Mitte Juni haben wir uns zuletzt Nokia angesehen. Damals waren wir alles andere als begeistert von der Aktie. Wer aufgrund dessen die Aktie nicht gekauft hat, hat auf knapp 20 Prozent Kursgewinn verzichtet. Vorausgesetzt, er hat den zwischenzeitlichen Kursverfall um rund 30 Prozent übertaucht und beim absoluten Tiefstpunkt des Nokia-Kurses nicht panikartig verkauft. Erst in den vergangenen 14 Börsetagen ging es mit der Aktie bergauf.
Ansichtssache. Dabei war das Quartalsergebnis alles andere als schön: Der Verlust stieg von knapp einer Milliarde €im ersten Quartal auf 1,4 Milliarden €im zweiten -das ist übrigens vier Mal so viel wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Was positiv gewertet wurde: Der Umsatzrückgang konnte gestoppt werden. Der Absatz bei den Smartphones ging allerdings weiterhin rapide zurück. Der Durchschnittspreis je Gerät fiel von 62 €auf 48 €. Von einer echten Besserung kann also nicht die Rede sein. Womit jedoch die wenigsten Analysten gerechnet hatten: Nokia verfügt über 4,2 Milliarden €an Barmittel -deutlich mehr als erwartet. Letztlich war es auch diese Nachricht, die der Aktie Auftrieb verlieh. Dass es mit dem Papier weiterhin aufwärtsging und eventuell noch geht, wird auch mit Leerverkäufen begründet. Jetzt müssen Aktien nachgekauft werden -koste es, was es wolle.
Strategie. Wie sieht es mit der Strategie von CEO Stephen Elop aus? Er rechnet selber mit herausfordernden Monaten. Ein massiver Personalabbau -bekanntlich die einfachste Form, Kosten zu reduzieren -wird vorerst zum Kostenfaktor. Bei den Produkten müssen die Smartphones, allen voran das kürzlich als Aushängeschild auf den Markt gebrachte Lumia 900, verramscht werden. Auch Modelle mit dem Betriebssystem Symbian liegen noch auf Lager und werden wohl zu Dumpingpreisen angeboten. Damit soll Platz geschaffen werden für neue Modelle mit dem Betriebssystem Windows Phone 8. Die Idee, diese Smartphones über exklusive Partner anzubieten, ist nicht wirklich neu. Und funktioniert bei einem Lifestyle-Konzern wie Apple, aber nicht bei einem Konzern mit dem Image eines technologischen Verlierers.
Was für Nokia ins Treffen geführt wird, sind 30.000 Patente. Der aktuelle Patentstreit zwischen Apple und Samsung zeigt, wie wichtig es ist, hier ein breites Portfolio zu besitzen. Nokia hat auch schon begonnen, dieses Tafelsilber zu verklopfen: 500 Patente gingen für 22 Millionen $an einen US-Verwerter. Holt dieser mehr als den Kaufpreis raus, ist Nokia mit 35 Prozent beteiligt. Kolportiert wurde ein Wert von 600 Millionen $.Allerdings hat kürzlich auch Kodak geglaubt, sein geistiges Eigentum teuer verscherbeln zu können. 1100 Patente für die Bearbeitung und Speicherung digitaler Bilder wurden von Kodak mit 2,6 Milliarden$ bewertet. Das bisherige Höchstgebot beläuft sich auf 250 Millionen $. Das große Geld wird Nokia also nicht einfahren. Die Strategie der Finnen ist also am ehesten mit "Copy &Paste" -also dem Kopieren von alten Konzepten zusammenzufassen.
Fazit. Vergleichen wir Nokia wieder einmal anhand der Eigenkapitalrendite und des Kurs-Buchwertes, kommen wir auf einen fairen Preis von weniger als zwei € je Aktie. Insofern ist Nokia nach wie vor überbewertet. Das schwache Ergebnis des zweiten Quartals hat hier seinen Teil dazu beigetragen. Kurzfristige Kursanstiege -zum Teil auch ausgelöst durch letztlich dementierte Gerüchte wie die Übernahme durch Lenovo -hat es immer wieder gegeben. Dass diese Ausschläge bei einem niedrigeren Kurs prozentuell höher ausfallen, liegt auf der Hand. Somit können risikofreudige Zocker mit Nokia eventuell auf ihre Rechnung kommen. Vorausgesetzt, diese sitzen den ganzen Tag vor dem Bildschirm und verfolgen den Aktienkurs permanent. Aber das geht mit österreichischen Pennystocks zumindest ebenso gut. Mit einer soliden Investition für Kleinanleger hat dies wenig zu tun. Wer ein Investment mit entsprechender Qualität sucht, sollte ein anderes Papier wählen. Denn mit Nokia kauft man sich derzeit nur unnötige Magenschmerzen.
Quelle: Handelsblatt