Einspruch! Steinhoff als Gesamtkonzern hat neben dem Sorgenkind Matress weiteren erheblichen Restrukturierungsbedarf! Nur mal was mir spontan einfällt:
- Die Konzernstruktur mit Rechtssitz in den Niederlanden, Geschäftsleitung in Südafrika und Börsennotierung in Südafrika und Deutschland ist ein Witz! Das ist intransparent und für internationale Investoren wenig vertrauenserweckend. Das gehört dringend reformiert!
- Die Konzernkommunikation ist eine Katastrophe! Der Arivaner Motzer mag bisweilen seltsame Ansichten haben, aber er liegt mMn goldrichtig, wenn er behauptet, dass mit professioneller PR und IR der Absturz des Aktienkurses von 6 € auf 0,08 € (!) weniger dramatisch ausgefallen wäre. Und mal ehrlich, selbst ein Elefant im Kommunikations-Porzellanladen hätte es schwer gehabt, größeren Schaden anzurichten.
- Es fehlt eine klare Unternehmenstrategie. Steinhoff ist einBauchladen(!) verschiedener Handelskonzepte. Alle erfolgreichen Handelskonzerne der Welt zeichnen sich aber durch ein klares Konzept aus, das sie mit wenigen lokalen Adaptionen international ausrollen und auf Kosteneffizienz trimmen. Wie soll sowas bei Poundland (einem Shop für allen möglichen Billigkram), Conforama (einer Möbel-Discountkette), Matress Firm (einer Matratzen- und Schlafzimmermöbel-Kette), STAR (Möbel-, Kleidungs(!!)-, Schuh-(!!), Haushaltswaren-Händler und Baumärkte(!!) in Südafrika und angrenzenden Ländern ebenso wie eine Autoreparatur(!!!)-Kette) und den übrigen Beteiligungen aussehen? Vor allem, wenn die einzelnen Ketten weltweit verstreut agieren? Wo sind da die Synergien, die einen gemeinsamen Konzernverbund rechtfertigen?
- Eng damit zusammen hängt, dass es Steinhoff an einer klaren Markenstrategie fehlt. IKEA besitzt eine Marke, die alleine einen Milliardenwert darstellt. Steinhoff als weltweit zweitgrößter Möbelhändler hat sowas nicht. Da heißt man gerade in Europa alle paar hundert Kilometer anders. Ok, derzeit ist das sogar ein Vorteil, weil kein Conforama-Kunde rafft, dass er gerade beim Pleite-Konzern Steinhoff einkauft! ;-))) Aber auch die Produktmarken darf man hier nicht außen vor lassen. Steinhoff produziert ja auch selber Möbel. Will man weiter noname-Billigmöbel für irgendwelche eigenen oder fremden Handelsketten produzieren oder Produktmarken aufbauen, die man dann höherpreisiger anbieten kann? Wie will man sich allgemein aufstellen: Billige Möbel oder Premium-Möbel? Eng damit einher geht eine notwendige Marketingstrategie bzgl. der Marken der Handelsketten und/oder der Marken der Produkte. Wo ist sowas? Fehlanzeige!
- In Zukunft werden mehr und mehr Möbel übers Internet verkauft. Wie ist Steinhoff da aufgestellt bzgl. seiner Ecommerce-Kompetenz und der damit verbundenen Logistik? Hundsmiserabel! Eigentlich müsste sich Steinhoff beim bevorstehenden IPO von Home24 einkaufen oder zumindest mit denen kooperieren. Garantiert wird es in wenigen Jahren digitale Möbelhäuser geben, wo man hochauflösend in 3D und absolut maßstabsgerecht abends auf der Couch am Tablet oder sogar mit VR-Brille oder ähnlicher Technik seine Möbel aussucht, ein virtuelles Modell der eigenen Wohnung einrichtet und dann auf Knopfdruck das Gesamtensemble kauft, liefern und zusammenbauen lässt. Inklusive Entsorgung der Verpackung. Dort geht die Reise hin! Kann Steinhoff sowas? Wird es das in 3 Jahren können? Die Zeit drängt!
Also es gibt mehr als genug Baustellen im Steinhoff-Reich. Ich will auch nicht den Eindruck erwecken, dass man aus dem bestehenden Bauchladen nichts machen könnte, aber man muss sich schon stärker fokussieren, die gewählten Produkt- und Vertriebsschienen dann auf Effizienz trimmen, international expandieren lassen, technologisch am Ball bleiben und alles, was nicht zu diesem Kerngeschäft zählt, verkaufen. Dann noch eine transparente, vertrauenerweckende Konzernstruktur aufbauen (die ganz sicher NICHTS aber auch GAR NICHTS mit Südafrika zu tun haben darf!) und im Ecommerce mitspielen (Amazon zeigt, wie kreativ man da sein kann!). Dann und erst dann wird da auch ein ordentliches Unternehmen draus! Und dann könnte in 5 Jahren auch ein Aktienkurs jenseits der 5 € drin sein.
Ich will hier Steinhoff nicht schlechter reden als es ist. Selbst der gegenwärtige Bauchladen ist mMn mehr wert als die 0,08 € pro Aktie. Die Zahlen vom Freitag werden diese Annahme hoffentlich untermauern. Aber wenn die akuteste Finanz- und Bilanzkrise ausgestanden sein sollte, warten weitere Riesenaufgaben auf das Management und ich bin (noch) nicht überzeugt, dass sie das können!