Ich möchte Ihnen für die vielen Mails zu dem Thema „Ausfälle bei Derivaten“ danken. Es zeigt sich, dass das Problem doch sehr weit verbreitet ist (Bitte haben Sie in diesem Zusammenhang Verständnis dafür, dass ich aufgrund der Fülle von Mails und aus rein zeitlichen Gründen nicht auf alle Ihre Anfragen diesbezüglich eingehen kann – oft bleibt mir nur die Zeit, die Mails zu lesen. Doch zumindest das kann ich Ihnen versprechen: Ich lese wirklich jede einzelne!)
Ich habe am Wochenende darüber nachgedacht, ob es Möglichkeiten gibt, gegen diese Ausfälle vorzugehen. Leider bleiben die Ideen meist theoretischer Natur. Die einzig sinnvolle Reaktion ist, sich die Emittenten rauszusuchen, bei denen solche Ausfälle im Vergleich zu anderen seltener auftreten. Nach den Mails zu urteilen, ist bekannt, wer die schwarzen Schafe unter den Emittenten sind. Auf lange Sicht müsste sich das auswirken. Die andere Alternative, ganz auf Derivate zu verzichten, macht wenig Sinn. Wenn ich mir die Gewinne anschaue, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, ist der Derivatehandel trotz aller Ausfälle extrem lukrativ. So bleiben diese Ausfälle der bittere Beigeschmack, zumindest solange die Gewinne die Verluste übertreffen.
Allerdings habe ich auch einige Mails von Anlegern erhalten, die sehr kurzfristig (intraday) und intensiv mit diesen Scheinen auf Indizes handeln. Hier kann ich immer und immer wieder nur empfehlen, weichen Sie auf die Futures aus! Bei einigen Anbietern sind die Gebühren extrem preiswert. Wesentlich preiswerter als alle Derivate, CFDs und andere Konstruktionen. Je kurzfristiger Sie traden, desto wichtiger sind die Gebühren je Trade und dazu zählen auch die versteckten Gebühren, zum Beispiel die Spreads.
Allerdings sollten Sie sich zuvor intensiv mit dem Thema Future-Traden auseinandersetzten, damit Sie wissen, was Sie tun, was zu beachten ist und welche Gefahren existieren.
Gerade wer kurzfristig und intensiv traden will, sollte sich bemühen, das Handwerkzeug selbst zu erlernen. Dazu gehört es auch, sich „selbstständig“ den preiswertesten Broker, die besten Oberflächen, die geeignetsten Chartprogramme herauszusuchen. Gerade durch dieses Suchen und Vergleichen, durch das Trial and Error lernt man sehr viel! Verlassen Sie sich also nicht auf einzelne Empfehlungen. Stöbern Sie auf Internetseiten und in Suchmaschinen, testen Sie und prüfen Sie. Das gehört einfach dazu.
Nun zum Markt:
Skepsis bleibt
Also ich bin alles andere als überzeugt. Für mich sieht die Aktion der Fed vom Freitag nach einer Panikreaktion aus – ich kann mir nicht helfen. Es war der Versuch, einen Crash in letzter Minute zu verhindern. Nachdem sich die Carry-Trades am Donnerstag/Freitag in einem Zustand der unkontrollierten Auflösung befunden haben und der Nikkei mit einem Minus von über 5 % darauf reagiert hat, musste die Fed etwas tun, um das Schlimmste zu verhindern. Sie wissen, die Notenbanken warnen seit Monaten vor einer unkontrollierten Auflösung der Carry-Trades, da dies eine Gefahr für das internationale Finanzsystem darstelle.
Zwei Sichtweisen zum Thema Senkung des Diskontsatzes:
Zum einen muss man sagen, dass es vielleicht keine schlechte Idee war, zunächst den Diskontsatz zu senken. Quasi als erster Notfallschritt. Damit wurde erreicht, dass sich die Banken preiswerter Liquidität besorgen können. Schließlich ist das Kernproblem ein Problem des Bankensektors. Zudem besteht jetzt noch die Möglichkeit, falls die Kurse weiter dramatisch fallen, die "richtigen" Leitzinsen zu senken. Sprich, man hat noch eine weitere „Notfallmaßnahme“ zur Hand, ohne sein Pulver zu früh verschossen zu haben.
So gesehen scheint es eine geschickte Strategie zu sein.
Schwaches US-Wirtschaftswachstum macht Zinssenkung sinnvoll
Aber es gibt auch eine andere Sicht. Sie erinnern sich, die Fed hat selbst gesagt, dass die Subprime-Krise sich nachteilig auf das US-Wirtschaftswachstum auswirken könne. Darüber hinaus sieht sie zurzeit generell die Möglichkeit, dass sich das Wirtschaftswachstum verlangsame.
Warum hat sie dann nicht direkt die Leitzinsen gesenkt? Denn nur das wird auch der Wirtschaft die Liquidität zur Verfügung stellen, die sie benötigt, um weiter zu expandieren. Allerdings um 6-12 Monate zeitversetzt. Ist es da nicht unsinnig, zu warten und damit diese Zinssenkung nach hinten aufzuschieben? Könnte es nicht sein, dass dann alles schon zu spät ist? Warum nimmt die Fed dieses Risiko einer Rezession in Kauf?
Darüber hinaus hätte eine solche Zinssenkung auch einen günstigen Einfluss auf die Immobilienkrise in den USA, da sie die Refinanzierung erleichtern würde.
Zwischen Pest und Cholera
Meines Erachtens steckt die Fed in einer Zwickmühle zwischen Pest und Cholera, also zwischen Inflationsgefahren und Rezessionssorgen. Wir wissen aber, dass sie sich in diesem Fall immer für die Cholera (Rezession) entscheiden wird.
Eine Inflation kann zu leicht ausufern und zu einer galoppierenden Inflation werden, wenn das Vertrauen in die Währung verloren geht. Gerade in der aktuellen Situation wäre das höchst brisant, da die Bush-Regierung in den letzten Jahren alles nur erdenklich Mögliche getan hat, um das Vertrauen in den Dollar aufgrund einer unsinnig undiplomatischen, fast schon martialischen Außenpolitik zu zerstören. In dem Maß wie der Unmut der Weltbevölkerung über die Bush-Politik gewachsen ist, wuchs auch die Zahl der Stimmen, die über Alternativen zum Dollar nachdachten.
Würde nun die Fed den Dollar frei inflationieren lassen, wären die Tage des Dollars als Weltwährung gezählt (wenn sie es nicht sowieso schon sind). Sobald aber der Dollar den Kelch der Macht an eine andere Währung abtreten müsste, würde auch das zu einer Rezession in den USA führen (das lässt sich historisch belegen).
Doch auch aus rein volkswirtschaftlicher Sicht ist bekannt, dass eine ausufernde Inflation dazu neigt, in einer tiefen Rezession zu enden.
Es besteht keine Wahlmöglichkeit
Also, würde sich die Fed für eine Inflation entscheiden, würde es unweigerlich zu einer Rezession führen. Dann kann sie sich auch direkt für eine Rezession entscheiden. Das wird zwar schmerzhaft, aber insgesamt weniger schmerzhaft als ein inflationierender Dollar.
Aus diesem Grund bin ich noch nicht davon überzeugt, dass dem Schritt vom Freitag bald eine Leitzinssenkung folgen wird. Es sei denn, die nächsten Konjunkturdaten würden darauf hinweisen, dass die Inflationssorgen zumindest kurzfristig weiter gebannt sind.
Das Paradox in sich
Aber die Märkte werden jetzt auf eine Zinssenkung spekulieren. Das Paradoxe daran ist: Je mehr sie ansteigen, desto unwahrscheinlicher wird eine Zinssenkung. Sollten sich nämlich die Märkte stabilisieren, dann werden sich auch der Finanzsektor und die Währungsturbulenzen stabilisieren. Es bestünde also gar nicht mehr die Notwendigkeit einer Zinssenkung seitens der Fed.
Kurz: In dem Maße, in dem die Märkte auf eine Zinssenkung spekulieren, wird eben diese unwahrscheinlich. Darüber denkt aber offenbar im Moment noch keiner nach. Doch genau das begrenzt eigentlich schon in sich einen zu starken Anstieg.
Die Märkte neigen dazu, alle auszutesten
Zudem, das Spiel kennen die erfahrenen Anleger unter Ihnen, neigt der Markt immer wieder gerne dazu, die Extreme auszutesten. Mit anderen Worten: Es besteht die große Gefahr, dass der Markt nun herausfinden (testen) will, wann die Fed die Geduld verliert und tatsächlich mit einer Zinssenkung reagiert. Das ist eine Gefahr – doch bisher nur eine theoretische.
Nein, ich bin weiterhin bei Weitem nicht mehr so uneingeschränkt bullish wie in den Konsolidierungen der vergangenen Jahre. Ich glaube zudem, auf dem aktuellen Niveau ist der Markt immer noch nicht bereinigt. Aus diesem Grund vermute ich, dass es, vielleicht nach einem Anstieg, einer impulsiven Gegenbewegung, noch weiter abwärts gehen wird und gehen muss. Alles andere würde den Knall nur nach hinten verschieben.
Also bleiben Sie weiterhin vorsichtig. Dieser eher psychologische Trick der Fed sollte Sie nicht zu sehr blenden. Auf der anderen Seite befinden wir uns immer noch in starken Aufwärtstrends, auch das dürfen Sie nicht vergessen.
Wie immer in solchen Situationen muss man sehr genau von Tag zu Tag die Reaktionen der Märkte analysieren und entsprechend handeln. Die Marktteilnehmer hatten über das Wochenende genug Zeit nachzudenken, zu recherchieren und zu analysieren. Heute und morgen werden wir anhand der Kursentwicklung erfahren, zu welchen Schlüssen der Markt gekommen ist.
Quelle:Investor's Daily Abonnenten
Gruß Moya