Sie sind hier neu? Gerne bringe ich Sie auf den aktuellen Stand unserer Recherchen
Zu welchen Stoffgruppengehören die gängigen Induktionshypnotika?
Die heute im klinischen Gebrauch befindlichen Hypnotika und Sedativa entstammen keiner homogenen chemischen Stoffgruppe. Dennoch verfügen sie über eine gemeinsame charakteristische Schnittmenge. Diese besteht darin, dass sie dosisabhängig eine Sedierung und letztlich eine Hypnose induzieren. Im Wesentlichen müssen folgende 5 Induktionshypnotika benannt werden, die in der Klinik derzeit zur Anwendung kommen: 4 Propofol, 4 Thiopental, 4 Etomidat, 4 Ketaminund 4 Midazolam.
Propofol ist, chemisch gesehen, ein substituierter Phenolring. Die Hydroxylgruppe in Orthoposition reduziert den proteindenaturierenden Effekt von Phenol und verleiht ihm die hypnotische Eigenschaft. Die bestmögliche Pharmakokinetik wird durch die beiden Propylgruppen in den Positionen 2 und 6 erzielt. Thiopental ist ein Barbitursäurederivat und wird aufgrund des Vorhandenseins eines Schwefelatoms an Position 2 zu den Thiobarbitursäurederivaten gezählt. Das v.a. noch in der Intensivmedizin zum Einsatz kommende Methohexital hingegen verfügt an Position 2 über ein Sauerstoffatom und wird folglich zu den Oxybarbituraten gerechnet. Die Barbitursäure zählt zu den Derivaten des Harnstoffs und kann daraus mit einem Malonsäureester synthetisiert werden.Sie ist selbst nicht hypnotisch aktiv, erstdieSubstitutionam2.undinsbesondere am 5. Ringatom generiert pharmakologisch aktive Barbiturate [1]. Etomidat ist ein Imidazolderivat und verfügt über ein chirales Carbonatom. Daherexistiert das Molekül in Form von 2Enantiomeren.BesondersdasR(+)-Isomer ist hypnotischaktiv, das S(–)-Enantiomerweisteine20-fachgeringere hypnotische Potenz auf. Etomidat war das erste Medikament mit stereogenem Charakter, das in aufgereinigter Form vertrieben wurde
Ketamin wurde als Nachfolger von Phencyclidin(PCP)entwickelt und ist ein Arylcycloalkylamin mit den StereoisomerenS(+)-KetaminundR(–)-Ketamin. Es wird v.a. das eutomere und aufgereinigte S(–)-Ketamin vertrieben. Midazolam ist ein Benzodiazepin. Sein Alleinstellungsmerkmal unter den heutigen ca. 35 verfügbaren Benzodiazepinen beruht auf seiner Imidazolringstruktur. Midazolam ist ein weißlicher, kristalliner und eigentlich nicht wasserlöslicher Stoff. Zur Erhaltung des Pharmakons in wässriger Lösung muss diese angesäuert und die Substanzhydrochloriert werden. Unter diesen Bedingungen stellt sich ein Gleichgewicht von 2 Molekülzuständen ein. Der Imidazolring öffnet sich bei einem angestrebten pH-Wert von 3 bei 25% aller Moleküle. Es entsteht ein gut wasserlösliches primäres Amin. Nachdem Überführen des Pharmakons in humanes Milieu schließt sich der Imidazolring [3]. Das Molekül ist dann wieder lipophil und wird leicht transmembranös absorbiert. Der fluorierte Benzolring ist ursächlich für den im Vergleich mit anderen Benzodiazepinen stärkeren hypnotischen Effekt.
Parallel mit der klinischen Anwendung von Hypnotika mehrte sich auch das Wissen um unerwünschte, oftmals unvermeidbare Nebenwirkungen. Mitunter begründet sich die moderne Narkose auf den Erfahrungen im Umgang mit und der Antizipation dieser Nebenwirkungen.
Seit jeher wird daher der Ruf nach einem Induktionshypnotikum laut, das alle positiven Eigenschaften in sich vereint[2].Das ideale Induktionshypnotikum hat einen schnellen Wirkeintritt binnen einer Kreislaufzeit mit einem gut kalkulierbaren Wirkende aufgrund eines organunabhängigen Metabolismus und besticht durch einen eindeutigen im Elektroenzephalogramm (EEG) sichtbaren Effekt, der das Erkennen einer suffizienten Hypnose ermöglicht.
Propofol, Thiopental, Etomidat und auchdieBenzodiazepinevermittelnihre hypnotische und amnestische Wirkkomponente und ebenso die Depression spinaler Reflexe über eine Interaktion mit dem inhibitorischen γ-Aminobuttersäure-A-(GABAA)-Rezeptor. Kennzeichen der Superfamilie der pentameren Liganden gesteuerten GABAA-Rezeptoren („pentameric ligand-gated ion channel“, pLGIC) ist deren Modulation durch die physiologisch im ZNS vorkommende GABA.Daher rührt auch der Name der Rezeptoren.Aufgebautaus5transmembranären Proteinuntereinheiten bilden die GABAA-Rezeptoren einen Chloridionenkanal aus. Deshalb werden sie zu den ionotropen und schnell agierenden Rezeptoren gezählt. Im Fall einer Bindung von GABA an die Bindungsstelle des Rezeptorkomplexes kommt es durch einen Chloridioneneinstrom zur Hyperpolarisation der Zellmembran und zur konsekutiven Inhibition der Signaltransmission [1]. Die benannten Hypnotika potenzieren allesamt Substanz und dosisspezifisch die Öffnungswahrscheinlichkeit des Chloridionenkanals als allosterische Modulatoren. Insbesondere von den Barbitursäurederivaten ist bekannt, dass selbst hohe Pharmakonkonzentrationen an sich im Ruhezustand befindlicher Rezeptoren nur eine mäßige Aktivierung und damit eine eingeschränkte Hyperpolarisation bewirken. Bisher sind 19 unterschiedliche Proteinuntereinheiten identifiziert worden. Rein kombinatorisch ergibt sich somit eine Vielzahl an Möglichkeiten, wie sich ein GABAA-Rezeptor zusammensetzt. Mittlerweile ist ebenfalls bekannt, dass je nach Zusammensetzung eines solchen Chloridionenkanals spezifische Wirkungen vermittelt werden. Insbesondere im Gehirn exprimierte GABAA-RezeptorSubtypen, die über 2 α1- und 2 β 2Untereinheiten verfügen, vermitteln die amnestische und sedierende Wirkung von Benzodiazepinen, Etomidat und Propofol.
Auch wünschenswert sind eine gute Reflexsuppression und ausgezeichnete hämodynamische Stabilität, insbesondere beim kritisch kranken Patienten. Die Dämpfung laryngealer Reflexe ist ebenso erstrebenswert, sodass eine pharyngeale oder supraglottische Instrumentierung zur Sicherung des Atemwegs problemlos toleriert wird. Ferner entscheidend ist eine große Sicherheitsbreite. Die Zielkonzentration im Zentralnervensystem (ZNS), bei der es zu einer Suppression des Bewusstseins kommt, sollte um ein Vielfaches unterhalb der Konzentrationen liegen, bei der vitale Funktionen wie die Regulation des Kreislaufs, der Temperatur oder des Elektrolythaushalts gestört werden.
Patientenspezifische Faktoren sind neben dem angenehmen „Einschlafen“ ein angenehmes Wiedererwachen ohne Halluzinationen und das Vermeiden eines Injektionsschmerzes.
Eine Auswahl der beinahe unbegrenzten Fülle an Erwartungen an das ideale Induktionshypnotikum findet sich in chen Faktoren abhängig. Systemische inflammatorische Prozesse, kritische Krankheit, Schädel-Hirn-Traumata und auch eine Schwangerschaft modulieren deren Expression. Konklusiv ändert sich die Sensitivität für Hypnotika in der jeweiligen Klientel. Ketamin ist das einzige der benannten Hypnotika, das über eine Interaktion mit N-Methyl-D-Aspartat(NMDA)-Rezeptoren wirkt. Die NMDA-Rezeptoren werden zur Familie der ionotropen Glutamatrezeptoren gerechnet. Ätiologisch stammt der Name „NMDARezeptor“von einem nicht physiologisch vorkommenden Liganden, der in vitro zu einer Öffnung des Ionenkanals führt. Die NMDA-Rezeptoren sind heteromere Komplexe aus 4 Proteinuntereinheiten. Die Aktivierung von NMDARezeptoren durch Glutamat erfordert die gleichzeitige Bindung von Glycin und D-Serin. Während des Ruhezustands ist der NMDA-R-Kanal durch Magnesium blockiert. Die Öffnung erfolgt ausschließlich bei gleichzeitiger Depolarisation und Agonistenbindung.
Welcher pharmakologische Kniff wird bei der Weiterentwicklung moderner Hypnotika angewandt? Bezüglich der Pharmakokinetik wird durch die Entwicklung von „soft drugs“ angestrebt, die Elimination organunabhängig und zeitnah bereits im Plasma oder im Zielgewebe beginnen zu lassen. Dadurch wird zum einen die Steuerbarkeit verbessert, und zum anderen werden die hämodynamischen Nebenwirkungen abgeschwächt. Den Muttersubstanzen werden zu diesem Zweck Esterverbindungen implementiert, die nach Spaltung durch Plasma-oderGewebeesterasen zur ihrer hypnotischen Inaktivität führen. Vielversprechend ist das noch nicht auf dem Arzneimittelmarkt verfügbare Benzodiazepin Remimazolam.