Wachstumsbörse entwickelt sich schlechter als Nasdaq / Vorwürfe an die deutsche Börse
Nach den Privatanlegern haben auch die Aktienprofis das vertrauen in den Neuen Markt verloren. Das Segment schafft es nicht einmal mehr, mit der ebenfalls angeschlagenen US-Technologiebörse Nasdaq mitzuhalten. Experten fordern die Deutsche Börse in einer SZ-Umfrage auf die Regeln zu verschärfen.
Der Neue Markt, lange als kleiner Bruder der Nasdaq angesehen, koppelt sich zusehends von den Trends an der Wall Street ab. In den vergangenen drei Monaten hatte der Nemax All Share, in dem alle an der Wachstumsbörse notierten Papiere enthalten sind, mehr als zehn Prozent verloren. Der Sammelindex an der Nasdaq legte trotz einiger Rückschläge um rund 16% zu. Noch im Frühjahr hatten beide Märkt ihre Jahrestiefs fast parallel erreicht. Noch zum Jahreswechsel herrschte an den Börsen die Ansicht vor, dass sich der deutsche Wachstumsmarkt im Jahresverlauf deutlich besser entwickeln werde als das US-Vorbild. Führende Banken heben ihre Meinungen nun geändert und raten Privatanlegern ab, sich am Neuen Markt zu engagieren. Wenn überhaupt, empfehlen sie Fonds statt Einzelwerte.
Marktplatz der Ängste
„Der Neue Markt ist nur noch für Spekulanten geeignet“, sagte Kai Franke, Leiter der Analystenabteilung der BFH-Bank. „Hier werden Hoffnungen und Ängste statt harte Fakten gehandelt.“ Institutionelle Anleger wie Investmentfonds haben sich nach Frankes Angaben „längst verabschiedet“, wenn sie nicht auf den Neuen Markt spezialisiert seinen und deshalb keine andere Wahl hätten.
Die Zahl der Akteure hat sich so stark verringert, dass einzelne Verkaufsorders zu zweistelligen Kurseinbrüchen führen. Mit Abschlägen von mehr als 50% antwortet der Markt auf Meldungen von Unternehmen, die ihre Ziele für Umsatz oder Gewinn nicht erreichen. Eine Serie von Gewinnwarnungen erlebte auch die Nasdaq, doch darüber trösten nach Ansicht der Experten verbesserte Aussichten für die US-Konjunktur hinweg.
„Vor einigen Monaten habe alle noch gehofft, dass die europäische Konjunktur sich von den USA absetzen würde“, erinnert Portfoliostratege Christian Stocker von der Hypo Vereinsbank. Seitdem aber hätten Indikatoren wie das Verbrauchervertauen in den USA sich verbessert, während in Deutschland die Prognosen für die Konjunktur gesenkt würden. Stocker hält eine nachhaltige Erholung der Kurse am Neuen Markt deshalb erst im vierten Quartal für möglich – und auch nur dann, wenn sich die Konjunktur in der Eurozone ebenso wie die Ertragslage der Unternehmen erhole.
Neben der gesamtwirtschaftlichen Lage sehen die Beobachter einen zentralen Grund für den Rückstand des Neuen Marktes zur Nasdaq darin, dass kein Vertrauen in das Segment mehr vorhanden ist. „Die vielen Fälle, in denen Unternehmen ihre Anleger über die tatsächlichen Geschäfte getäuscht haben, schrecken auch noch die letzten Anleger ab“, sagt Analyst Franke von der BHF-Bank.
Harte Urteile von Aktienexperten häufen sich. Alfred Roelli, der bei der Deutschen Bank die Anlagestrategie für Privatkunden entwickelt, hält den Neuen Markt für „nicht mehr analysierbar“. Martin Gilles. Leiter der europäischen Aktienstrategie bei der WestLB Panmure, sieht „keinen einzigen Wert mehr“ vor plötzlichen Kursstürzen geschützt.
Vorwürfe an die Deutsche Börse werden lauter, dass sie nicht konsequent genug gegen substanzlose Unternehmen vorgehe. Geldstrafen, wie sie die Börse am Donnerstag verhängte, gelten nur als erster Schritt: So muss Team Communications 50 000 Euro Zahlen, weil das Unternehmen den Abschluss 2000 zu spät vorlegte. ICP Archteckostet der Verzug 2000 Euro. Insgesamt mussten bislang 15 Unternehmen am Neunen Markt zahlen.
Fondsmanager Sasha Hirsch von der Dresdner Bank Tochter DIT rät dazu, ähnlich wie an der Nasdaq Aktien auszuschließen, die dauerhaft ein Dasein als Penny Stocks unter einem Kurs von einem Euro fristen. Aktienstratege Stocker von der Hypo Vereinsbank fordert, die Fristen zu verlängern, während die Chefs nach einer Neuemission keine Aktien ihres Unternehmens verkaufen dürfen. Darüber hinaus vermissen Analysten und Fondsmanager verlässliche Bewertungsmaßstäbe für die jungen Firmen. Häufig konzentrierten sich diese auf Nischen und konstruierten so eine Marktführerschaft. An der Nasdaq seinen dagegen Weltkonzerne wie Cisco oder Oracle notiert, die sich in einer vergleichsweise sicheren Position befinden. „Wenn einer momentan in Wachstumswerte investiert, wählt er nur solche Riesen aus“, sagt Franke, „und in den Neuen Markt fließt kein Kapital mehr.“
Von Robert Jacobi
SZ vom 29 Juni 2001
Tja einige von Euch wollten doch immer, das sich der Neue Markt von der Nasdaq abkoppelt. Jetzt ist es passiert!!!
Gruß Borgling
Nach den Privatanlegern haben auch die Aktienprofis das vertrauen in den Neuen Markt verloren. Das Segment schafft es nicht einmal mehr, mit der ebenfalls angeschlagenen US-Technologiebörse Nasdaq mitzuhalten. Experten fordern die Deutsche Börse in einer SZ-Umfrage auf die Regeln zu verschärfen.
Der Neue Markt, lange als kleiner Bruder der Nasdaq angesehen, koppelt sich zusehends von den Trends an der Wall Street ab. In den vergangenen drei Monaten hatte der Nemax All Share, in dem alle an der Wachstumsbörse notierten Papiere enthalten sind, mehr als zehn Prozent verloren. Der Sammelindex an der Nasdaq legte trotz einiger Rückschläge um rund 16% zu. Noch im Frühjahr hatten beide Märkt ihre Jahrestiefs fast parallel erreicht. Noch zum Jahreswechsel herrschte an den Börsen die Ansicht vor, dass sich der deutsche Wachstumsmarkt im Jahresverlauf deutlich besser entwickeln werde als das US-Vorbild. Führende Banken heben ihre Meinungen nun geändert und raten Privatanlegern ab, sich am Neuen Markt zu engagieren. Wenn überhaupt, empfehlen sie Fonds statt Einzelwerte.
Marktplatz der Ängste
„Der Neue Markt ist nur noch für Spekulanten geeignet“, sagte Kai Franke, Leiter der Analystenabteilung der BFH-Bank. „Hier werden Hoffnungen und Ängste statt harte Fakten gehandelt.“ Institutionelle Anleger wie Investmentfonds haben sich nach Frankes Angaben „längst verabschiedet“, wenn sie nicht auf den Neuen Markt spezialisiert seinen und deshalb keine andere Wahl hätten.
Die Zahl der Akteure hat sich so stark verringert, dass einzelne Verkaufsorders zu zweistelligen Kurseinbrüchen führen. Mit Abschlägen von mehr als 50% antwortet der Markt auf Meldungen von Unternehmen, die ihre Ziele für Umsatz oder Gewinn nicht erreichen. Eine Serie von Gewinnwarnungen erlebte auch die Nasdaq, doch darüber trösten nach Ansicht der Experten verbesserte Aussichten für die US-Konjunktur hinweg.
„Vor einigen Monaten habe alle noch gehofft, dass die europäische Konjunktur sich von den USA absetzen würde“, erinnert Portfoliostratege Christian Stocker von der Hypo Vereinsbank. Seitdem aber hätten Indikatoren wie das Verbrauchervertauen in den USA sich verbessert, während in Deutschland die Prognosen für die Konjunktur gesenkt würden. Stocker hält eine nachhaltige Erholung der Kurse am Neuen Markt deshalb erst im vierten Quartal für möglich – und auch nur dann, wenn sich die Konjunktur in der Eurozone ebenso wie die Ertragslage der Unternehmen erhole.
Neben der gesamtwirtschaftlichen Lage sehen die Beobachter einen zentralen Grund für den Rückstand des Neuen Marktes zur Nasdaq darin, dass kein Vertrauen in das Segment mehr vorhanden ist. „Die vielen Fälle, in denen Unternehmen ihre Anleger über die tatsächlichen Geschäfte getäuscht haben, schrecken auch noch die letzten Anleger ab“, sagt Analyst Franke von der BHF-Bank.
Harte Urteile von Aktienexperten häufen sich. Alfred Roelli, der bei der Deutschen Bank die Anlagestrategie für Privatkunden entwickelt, hält den Neuen Markt für „nicht mehr analysierbar“. Martin Gilles. Leiter der europäischen Aktienstrategie bei der WestLB Panmure, sieht „keinen einzigen Wert mehr“ vor plötzlichen Kursstürzen geschützt.
Vorwürfe an die Deutsche Börse werden lauter, dass sie nicht konsequent genug gegen substanzlose Unternehmen vorgehe. Geldstrafen, wie sie die Börse am Donnerstag verhängte, gelten nur als erster Schritt: So muss Team Communications 50 000 Euro Zahlen, weil das Unternehmen den Abschluss 2000 zu spät vorlegte. ICP Archteckostet der Verzug 2000 Euro. Insgesamt mussten bislang 15 Unternehmen am Neunen Markt zahlen.
Fondsmanager Sasha Hirsch von der Dresdner Bank Tochter DIT rät dazu, ähnlich wie an der Nasdaq Aktien auszuschließen, die dauerhaft ein Dasein als Penny Stocks unter einem Kurs von einem Euro fristen. Aktienstratege Stocker von der Hypo Vereinsbank fordert, die Fristen zu verlängern, während die Chefs nach einer Neuemission keine Aktien ihres Unternehmens verkaufen dürfen. Darüber hinaus vermissen Analysten und Fondsmanager verlässliche Bewertungsmaßstäbe für die jungen Firmen. Häufig konzentrierten sich diese auf Nischen und konstruierten so eine Marktführerschaft. An der Nasdaq seinen dagegen Weltkonzerne wie Cisco oder Oracle notiert, die sich in einer vergleichsweise sicheren Position befinden. „Wenn einer momentan in Wachstumswerte investiert, wählt er nur solche Riesen aus“, sagt Franke, „und in den Neuen Markt fließt kein Kapital mehr.“
Von Robert Jacobi
SZ vom 29 Juni 2001
Tja einige von Euch wollten doch immer, das sich der Neue Markt von der Nasdaq abkoppelt. Jetzt ist es passiert!!!
Gruß Borgling