Nur ein Märchen?
Es war einmal ein kleines börsennotiertes Möbelhandelsunternehmen, nennen wir es Goodhope AG (von guter Hoffnung). Das Geschäft lief anfangs so gut, dass der Inhaber beschloss, international zu expandieren. Das Unternehmen wuchs und wuchs, und im Zuge der Globalisierung beschloss er, die Goodhope AG in eine Holding zu verwandeln. Er kaufte und gründete weltweit Tochterunternehmen und beteiligte sich an vielen Firmen. Es entstand ein Unternehmensgeflecht, das nur wenige Spezialisten durchschauten.
Zur Wachstumsfinanzierung, verschuldeten sich die Gesellschaften und gaben Anleihen heraus, und um die Steuerlast zu senken, wurde der Hauptsitz der Holding in die Niederlande verlegt, ähnlich wie es ein direkter Konkurrent und viele andere große Unternehmen ihm vormachten.
Er wusste von ihnen, dass diese zur Einsparung von Steuern ihre Firmensitze in Steuerparadiesen hatten, wozu auch die Niederlande gehören sollten.
Der neue Vorstandsvorsitzende der Goodhope AG, Max Troste, stellte sich erfolgreich den globalen Herausforderungen. Die Goodhope AG hatte schon bald in über 29 Ländern Aktivitäten, machte Milliarden Euro Umsatz, hervorragende Gewinne und zählte mittlerweile über 120 000 Mitarbeiter.
Die Goodhope AG und deren Tochtergesellschaften florierten, sodass das Unternehmen sogar eine Dividende zahlte und ein südafrikanischer Pensionsfonds Aktienanteile zur Altersversorgung ihrer Mitglieder erwarben.
Und die Menschen verfolgten das Wachstum der Goodhope AG und kaufen deren Aktien, weil sie hörten, dass man mit Aktien im Allgemeinen und mit Aktien der Goodhope AG im Besonderen praktisch im Schlaf viel Geld verdienen könne. Und immer mehr Menschen hörten dies, kauften sich Computer und Börsensoftware, lasen Börsenzeitschriften und Börsenbriefe, schauten im Fernsehen Bösensendungen, um bei ihrer Bank entsprechend den professionellen Kaufempfehlungen Aktien der Goodhope AG zu ordern. Und so stiegen diese unaufhaltsam.
Eines Tages lernte Max Troste einen Österreicher, den cleveren Möbelhändler Dr. Geifer, kennen und plante mit ihm zusammen in dessen Heimatland Möbelhandelsunternehmen aufzukaufen. Dr. Geifer und Max Troste kauften in der Folgezeit zwei Unternehmen, nämlich die Confirma AG und Loco AG.
Da Dr. Geifer angeblich aber kein Geld hatte, um seine 50 % Anteile für die Käufe der Gesellschaften zu bezahlen, übertrug Max Troste zur Finanzierung der Deals, seinem neuen Freund und Partner Dr. Geifer in entsprechender Höhe Wandelschuldverschreibungen.
Ein wenig später drängte Dr. Geifer auf die Akquisition der Kinder-Kleine-AG, die Kinder-Kleine-AG war Dr. Geifers größter Wettbewerber in Österreich.
Schon ein Jahr später, begannen dann aber Probleme zwischen Dr. Geifer und Max Troste.
Max Troste kündigte aufgrund dessen Dr. Geifer die Freundschaft.
Danach zankten und stritten sie miteinander, sogar vor Gericht. Das ging so weit, dass Dr. Geifer, (gemäß einer Anhörung von Max Troste im südafrikanischen Parlament) sogar öffentlich über Unregelmäßigkeiten in der Rechnungslegung von der Goodhope AG sprach und geheime und vertrauliche Firmeninterna und Dokumente an deutsche Behörden weitergeleitet haben soll.
Dabei sollte Dr. Geifer die Behörden insbesondere über angebliches Fehlverhalten im Steuermanagement und Rechnungslegungsunregelmässigkeiten der Goodhope AG, auch die Tochtergesellschaften betreffend, allumfassend informiert und unterstützt haben.
Die Treuhandgesellschaft, welche die Bilanz und die G+V der Goodhope AG testieren sollte, wollte daraufhin den Jahresabschluss 2017 kurzfristig nicht mehr absegnen und forderte weitere Untersuchungen zu den Vorwürfen über die Unregelmäßigkeiten bei der Rechnungslegung, da inzwischen auch die Medien darüber berichteten.
Dies geschah wenige Tage vor der planmässigen Veröffentlichung der Stellungnahmen der Goodhope AG zu den Vorwürfen. Max Troste wies die Treuhandgesellschaft vorsorglich darauf hin, dass das für das Vertrauen der Anleger und Banken und damit auch für den Aktienkurs katastrophal sei.
Er schlug daraufhin einen neuen Treuhänder vor und betonte in diesem Zusammenhang, dass ihm keine buchhalterischen Unregelmässigkeiten in den Büchern der Goodhope AG aufgefallen waren. Dies bestätigte er auch vor dem südafrikanischen Parlament.
Der neue Vorstand der Goodhope AG stimmte der Entscheidung, einen neuen Treuhänder zu benennen, nicht zu, und die daraus resultierende Unsicherheit an den Märkten aufgrund der verzögerten Veröffentlichung des Jahresabschlusses und der damit verbundenen Medienschelte führte in der Folge zum katastrophalen Absturzes des Aktienkurses und beinahe zum Untergang der Gesellschaft.
Denn die Kurse der Goodhope AG sanken und sanken und verloren bis zu siebenundneunzig Prozent ihres Marktwertes. Da weinten viele kleine und große Anleger und auch die Mitglieder des südafrikanischen Pensionsfonds, die ihre Altersruhegelder in akuter Gefahr sahen.
Die Medien nahmen die schlechten Nachrichten dankbar auf, denn nur schlechte Nachrichten sind bekanntlich gute Nachrichten, und sie malten sogar das Schreckgespenst einer bevorstehenden Insolvenz der Goodhope AG an die Wand.
Die meisten Menschen, die das zur Kenntnis nahmen und diese Entwicklung voraussahen, trennten sich unverzüglich von ihren Aktien, und jene Hausfrauen und junge Zocker, die in ihrem Leben noch nie einen Börsencrash bzw. einen derartig dramatischen Kursverfall erlebt hatten, bekamen zittrige Hände und versuchten in immer größerem Ausmaß zu retten, was noch zu retten war.
Die Folge: Die Kurse sanken und sanken weiter. Da weinten noch mehr Klein- und Großanleger, und vor allem die Kleinanleger schworen, nie wieder mit Aktien zu spekulieren.
Doch einige hartgesottene Anleger sagten sich: „Wenn ich schon so viel verloren habe und der Kurs so tief steht, dann kann ich den Rest auch behalten, vielleicht ist die Goodhope AG ja doch nicht insolvent und noch zu retten.“ Und viele Neueinsteiger, die schnell das große Geld und Reichtum witterten, stiegen jetzt ein.
Tatsächlich wurden die Verantwortlichen in der bisherigen Führungsspitze weitgehend ausgetauscht und sofortige Umstrukturierungsmassnahmen durch Firmenverkäufe und Verkäufe von Beteiligungen sowie Einigungen mit den meisten Gläubigern eingeleitet.
Es folgten danach überwiegend positive Nachrichten über die Teilerfolge der Umstrukturierungen (mit Ausnahme einiger bekannter Börsenzeitschriften, die möglicherweise im Zusammenhang mit Leerverkäufern standen und vermutlich andere Interessen verfolgten).
So konnte man gerade jüngst in einer Börsenzeitschrift lesen, dass die Sanierung der Goodhope AG große Fortschritte macht, positive Zahlen veröffentlicht hat und der Verkauf der Loco AG und der Kinder-Kleine-AG unterzeichnet worden ist. Der Aktienkurs verharrte auf seinem alten tiefen Niveau.
Die Überraschung in diesem Wirtschaftskrimi war allerdings folgende Ironie: Dr. Geifer war der Erwerber dieser beiden verkauften Gesellschaften! Man vermutete, dass sein ehemaliger Freund und Partner Dr. Geifer sich über den Kurssturz der Goodhope AG Aktien riesig gefreut haben musste, denn nur so konnte er die beiden Gesellschaften, nämlich die Anteile der Loco AG und Kinder-Leiner AG günstig erwerben. Es wurde sogar in einem Diskussionsforum der Verdacht geäußert, dass Dr. Geifer das alles von langer Hand sorgsam geplant und eingefädelt hatte, um über diesen Weg billig an die beiden Gesellschaften zu kommen.
Vielleicht, so vermutete man auch, kauft er hintenherum derzeit Aktien der Goodhope AG auf, um dann im Rahmen einer überraschenden Übernahme das ganze Goodhope-Imperium zu Insolvenzpreisen seinem Möbelkonzern einzuverleiben. Doch das sind nur Gerüchte.
Doch die guten Nachrichten konnten den Aktienkurs der Goodhope AG bislang leider noch nicht adäquat beflügeln. Seitdem erlebt der Aktienkurs der Goodhope AG, wie bei einer Sägezahnbörse, ein ständiges auf und ab.
Nun saßen (und sitzen) viele Anleger zu Hause vor dem Computer, starrten (und starren weiter) genervt täglich stundenlang auf den Bildschirm und verfolgen gebannt die Kursbewegungen, da sie sich der schicksalhaften und existenziellen Bedeutung des Aktienkursverlaufes durchaus bewusst sind.
In dem vorgenannten Diskussions-Forum tauschten (und tauschen sie immer noch) die Teilnehmer ihre Emotionen und Meinungen hinsichtlich der Zukunft der Goodhope AG aus, die zwischen tiefster Depression und Hoffnung sowie Euphorie schwanken. Sie machen damit dem Namen zwar alle Ehre, spielen aber, ohne sich dessen bewusst zu sein, den Leerverkäufern täglich in die Hände, die dafür sorgen, dass der Aktienkurs der Goodhope AG mehr oder weniger auf der Stelle tritt oder gar sinkt.
Dies ist zwar nur ein Märchen, aber wie bei allen Märchen steckt ja auch ein Fünkchen Wahrheit dahinter, und wie das Märchen letztendlich ausgeht, wird sich erst in der Zukunft zeigen.
Aber eines weiß ich aus Erfahrung, wenn die Kurse ganz unten sind, werden irgendwann auch Großinvestoren und Banken wieder einsteigen, letztere auch mit ihren Fonds. Dann werden die Aktien, auch die der Goodhope AG, wieder steigen und steigen. Und dann geben auch die Analysten und Spezialbörsendienste in großer Zahl wieder Kaufempfehlungen für die Goodhope AG und sie werden sagen, dass man diese Aktien nie wieder so billig kaufen kann.
Und die Kurse werden höher und immer höher steigen und die Analysten werden sie weiterempfehlen, und die Anleger werden wieder einsteigen. Und alle, die sich geschworen hatten, nie wieder mit Aktien zu spekulieren, kauften wieder.
Und wenn diese Art der Anleger nicht gestorben sind, werden sie immer wieder kaufen und kaufen sowie verkaufen, bis Analysten und Banken sowie Hedgefonds (die meisten stecken ja unter einem Hut) den Markt so niederreden, bis sie wieder alles verkaufen und ihre Verluste realisieren.
Zusatz: Sollten einige Leser dieses Märchens den Eindruck gewonnen haben, dass gewisse Ähnlichkeiten mit bekannten Gesellschaften oder Personen bestehen, so versichert der Verfasser, dass diese rein zufällig, also unbeabsichtigt, sind.
Der Verfasser selbst hofft auf ein positives und quasi märchenhaftes Ende, weil er weiß, dass die Goodhope AG eines Tages gesunden und der Aktienkurs wieder steigen wird.
Denn: Nomen est Omen!