1.6 Aktien
Aktien sind Beteiligungen am Grundkapital einer Firma. Fast alle großen Firmen sind Akti- engesellschaften (AGs). Aktionäre haben ein Mitspracherecht (Hauptversammlung) und ein Recht auf Gewinnbeteiligung (Dividende).
Eine AG hat drei wichtige Gremien:
• Vorstand (leitet die Geschäfte),
• Aufsichtsrat (überwacht den Vorstand),
• Hauptversammlung (Versammlung der Aktionäre).
Aktien werden an Börsen gehandelt. Weltweit führend ist die New York Stock Exchange (NYSE) in der Wallstreet in Manhattan. Größte Börse in Deutschland ist die Frankfurter Wertpapierbörse (FWB). NYSE und FWB sind Präsenzbörsen. Zunehmende Bedeutung haben Computerbörsen, z.B. die XETRA (Exchange Electronic Trading), wo Kauf- und Ver- kaufaufträge (sog. Orders) elektronisch abgewickelt werden. Kauf- und Verkaufaufträge kön- nen mit Kursgrenzen versehen werden, d.h. limitiert werden.
Empfehlenswert: www.nyse.com, www.deutsche-boerse.com.
Kursermittlung an der FWB: Umsatzstarke Aktien werden im fortlaufenden Handel geführt. Kurse werden dabei je nach Auftragslage zum nächstmöglichen Zeitpunkt festgestellt, sobald ein Geschäft zustande kommt, d.h. Angebot und Nachfrage sich entsprechen (variabler Kurs). Nur Aktien im fortlaufenden Handel können in einen Index (z.B. DAX, MDAX,...) auf- genommen werden. Aktien, die aufgrund des geringen Handelsvolumens nicht zum fortlau- fenden Handel zugelassen sind, werden zum Einheitskurs (oder Kassakurs) gehandelt. Dazu werden alle Orders, die bis Annahmeschluss vorliegen, gesammelt, und der Einheits- kurs anhand des Meistausführungsprinzips ermittelt. Dieses besagt, dass der größtmög-
liche Umsatz bei gegebener Auftragslage zustande kommen muss, wobei alle „bestens“ und „billigst“ limitierten Orders ausgeführt werden müssen.
Kurs/ Limit
Verkaufaufträge
Kaufaufträge
Anzahl der realisierten Aufträge
Stück je Limit
Stück ku- muliert
Stück je Limit
Stück ku- muliert
1
bestens
100
100
--
--
0
2
200
10
110
30
260
110
3
202
0
110
10
230
110
4
205
25
135
20
220
135
5
206
0
135
10
200
135
6
208
0
135
10
190
135
7
210
20
155
40
180
155
8
215
25
180
30
140
140
9
217
12
192
0
110
110
10
219
10
202
0
110
110
11
220
50
252
10
110
110
12
billigst
--
--
100
100
0
Der Kursverlauf einer Aktie im Zeitablauf ist zufällig. Er kann in Form einer Zeitreihe darge- stellt werden. Wir werden in dieser Vorlesung die mathematische Modellierung von zufälligen Aktienkursen mit den Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung studieren.
Ende 2000 notierte die Daimler Chrysler Aktie bei 45 €. Mitte Juli 2001 erreichte sie den Jahreshöchststand von 57,50 €. Mitte September 2001 erreichte sie in Folge des Terroranschlages auf das World Trade Center in New York den Jahrestiefststand von 31 €. Bis Ende November 2001 erholte sich der Kurs wieder auf 47 €.
Wenn man die Kurszeitreihe einer Aktie untersucht, interessiert man sich zunächst für die Kursveränderungen (täglich, wöchentlich, monatlich,...). Dazu definiert man den Begriff der einfachen Rendite und der logarithmischen Rendite – diese dürfen nicht mit der Rendite einer Anleihe aus Abschnitt 1.5 verwechselt werden!
Im Folgenden bezeichnet stets St den Kurs einer Aktie zu einem Zeitpunkt t. Dabei gilt t≥0, und t=0 bezeichnet den aktuellen (heutigen) Zeitpunkt.
Definition 1.13
Die einfache Rendite einer Aktie zwischen zwei Zeitpunkten t1 und t2 (t2 > t1) ist
St2 −St1. St1
Die logarithmische Rendite einer Aktie zwischen zwei Zeitpunkten t1 und t2 ist
S ln t2 .
S
t 1
Beispiel 1.14
Wer am 29.12.2000 die Daimler-Chrysler Aktie kaufte, zahlte 45,20€ (Schlusskurs). Ein Ver- kauf am 05.01.01 brachte 46,60€. Somit wurde ein Kursgewinn von 1,40€ erzielt.
Die einfache Rendite ist in diesem Fall
− 2,50€ = − 5,4%. 46,60€
1,40€ 45,20€
= 3,1%.
Bei einem Kauf am 05.01.01 zu 46,60€ und Verkauf am 12.01.01 zu 44,10€ ist die einfache
Rendite
Die logarithmische Rendite ist
 46,60€ ln 45,20€ =
44,10€ 3,05% bzw. ln 46,60€ =
− 5,5%.
Renditen beziehen sich immer auf einen Zeitraum (einen Tag, eine Woche, einen Monat, ein
Jahr....).
In Beispiel 1.14 stimmen die einfache Rendite und die logarithmische Rendite nahezu über- ein. Wie ist das zu erklären?
Prof. Dr. Stefan Reitz 22
Aus der Taylor-Entwicklung der Funktion ln(x) wissen wir, dass für alle x ≈ 1 gilt
ln(x) ≈ x −1. Wir setzen nun x := St2 und erhalten im Fall St2 ≈ 1 (wenn sich der Aktien-
t1
St1
kurs zwischen t1 und t2 nur wenig verändert), dass gilt:
St1
S S S−S
logarithmische Rendite = ln t2 = ln(x) ≈ x −1 = t2 − 1 = t2
St St St
= einfache Rendite. Die logarithmische Rendite ist also eine Approximation der einfachen Rendite.
1
11
Wir halten fest: Die logarithmische Rendite beschreibt näherungsweise die prozentuale Ak- tienkursänderung. Es zeigt sich, dass man mit der logarithmischen Rendite besser rech- nen kann als mit der einfachen Rendite – daher wird sie im Rahmen der finanzmathemati- schen Modellierung von Kursen bevorzugt.
Bei gegebenem Kurs St1 und gegebener Rendite für die Zeitpunkte t1 und t2 lässt sich der Kurs St2 ausrechnen, denn es gilt
• Im Fall der einfachen Rendite: St2 = St1 ⋅ (1+ einfache Rendite),
• Im Fall der logarithmischen Rendite S = S ⋅elogarithmische Rendite .
t2 t1
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über das Verhalten von einfacher und logarithmi- scher Rendite bei verschiedenen Kursentwicklungen einer Aktie:
Fazit: Zur Modellierung von Aktienkursen genügt es, sich mit der Modellierung von einfachen oder logarithmischen Renditen zu beschäftigen.
Kursverhältnis
St2 St1
einfache Rendite St2 −1
St1
logarithmische Rendite S
ln t 2
St
1
0.00
-100% (= -1)
−∞
0.10
-90%
-2.300
0.50
-50%
-0.693
0.90
-10%
-0.105
0.95
-5%
-0.051
1.00
0%
0.000
1.05
5%
0.049
1.10
10%
0.095
1.50
50%
0.405
2.00
100%
0.693
5.00
400%
1.609
10.00
900% (= 9)
2.303
∞
∞
∞
Es gilt stets −100% ≤ einfache Rendite < ∞. Einfache Renditen sind asymmetrisch: eine Kurshalbierung (einfache Rendite = – 50%) wird durch eine einfache Rendite von +100%
(Kursverdoppelung) ausgeglichen.
Es gilt − ∞ < logarithmische Rendite < ∞ . Logarithmische Renditen sind symmetrisch: eine Kurshalbierung (logarithmische Rendite = -0,693) wird durch eine logarithmische Rendite von
+0,693 (Kursverdoppelung) ausgeglichen.
Der entscheidende Vorteil logarithmischer Renditen gegenüber einfachen Renditen besteht darin, dass logarithmische Renditen über mehrere aufeinander folgende, nicht überlappende Zeitintervalle additiv sind, denn es gilt:
S S S S S ln t1 +ln t2 +ln t3 +K+ln tn =ln(Stn )−ln(St0 )=ln tn .
St
Die Summe der logarithmischen Renditen über die Zeitintervalle [t0; t1], [t1; t2], ... , [tn-1; tn] ist also gerade gleich der logarithmischen Rendite für das Intervall [t0; tn]. Dies gilt nicht für ein- fache Renditen.
St St St St
Dann gilt
24
0
1
2
n−1
0
Beispiel 1.15
Wir betrachten die Kurszeitreihe
St1 = 100,
St2 = 50,
St3 = 100.
S S S
ln t2 =ln(0.5)=−0.693, ln t3 =ln(2)=0.693 und ln t3 =ln(1)=0,
St
Für die einfachen Renditen erhalten wir
St2 −St1 =−0.5, St3 −St2 = 1, aber St3 −St1 = 0 ≠ 1−0.5. St1 St2 St1
Im Folgenden werden wir die Bezeichnung „Rendite“ abkürzend für „logarithmische Rendite“ verwenden.
Allgemein gilt: St2 = α ⋅ St1 ⇔ logarithm.Rendite = ln(St2 / St1 ) = ln(α ).
Beispiel 1.16
Der Kurs einer Aktie (oder irgendeines anderen Finanzinstruments, z.B. auch einer Anleihe) habe zum Zeitpunkt t0 den Wert St0 . Nun verändert sich der Kurs von t0 bis t1 um den Pro-
zentsatz α1, von t1 bis t2 um den Prozentsatz α2,..., von tn-1 bis tn um den Prozentsatz αn. Wie ist der Kurs in tn?
Offenbar gilt:
Stn =St0 ⋅(1+α1)⋅(1+α2)⋅K⋅(1+αn).
St 1
S S S
St
1
also ln t3 =ln t3 +ln t2 . S S S
2
ttt
1
2
1
25
2. Modellierung von Aktien
2.1 Häufigkeitsverteilung der Renditen
Zur Modellierung einer Aktienkurszeitreihe mit Aktienkursen St geht man zunächst von der Historie aus, und schaut sich an, welche typischen Eigenschaften Aktienkurse haben.
Aus einer gegebenen Kurszeitreihe, z.B. 250 Schlusskursen (entspricht ungefähr einem Jahr) an der Frankfurter Börse von einer beliebig gewählten Aktie bildet man die 249 tägli- chen (logarithmischen) Renditen
S S S S
x :=ln −248 ,x −248 −247
:=ln −247 ,x
−246
:=ln −246 ,..., x :=ln 0 . 0
S−249
S−248
S−247 S−1
Hierbei zählt der Index am Aktienkurs jeweils den Tag, ausgehend vom ersten Tag j = -249. Der heutige (aktuelle) Tag hat dabei den Index j = 0. Das negative Vorzeichen im Index deu- tet an, dass es sich um vergangene Kurse handelt.
Wir wollen die Werte xj als beobachtete Stichprobenwerte im Sinne der Statistik auffas- sen und fragen uns nach der Häufigkeitsverteilung dieser Werte. Dazu kann man etwa ein Histogramm der beobachteten Werte anfertigen, bei dem der Anteil der Stichprobenwerte, die in einem bestimmten Bereich liegen, proportional zur Fläche eines Rechteckes über die- sem Bereich ist. Im Falle von Aktienkursrenditen hat ein solches Histogramm typischerweise das folgende Aussehen:
Rendite x-j
Histogramm der Renditen einer Aktie
Führt man eine solche Analyse für mehrere verschiedene Aktien durch, so zeigt sich, dass das resultierende Histogramm stets (mehr oder weniger) die gleiche Form hat wie das oben dargestellte. Wir werden später sehen, dass sich die Häufigkeitsverteilung der Renditen gut durch die sog. Normalverteilung modellieren lässt.
Aktien sind Beteiligungen am Grundkapital einer Firma. Fast alle großen Firmen sind Akti- engesellschaften (AGs). Aktionäre haben ein Mitspracherecht (Hauptversammlung) und ein Recht auf Gewinnbeteiligung (Dividende).
Eine AG hat drei wichtige Gremien:
• Vorstand (leitet die Geschäfte),
• Aufsichtsrat (überwacht den Vorstand),
• Hauptversammlung (Versammlung der Aktionäre).
Aktien werden an Börsen gehandelt. Weltweit führend ist die New York Stock Exchange (NYSE) in der Wallstreet in Manhattan. Größte Börse in Deutschland ist die Frankfurter Wertpapierbörse (FWB). NYSE und FWB sind Präsenzbörsen. Zunehmende Bedeutung haben Computerbörsen, z.B. die XETRA (Exchange Electronic Trading), wo Kauf- und Ver- kaufaufträge (sog. Orders) elektronisch abgewickelt werden. Kauf- und Verkaufaufträge kön- nen mit Kursgrenzen versehen werden, d.h. limitiert werden.
Empfehlenswert: www.nyse.com, www.deutsche-boerse.com.
Kursermittlung an der FWB: Umsatzstarke Aktien werden im fortlaufenden Handel geführt. Kurse werden dabei je nach Auftragslage zum nächstmöglichen Zeitpunkt festgestellt, sobald ein Geschäft zustande kommt, d.h. Angebot und Nachfrage sich entsprechen (variabler Kurs). Nur Aktien im fortlaufenden Handel können in einen Index (z.B. DAX, MDAX,...) auf- genommen werden. Aktien, die aufgrund des geringen Handelsvolumens nicht zum fortlau- fenden Handel zugelassen sind, werden zum Einheitskurs (oder Kassakurs) gehandelt. Dazu werden alle Orders, die bis Annahmeschluss vorliegen, gesammelt, und der Einheits- kurs anhand des Meistausführungsprinzips ermittelt. Dieses besagt, dass der größtmög-
liche Umsatz bei gegebener Auftragslage zustande kommen muss, wobei alle „bestens“ und „billigst“ limitierten Orders ausgeführt werden müssen.
Kurs/ Limit
Verkaufaufträge
Kaufaufträge
Anzahl der realisierten Aufträge
Stück je Limit
Stück ku- muliert
Stück je Limit
Stück ku- muliert
1
bestens
100
100
--
--
0
2
200
10
110
30
260
110
3
202
0
110
10
230
110
4
205
25
135
20
220
135
5
206
0
135
10
200
135
6
208
0
135
10
190
135
7
210
20
155
40
180
155
8
215
25
180
30
140
140
9
217
12
192
0
110
110
10
219
10
202
0
110
110
11
220
50
252
10
110
110
12
billigst
--
--
100
100
0
Der Kursverlauf einer Aktie im Zeitablauf ist zufällig. Er kann in Form einer Zeitreihe darge- stellt werden. Wir werden in dieser Vorlesung die mathematische Modellierung von zufälligen Aktienkursen mit den Methoden der Wahrscheinlichkeitsrechnung studieren.
Ende 2000 notierte die Daimler Chrysler Aktie bei 45 €. Mitte Juli 2001 erreichte sie den Jahreshöchststand von 57,50 €. Mitte September 2001 erreichte sie in Folge des Terroranschlages auf das World Trade Center in New York den Jahrestiefststand von 31 €. Bis Ende November 2001 erholte sich der Kurs wieder auf 47 €.
Wenn man die Kurszeitreihe einer Aktie untersucht, interessiert man sich zunächst für die Kursveränderungen (täglich, wöchentlich, monatlich,...). Dazu definiert man den Begriff der einfachen Rendite und der logarithmischen Rendite – diese dürfen nicht mit der Rendite einer Anleihe aus Abschnitt 1.5 verwechselt werden!
Im Folgenden bezeichnet stets St den Kurs einer Aktie zu einem Zeitpunkt t. Dabei gilt t≥0, und t=0 bezeichnet den aktuellen (heutigen) Zeitpunkt.
Definition 1.13
Die einfache Rendite einer Aktie zwischen zwei Zeitpunkten t1 und t2 (t2 > t1) ist
St2 −St1. St1
Die logarithmische Rendite einer Aktie zwischen zwei Zeitpunkten t1 und t2 ist
S ln t2 .
S
t 1
Beispiel 1.14
Wer am 29.12.2000 die Daimler-Chrysler Aktie kaufte, zahlte 45,20€ (Schlusskurs). Ein Ver- kauf am 05.01.01 brachte 46,60€. Somit wurde ein Kursgewinn von 1,40€ erzielt.
Die einfache Rendite ist in diesem Fall
− 2,50€ = − 5,4%. 46,60€
1,40€ 45,20€
= 3,1%.
Bei einem Kauf am 05.01.01 zu 46,60€ und Verkauf am 12.01.01 zu 44,10€ ist die einfache
Rendite
Die logarithmische Rendite ist
 46,60€ ln 45,20€ =
44,10€ 3,05% bzw. ln 46,60€ =
− 5,5%.
Renditen beziehen sich immer auf einen Zeitraum (einen Tag, eine Woche, einen Monat, ein
Jahr....).
In Beispiel 1.14 stimmen die einfache Rendite und die logarithmische Rendite nahezu über- ein. Wie ist das zu erklären?
Prof. Dr. Stefan Reitz 22
Aus der Taylor-Entwicklung der Funktion ln(x) wissen wir, dass für alle x ≈ 1 gilt
ln(x) ≈ x −1. Wir setzen nun x := St2 und erhalten im Fall St2 ≈ 1 (wenn sich der Aktien-
t1
St1
kurs zwischen t1 und t2 nur wenig verändert), dass gilt:
St1
S S S−S
logarithmische Rendite = ln t2 = ln(x) ≈ x −1 = t2 − 1 = t2
St St St
= einfache Rendite. Die logarithmische Rendite ist also eine Approximation der einfachen Rendite.
1
11
Wir halten fest: Die logarithmische Rendite beschreibt näherungsweise die prozentuale Ak- tienkursänderung. Es zeigt sich, dass man mit der logarithmischen Rendite besser rech- nen kann als mit der einfachen Rendite – daher wird sie im Rahmen der finanzmathemati- schen Modellierung von Kursen bevorzugt.
Bei gegebenem Kurs St1 und gegebener Rendite für die Zeitpunkte t1 und t2 lässt sich der Kurs St2 ausrechnen, denn es gilt
• Im Fall der einfachen Rendite: St2 = St1 ⋅ (1+ einfache Rendite),
• Im Fall der logarithmischen Rendite S = S ⋅elogarithmische Rendite .
t2 t1
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über das Verhalten von einfacher und logarithmi- scher Rendite bei verschiedenen Kursentwicklungen einer Aktie:
Fazit: Zur Modellierung von Aktienkursen genügt es, sich mit der Modellierung von einfachen oder logarithmischen Renditen zu beschäftigen.
Kursverhältnis
St2 St1
einfache Rendite St2 −1
St1
logarithmische Rendite S
ln t 2
St
1
0.00
-100% (= -1)
−∞
0.10
-90%
-2.300
0.50
-50%
-0.693
0.90
-10%
-0.105
0.95
-5%
-0.051
1.00
0%
0.000
1.05
5%
0.049
1.10
10%
0.095
1.50
50%
0.405
2.00
100%
0.693
5.00
400%
1.609
10.00
900% (= 9)
2.303
∞
∞
∞
Es gilt stets −100% ≤ einfache Rendite < ∞. Einfache Renditen sind asymmetrisch: eine Kurshalbierung (einfache Rendite = – 50%) wird durch eine einfache Rendite von +100%
(Kursverdoppelung) ausgeglichen.
Es gilt − ∞ < logarithmische Rendite < ∞ . Logarithmische Renditen sind symmetrisch: eine Kurshalbierung (logarithmische Rendite = -0,693) wird durch eine logarithmische Rendite von
+0,693 (Kursverdoppelung) ausgeglichen.
Der entscheidende Vorteil logarithmischer Renditen gegenüber einfachen Renditen besteht darin, dass logarithmische Renditen über mehrere aufeinander folgende, nicht überlappende Zeitintervalle additiv sind, denn es gilt:
S S S S S ln t1 +ln t2 +ln t3 +K+ln tn =ln(Stn )−ln(St0 )=ln tn .
St
Die Summe der logarithmischen Renditen über die Zeitintervalle [t0; t1], [t1; t2], ... , [tn-1; tn] ist also gerade gleich der logarithmischen Rendite für das Intervall [t0; tn]. Dies gilt nicht für ein- fache Renditen.
St St St St
Dann gilt
24
0
1
2
n−1
0
Beispiel 1.15
Wir betrachten die Kurszeitreihe
St1 = 100,
St2 = 50,
St3 = 100.
S S S
ln t2 =ln(0.5)=−0.693, ln t3 =ln(2)=0.693 und ln t3 =ln(1)=0,
St
Für die einfachen Renditen erhalten wir
St2 −St1 =−0.5, St3 −St2 = 1, aber St3 −St1 = 0 ≠ 1−0.5. St1 St2 St1
Im Folgenden werden wir die Bezeichnung „Rendite“ abkürzend für „logarithmische Rendite“ verwenden.
Allgemein gilt: St2 = α ⋅ St1 ⇔ logarithm.Rendite = ln(St2 / St1 ) = ln(α ).
Beispiel 1.16
Der Kurs einer Aktie (oder irgendeines anderen Finanzinstruments, z.B. auch einer Anleihe) habe zum Zeitpunkt t0 den Wert St0 . Nun verändert sich der Kurs von t0 bis t1 um den Pro-
zentsatz α1, von t1 bis t2 um den Prozentsatz α2,..., von tn-1 bis tn um den Prozentsatz αn. Wie ist der Kurs in tn?
Offenbar gilt:
Stn =St0 ⋅(1+α1)⋅(1+α2)⋅K⋅(1+αn).
St 1
S S S
St
1
also ln t3 =ln t3 +ln t2 . S S S
2
ttt
1
2
1
25
2. Modellierung von Aktien
2.1 Häufigkeitsverteilung der Renditen
Zur Modellierung einer Aktienkurszeitreihe mit Aktienkursen St geht man zunächst von der Historie aus, und schaut sich an, welche typischen Eigenschaften Aktienkurse haben.
Aus einer gegebenen Kurszeitreihe, z.B. 250 Schlusskursen (entspricht ungefähr einem Jahr) an der Frankfurter Börse von einer beliebig gewählten Aktie bildet man die 249 tägli- chen (logarithmischen) Renditen
S S S S
x :=ln −248 ,x −248 −247
:=ln −247 ,x
−246
:=ln −246 ,..., x :=ln 0 . 0
S−249
S−248
S−247 S−1
Hierbei zählt der Index am Aktienkurs jeweils den Tag, ausgehend vom ersten Tag j = -249. Der heutige (aktuelle) Tag hat dabei den Index j = 0. Das negative Vorzeichen im Index deu- tet an, dass es sich um vergangene Kurse handelt.
Wir wollen die Werte xj als beobachtete Stichprobenwerte im Sinne der Statistik auffas- sen und fragen uns nach der Häufigkeitsverteilung dieser Werte. Dazu kann man etwa ein Histogramm der beobachteten Werte anfertigen, bei dem der Anteil der Stichprobenwerte, die in einem bestimmten Bereich liegen, proportional zur Fläche eines Rechteckes über die- sem Bereich ist. Im Falle von Aktienkursrenditen hat ein solches Histogramm typischerweise das folgende Aussehen:
Rendite x-j
Histogramm der Renditen einer Aktie
Führt man eine solche Analyse für mehrere verschiedene Aktien durch, so zeigt sich, dass das resultierende Histogramm stets (mehr oder weniger) die gleiche Form hat wie das oben dargestellte. Wir werden später sehen, dass sich die Häufigkeitsverteilung der Renditen gut durch die sog. Normalverteilung modellieren lässt.