"Deaton und die Ökonomin Anne Case haben über Jahre Feldforschung betrieben, im US-Bundesstaat Montana etwa, in dem Trump Hillary Clinton um Längen schlug. Nun hat das Paar ein Buch geschrieben über die Krankheit, deren Symptom Trumps Präsidentschaft ist und die auch im Falle seiner Abwahl noch lange nicht kuriert sein wird. "Deaths of Despair" lautet der Titel. Das große Verdienst des Buches ist es, eine Katastrophe zu dokumentieren, die durch das Raster vieler Nachrichtenmedien fällt, weil sie sich langsam entfaltet, schleichend. "Tode der Verzweiflung" ist dabei nicht als bildlicher Ausdruck gemeint für den ökonomischen Abstieg weiter Teile der US-Bevölkerung, sondern im Wortsinn: Es geht um Hunderttausende Todesopfer.
... Der Anstieg der Todesraten fällt zwar zusammen mit dem Ausbruch der Opioidkrise in den USA, lässt sich laut den Autoren aber nicht allein damit erklären. "Ohne die Aushöhlung der weißen Mittelklasse wäre die Drogenkrise nicht so groß", argumentiert Deaton. "In der Gesellschaft schwelt die Verzweiflung. Das erst hat die Absatzchancen für eine Pharmaindustrie eröffnet, die nicht angemessen reguliert ist."
Der Ursprung dieses Elends sind laut Deaton und Case die tektonischen Verschiebungen am US-Arbeitsmarkt. Beschäftigte, die früher auch ohne Hochschulabschluss ein auskömmliches Leben führen könnten, geraten dort immer stärker in Schwierigkeiten. Korrigiert um die Inflation seien die Löhne der ärmeren Hälfte der US-Bevölkerung ein halbes Jahrhundert lang nicht mehr gestiegen - weiße Männer ohne Hochschulabschluss hätten zwischen 1979 und 2017 sogar 13 Prozent ihrer Kaufkraft verloren.
Das hat nicht nur materielle Folgen: Case und Deaton zeichnen nach, wie sich der Gesundheitszustand der 45- bis 54-jährigen Nichtakademiker zusehends verschlechtert. Inzwischen berichtet in dieser Altersgruppe ein höherer Anteil von chronischen Schmerzen, als das bei US-Rentnern der Fall ist. Dabei geht es um viel mehr als nur die Erfassung von Zipperlein: Auf Ebene der Counties, der Landkreise, korreliert Donald Trumps Stimmenanteil 2016 stark mit dem Anteil der Personen, denen Schmerzen das Leben erschweren. ..."
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