10-Bagger zu finden ist nicht das Problem. Das Problem besteht 1. darin, sie zu behalten und 2. sie nicht sofort wieder mit Totalausfällen zu verzocken, weil man denkt, man habe schon den nächsten 10-Bagger, so dass es auf Anhieb dann zum 100-Bagger geht.
Mein schnellster 10-Bagger hat nur wenige Monate gebraucht. Allerdings waren das nur wenige 100 Euro Einsatz. Pandatel. Als Augusta-Aktionär hat man da ein paar abbekommen. Ich war dann 2000 auf der Cebit. Auf dem Stand von Pandatel war ein ganz junger Hüpfer, ich sagte dem, dass die MK mit über einer Milliarde für diese Klitsche jetzt wohl doch übertrieben ist. Dieser - offensichtlich Null Ahnung - meinte nur, Pandatel sei unterbewertet. Ich ging dann - Mobil-Telefon hatte ich damals nochnicht - ans nächste Telefon und habe verkuaft. Gute Entscheidung. Aber die Kohle ging dann in Versager. Schlechte Entscheidung, denn der 10-Bagger war wieder ausgelöscht.
Der Neue-Markt-Crash hat viele damals auf dem falschen Fuß erwischt. Manche Lügengeschichten - wie Metabox - waren offensichtlich. Andere Ausfälle oder Abstürze waren nicht vorhersehbar; zumindest nicht die lange Dauer des Wiederaufstiegs.
Von Kostolany stammt der Spruch: Wer viel Vermögen hat, kann spekulieren. Wer kein Vermögen hat, muss spekulieren. Wer nur wenig Vermögen hat, darf nicht spekulieren.
Es stellt sich die Frage was sind Aktien wie OTI? Eine Spekulation oder eine rationale Investitionsentscheidung für Menschen, die sich die Mühe gemacht haben, über Jahre Fakten zu sammeln und die deshalb ein größeres Wissen über das Unternehmen haben, als jedweder Analyst, der sich solche Klitschen gar nicht ansieht?
Peter Lynch sagte einmal, dass es für einen Fondsmanager leichter ist, mit General Electric 30% Miese zu machen, als mit einer unbekannten Aktie. Wenn GE 30% fällt, frägt jeder: Was ist jetzt wieder los mit GE. Wenn aber eine unbekannte Aktie 30% Miese macht, dann fragt Dein Chef: Was ist los mit Dir?
Es gab Zeiten, da galt eine Deutsche Bank als erzkonservative Geldanlage. Dann gab es Zeiten, da war Wirecard mehr wert als die Deutsche Bank. Und von der MK her ist die DB heute eine Klitsche, mit der Aktionäre ähnlich dick im Minus stehen können, wie mit OTI.
Ich kann mich auch an Friedhelm Busch von der Telebörse erinnern, als er bei Kursen um 400 Euro mal sagte: Eine Allianz ist ne Allianz ist ne Allianz. Wer damals gekauft hat, ist noch immer im Minus. Einziger Trost: Die schöne und regelmäßige Dividende, die bei Aktien wie OTI leider nicht fließt....
Oder nehmen wir das Thema Immobilien: Auch da gab es Jahrzehnte wo man als Käufer im Minus sein konnte. Selbst gute Häuser oder ETWs wollte lange Zeit keiner und dann kommt immer wieder die Zeit, wo selbst Schrottimmobilien zu Mondpreisen gehandelt werden...
Was Deine Freunde anbelangt, die noch immer den 50 oder 100-Bagger suchen: Wahrscheinlich hatten die diesen schon in Händen, aber nicht die Geduld, durchzuhalten. Ich hatte den 1000-Bagger Nemetschek auch schon in Händen und 2005 oder 6 als 10-Bagger verkauft. Warum habe ich Nemetschek verkauft: Anwort: Weil ich nicht genug Stücke von denen hatte. Mehr Stücke und über einen längeren Zeitraum auch bei fallenden Kursen zugekauft und ich wäre dicker dabei gewesen und hätte dann eine Stückzahl "für immer" gehabt.
OTI hatte ich auch bereits mehrmals und bin immer dann raus, wenn die mal wieder viel versprochen und nix geliefert haben. Ich bin wieder mit meinem alten Betrag dabei, der aber nun für eine viel, viel höhere Stückzahl gereicht hat, weil der alte Betrag aufgrund eines zwischenzeitlichen 3-Baggers und niedriger OTI-Kurse nun für viel mehr Stücke gereicht hat.
Für mich können Aktien, in Situationen wie derzeit OTI, ein rationales Investment sein, weil ich unterstelle, dass hier keine Betrüger wie bei Wirecard am Werk sind. Wenn aber der Laden seriös ist, dann stellte ich mir die Frage, ob er nicht mehr wert sein sollte, als die F+E Ausgaben von rund 3 Jahren. Haben die wirklich Null immaterille Werte geschaffen? Arbeiten die Leute bei OTI nur, damit sie weg von der Straße oder von ihrer Alten sind?
Ich vergleiche Unternehmen wie OTI gerne mit Bio-Tech-Unternehmen. Die forschen und forschen und forschen und verbrennen nur Geld. Plötzlich haben sie das richtige Produkt und eine Klitsche ist binnen Kürze 100 Milliarden wert. Mit Software - wegen Buffets Abneigung für Software habe ich das lange nicht erkannt - ist das ähnlich. Es kostet Zeit und Geld eine gute Software zu entwickeln und in den Markt zu drücken. Aber wenn die Software dann mal akzeptiert ist, dann gehen die Margen extrem hoch, da für jede verkaufte Software-Einheit nur noch die Kosten für die Bearbeitung eines Klicks anfallen.
Das Risiko bei Unternehmen wie OTI besteht in der oftmals dünnen Kapital-Decke. Das gilt sowohl für Geld-Kapital als auch für das Human-Kapital. Apple, FB, Amazon, Msft etc. können sich die besten Köpfe der Welt kaufen. Unternehmen wie OTI müssen entweder auf Technik-begeisterte Idealisten setzen oder einfach hoffen, dass sie eine kluge Führungskraft finden, die Erst-Liga tauglich ist und für den Lohn der Dritten-Liga spielt.
Dann noch Ivy: Ein Großaktionär kann eine Chance sein. Er schaut den Managern aus Eigeninteresse besser auf die Finger, als angestellte Manager, die sich gegenseitig kontrollieren. Was Daimler im Gegensatz zu BMW fehlte war ein Großaktionär. Daimler könnte so viel Geld in der Kasse haben wie Apple. Aber die haben es in den 1980ern und 1990ern und dann mit Crysler mit aller Gewalt verblödelt. Mit AEG teuren Elektro-Schrott gekauft. Dornier wegen hastig gemachter Verträge mehrmals bezahlt..... und mit Crysler eine Braut geheiratet, die, nachdem sie aus der Dusche kam und ohne die vielen Kilo Schminke dastand, furchbar hässlich war.....
Aber ein Großaktionär kann auch zum Problem werden, wenn er die Mehrheit behalten möchte, aber zu kleine Geldtaschen hat und deshalb nicht dafür sorgen kann, dass ein Unternehmen sein Potential entfalten kann.
In dem Forum geht es um OTI; aber es geht immer auch um Börse allgemein. OTI ist ein Extrem aus dem man für die Zukunft lernen kann. Entweder, dass sich Halten, Vertrauen, eigenes Recherchieren und Warten lohnt, oder: dass man die alte Regel beherzigen sollte, nie in ein fallendes Messer zu greifen und nur jene Aktien kaufen darf, die steigen.
Und auf Deine extrem erfolglosen Freunde bezogen:
Selbst rational durchdachte Investments können schiefgehen. Unternehmen setzen oft alles auf eine Karte, nämlich auf ihr Unternehmen. Aber wer beim Investieren zum Spieler wird, verliert immer und hat wohl beim Lotto oder im Spielkassino bessere Chancen, denn dort steht im Kleingedruckten zumindest der Risikohinweis.....
mfg
Melissengeist2.0