Wie trennt man alte Hasen von ihren Aktien?
von Jochen Steffens
Vielleicht erinnern Sie sich noch, dass ich schrieb, die erste Short-Squeeze sei selten die letzte. Gestern Abend erlebten wir an den amerikanischen Indices die zweite große Short- Squeeze in diesem Abwärtstrend, welche den Dow Jones mal eben um 287 Punkte nach oben trieb, der stärkste Anstieg seit 2003.
Bedingt durch ein paar Analystenkommentare, aber hauptsächlich durch die Sorge, dass die Fed heute Abend an ihrem Statement irgendetwas, das in Richtung Zinssenkung weist, ändern könne, kam es zunächst zu leicht steigenden Kursen. Durch diese wurden stetig weitere shortpositionierte Anleger nervös. Wer möchte schon als kurzfristig orientierter Anleger mit seinen Short-Positionen vor einer Fed-Sitzung im Minus sein, wenn die theoretische Möglichkeit besteht, dass die Zinsen gesenkt werden und der Markt anschließend eine explosive Rallye hinlegt.
Das Dümmste, was die Fed machen könnte
Dabei halte ich, wie schon gestern geschrieben, die Wahrscheinlichkeit, dass es nach einer solchen Zinssenkung zu einer Rallye kommt, für sehr gering. Tatsächlich wäre eine überhastete Zinssenkung ein Zeichen dafür, dass die Schieflagen im US-amerikanischen Finanzsystem wesentlich dramatischer sind, als in den Medien dargestellt. Die Folge wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit ein massiver Kurseinbruch. Auch wenn es in einer ersten Reaktion zunächst zu einem kurzen Anstieg käme.
Eine Zinssenkung wäre demnach so ziemlich das Dümmste, was die Fed machen könnte.
Zinssenkung im Oktober?
Ebenso glaube ich nicht, dass die Fed auf eine Zinssenkung im Oktober hinweist. Zumindest nicht mit der Begründung: "Finanzmarktkrise“. Wenn es überhaupt zu einer solchen Andeutung kommt, dann wird sich die Fed auf die Arbeitsmarktdaten und auf die an den letzten Konjunkturdaten zu erkennende Abschwächung des US-Wirtschaftswachstums beziehen. Aber selbst das glaube ich nicht, denn „findige“ Analysten könnten dies schnell als eine „Scheinbehauptung“ enttarnen und wiederum auf eine größere Schieflage im amerikanischen Finanzsystem spekulieren.
Fed neigt zu keinen überhasteten Aktionen
Die Fed neigt nicht dazu, überhastet auf die Themen zu reagieren, die gerade mal wieder den Markt in Angst und Schrecken versetzen. Von diesen gibt es jedes Jahr ein oder zwei. Schließlich muss jede Konsolidierung ihr eigenes Angst-Thema haben, welches geeignet ist, eine Vielzahl von Anlegern davon zu überzeugen, dass uns Schlimmeres bevorsteht. Gerade in einer Rallye werden Anleger nämlich nur sehr ungern von ihren Aktien, mit denen sie schon größere Gewinne in den Büchern stehen haben, getrennt. Aus diesem Grund fallen Korrekturen in einem starken Aufwärtstrend meistens sehr klein aus. Hier werden meistens lediglich die Zittrigen und Ängstlichen aus dem Markt getrieben.
Wie trennt man alte Hasen von ihren Aktien?
Wesentlich schwerer ist es, die erfahreneren Anleger von ihren Aktien zu trennen. Dazu bedarf es Fakten oder Ereignisse, die dramatisch genug scheinen, auch solche Spekulanten zu verunsichern. Wie sonst sollte eine größere Konsolidierung funktionieren?
In den letzten Jahren haben wir eigentlich immer nur vergleichsweise kleine Konsolidierungen im Markt erlebt. Auch die aktuelle ist noch mickrig. Dem Aufwärtstrend würde es jedoch gut tun, wenn die aktuellen Übertreibungen deutlich abgebaut würden, mit anderen Worten: wenn wir einmal eine etwas größere Korrektur erleben würden. Die Charttechnik sagt dazu, dass eine normale Konsolidierung bis zu 50% des vorherigen Aufwärtstrends wieder abbauen kann.
Der DAX startete seine aktuelle Rallye bei ca. 2100 Punkten im Jahre 2003. Sein bisheriges Hoch lag bei über 8100 Punkten. Das sind 6000 Punkte Differenz. Davon die Hälfte sind 3000 Punkte. Mit anderen Worten, der DAX könnte locker um 3000 Punkte auf ca 5000 Punkte fallen, ohne dass es der bisherigen Aufwärtsbewegung aus charttechnischer Sicht schaden würde.
Und da ist er wieder, der Zusammenbruch des Finanzsystems
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass jetzt wieder all die Bären aus ihren Löchern gekrochen kommen um das zu tun, was sie am liebsten tun: Den Zusammenbruch des globalen Finanzsystems vorhersagen. Ein altes Lied, das schon so lange gesungen wird. Selbst in dem Film Wall-Street aus dem Jahre 1987, den ich am Sonntag noch einmal gesehen habe, ist bereits die Rede davon...
Meines Erachtens ist aber noch viel zu viel Liquidität vorhanden, als dass diese Finanzkrise sich großartig ausweiten wird. Zudem haben die Banken in den letzten Jahren viel zu viel Geld verdient. Ich bleibe dabei, es handelt sich bei dieser Krise lediglich um ein vorübergehendes Angstthema, dass bald vergessen sein wird. Aber keine Frage, es ist eines der „besseren“ Angstthemen. Eines, das auch erfahrene Anleger ins Schwitzen bringt, besonders wenn schon Banker vor der schwersten Bankenkrise in Deutschland seit 1931 warnen. Aber nur so trennt man selbst erfahrene Anleger von ihren Aktien.
Ich hoffe sehr, dass dieses Thema die Märkte noch weiter nach unten treibt. Denn nur das wäre bullish. Nur dann würden wir wieder gute Einstiegschancen finden - dann nämlich, wenn die Welt davon überzeugt ist, dass sie morgen untergeht und die Rallye endgültig vorbei sei.
Sollten die Märkte jetzt schon drehen, besteht die Gefahr, dass wir den Einbruch etwas später, vielleicht von einem höheren Niveau aus, erleben.
Ich bin gespannt, was passiert, wenn die Fed heute nicht auf eine baldige Zinssenkung hinweist. Dazu der Dow Jones Chart:
Die fast perfekte SKS
Sehr schön zu erkennen ist, wie der Dow mit der 13250er Marke kämpft. Durch diese Unsicherheit besteht die Möglichkeit, dass sich keine symmetrische Schulter-Kopf-Schulter-Formation bildet, sondern eine etwas abwärts gerichtete.
Die Nackenlinie (dicke blaue Linie) ist damit jetzt die entscheidende Linie. Das Kursziel liegt nach einem Bruch dieser Linie im Bereich der 12.100 Punkte Marke, die eine Unterstützung aus Februar/März 2007 darstellt. Interessant ist, dass nun auch die Umsätze perfekt stimmen. Anstieg in die linke Schulter hinein, dann Schwäche gefolgt von einem Anstieg zum Hoch. Die Erfahrung zeigt, dass solche, nicht symmetrischen und eher nicht eindeutigen SKS wesentlich zuverlässiger sind. Aber ganz wichtig ist: Erst durch den Bruch der Nackenlinie gibt es eine Wahrscheinlichkeit von über 90 %, dass das Kursziel erreicht wird. Vorher liegt es bei 50 / 50.
Nach oben wird es erst über der 13700 Punkte-Marke bullisher, ein wirklich klares bullishes Signal gäbe es über dem Allzeithoch bei 14.000 Punkten.
Und wieder einmal wird eine Fed Sitzung über das Wohl oder Weh der Märkte entscheiden.
Viele Grüße
Ihr
Jochen Steffens