Situation des Handelsblattes bzw. dessen Verlagsholding, der Dieter von Holtzbrinck Medien GmbH (DvH Medien), befasste. Anders als in diesem Post angegeben, reduzierte sich die Kapitalrücklage von einst 300 Mio. Euro aufgrund einer buchhalterischen Bewertungsanpassung auf circa 170 Mio. Euro. An der grundsätzlichen Verlustträchtigkeit der DvH Medien ändert dies aber nichts. In keinem Jahr seit Bestehen 2009 erwirtschaftete die DvH Medien einen Jahresüberschuss. Wo genau sich die Verluste ansammeln, ist mir nicht ersichtlich, da die Tochtergesellschaften der DvH Medien von der Veröffentlichung ihrer eigenen Jahresabschlüsse befreit sind. Da die Handelsblatt Media Group (zu der auch die Wirtschaftswoche gehört) mit all ihren Tochtergesellschaften (sog. VHB Teilkonzern) den wohl größten Anteil im Firmenportfolio der DvH Medien ausmacht, liegt die Vermutung nahe, dass sie auch für die größten Verluste sorgt. Ich halte dies zumindest für wahrscheinlicher, als der umgekehrte Fall, dass die Handelsblatt-Gruppe alleine profitabel sei, sie aber die Zeit-Gruppe, den Tagesspiegel und z.B. die Potsdamer Zeitungsverlagsgesellschaft und viele weitere Tochterfirmen querzusubventionieren habe. Darüber, wie ertragreich ihr teilweiser Ausstieg aus der Wikifolio-Betreibergesellschaft war, kann ich ebenfalls nur Vermutungen anstelle. So weit ich mich entsinne, gehörte die VHB bzw. DvH Ventures damals zu den Frühinvestoren und hält auch weiterhin noch einen Minderheitsanteil.
Kurzum: Ich glaube kaum, dass die Handelsblatt-Gruppe mit ihrer momentanen Art wirtschaftlich erfolgreich ist. Ich glaube zudem, dass sie ohne den Status als Börsenpflichtblatt und ihren Firmenkunden bereits insolvent wäre. Dies ist eine These meinerseits, die ich nur allzu gerne widersprochen wüsste, und die man mir bitte nicht falsch auslegt. Denn ich erachte eine schlechte wirtschaftliche Situation als Auslöser für Boulevardismus und diesen wiederum als Beschleuniger schlechter wirtschaftlicher Zustände. Zumindest, wenn man von der seriösen Seite her kommt, statt schon immer boulevardesk gewesen zu sein.
P.S.: Ja, ich weiß, dass dieses Essay ebenfalls als konstruktiver Journalismus verstanden werden kann. Jedoch mit der Einschränkung, dass ich für eine Abkehr boulevardesker Unternehmensberichterstattung und für Bezahlinhalte in deutlich sachlicher, berechtigter und plausibler Weise schreibe. ;-)