Nein, das gefällt mir alles nicht. Sie wissen, ich wäre für eine klare Bereinigung der Märkte gewesen, das heißt, noch weiter fallende Kurse. Wenn nun diese seltsame Aktion der Fed, den Diskontsatz zu senken, dazu führt, dass die Märkte einen Bodenbildungsversuch starten, wäre das höchst ungünstig. Je mehr er jetzt ansteigt, desto stärker wird der Knall später.
Wie gering die Bedeutung des Diskontsatzes eigentlich ist, war einer Meldung der FTD zu entnehmen. Dort konnte man lesen, dass das Diskontfenster in der US-Geldpolitik eine völlig untergeordnete Rolle spiele. Selbst in der vergangenen Woche großer Marktturbulenzen verlieh die Notenbank gerade 11 Mio. $ über dieses Instrument - ein winziger Tropfen verglichen mit der US-Geldmenge von fast 900 Mrd. $.
Ist es also so leicht, die Märkte zu beruhigen? Nicht wirklich, offenbar bedurfte es weiterer Beruhigungspillen: Gestern haben sich der US-Finanzminister Paulson, der Vorsitzenden des Bankenkomitees im US-Senat Christopher Dodd und natürlich Ben Bernanke zu einem Krisengespräch getroffen.
Dodd betonte, die Politik erwarte von der Fed keine Zinssenkungen. Moment, warum muss er das derart betonen? Aus einer anderen Quelle ist hingegen zu hören, Dodd habe Paulson und Bernanke dazu „gedrängt“, mit allen Mitteln die Liquidität an den Märkten sicherzustellen. Das klingt schon besser und entsprach dann auch einer weiteren Meldung, nach der die drei Mandatsträger nochmals die Bereitschaft von Politik und Finanzsystem erklärten, alles zu unternehmen, um den Kreditmarkt angemessen mit Liquidität zu versorgen.
Markt rechnet mit Zinssenkung
Der Markt interpretierte diese Aussage in die Richtung, die er hören wollte: Es wird zu mindestens einer Zinssenkung kommen. Ich bleibe stur und behaupte weiterhin, eine Zinssenkung wird nur dann kommen, wenn die Märkte weiter massiv einbrechen.
Und so ganz alleine stehe ich mit dieser Einschätzung nicht, neben einigen wenigen Analysten äußerte sich auch der Präsidenten der Federal Reserve Bank of Richmond, Jeffery Lacker ähnlich. Nach seiner Einschätzung wird sich die Fed trotz der jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten weiterhin an den Fundamentaldaten, sprich Wachstum und Inflation, orientieren. Die Volatilität der Finanzmärkte sei für sich genommen noch kein Grund für eine Änderung des Leitzinsens seitens der Fed. Gut, Lacker ist zurzeit nicht stimmberechtigt und neigte auch in der Vergangenheit dazu, eher für Zinserhöhungen zu stimmen, aber ich denke trotzdem diese Aussage kommt der Wahrheit am nächsten.
Ein wenig übers Ziel hinaus geschossen...
Warum sich jetzt auch noch die Politik einmischt? Im nächsten Jahr sind Präsidentschaftswahlen in den USA. Was wäre für die Republikaner schlimmer, als wenn neben dem Desaster der aktuellen Regierung auch noch die US-Wirtschaft in eine Rezession abrutscht? Die Folge wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit eine dramatische Wahlschlappe. Wäre es da nicht viel sinnvoller, jetzt noch mal durch sinkende Leitzinsen den Markt und die Wirtschaft mit Liquidität zu fluten, nur um noch einmal, in einem letzten Kraftakt einen Wirtschaftsschub zu erreichen? Okay, dann würde es wahrscheinlich etwas später zu einer um so heftigeren Rezession kommen. Wenn aber dann die Demokraten an der Macht wären, würde die Bevölkerung und entsprechend politisch engagierte Medien dieses Wirtschaftsdebakel den Demokraten in die Schuhe schieben. Und wenn hingegen die Republikaner wider Erwarten gewinnen? Dann hätte man genug Zeit, um zu reagieren und zu regieren. Zugegebenermaßen ein böser Gedanke, zumal Dodd zu den Demokraten gehört Inwieweit solche Polit-Thriller-Phantasien der Realität entsprechen könnten, überlasse ich Ihrer Phantasie.
Markt läuft nicht sauber
Aber trotzdem, es ist genau das, was mir im Moment nicht gefällt: Der Markt läuft nicht sauber. Er wird von externen Interventionen (Senkung des Diskontsatzes, verbalen Zinssenkungen etc) getrieben. Ich weiß, dass solche Interventionen normalerweise nicht lange vorhalten. Der Markt braucht dann wie ein Süchtiger immer größere Beruhigungspillen, sprich irgendwann tatsächliche Zinssenkungen um weiter zu steigen. Und selbst das würde nur einen zeitlich begrenzten Effekt haben, weil dann den USA die Inflation um die Ohren fliegt. Es fehlt einfach die heilsame Bereinigung, das reinigende Gewitter.
Nur, aufgrund dieser massiven Interventionen, realer und verbaler Natur, sind im kurzfristigen Horizont halbwegs verlässliche Prognosen zurzeit absolut unsinnig.
Eigentlich viel zu bullish
Die Sentimentdaten weisen übrigens darauf hin, dass die US-Anleger vergleichsweise bullish gestimmt sind. Als Beispiel das Bloggersentiment von gestern:
Quelle: http://tickersense.typepad.com/
So bullish waren die Blogger seit dem 18. Juni nicht mehr (damals rutschte anschließend der Markt von 1959 Punkten auf 1900 Punkten ab)
Angesichts des aktuellen Kurseinbruchs an den Märkten und der Krisensituation sollte die Stimmung eigentlich wesentlich bearisher sein. Diese Entwicklung ist also höchst bedenklich. Unter „normalen“ Umständen wäre genau das ein sicherer Hinweis darauf, dass die Börsen noch einen Ebene tiefer gehen. Unter normalen Umständen....
Da aber die Märkte auf eine Zinssenkung hoffen, weiß ich nicht, wohin diese Hoffnung die Märkte noch treiben wird.
Bin ich froh, wenn diese Sommermonate endlich vorbei sind...
Viele Grüße
Jochen Steffens
Quelle:I nvestor's Daily Abonnenten
Gruß Moya
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US-Konjunktur
von Jochen Steffens
Die Rohöllagerbestände stiegen um 1,9 Mio Barrel auf 337,1 Mio Barrel. gestiegen. Analysten hatten mit einem Rückgang um 2,8 Mio Barrel gerechnet. Die Heizölvorräte sind um 5,7 Mio gesunken. Hier war ein Anstieg um 0,8 Mio Barrel erwartet worden. Die Benzinlagerbestände stiegen um 1,3 Mio Barrel auf 129,0 Mio Barrel. Analysten rechneten mit einem Minus von 0,6 Mio Barrel.
Von einer wirklichen Beruhigung kann nicht die Rede sein, wenn man sich den Verlauf anschaut. Zudem könnten die Märkte auf die Idee kommen, dass angesichts des baldigen Winters (naja) es kein gutes Zeichen sei, dass die Heizölvorräte derart kräftig gesunken sind.
Generell würde ich aber mit einem Non-Event für den Ölpreis rechnen.