"Mehr als 100 Millionen Euro auf der Bank"
Die Krise der deutschen Biotechnologie hat auch den Kurs der Morphosys-Aktie schwer getroffen. Doch der Vorstandsvorsitzende Simon Moroney zeigt sich für die Zukunft des Unternehmens und der Branche optimistisch.
jul. FRANKFURT, 13. November. In diesem Sommer hat Simon Moroney ein neues Wort auf Deutsch gelernt. Obwohl der Vorstandsvorsitzende von Morphosys das Münchener Biotechnologie-Unternehmen im Jahr 1992 mitgegründet hat und seitdem in Deutschland lebt, hat der gebürtige Amerikaner erst in diesem Jahr erfahren, was "Sippenhaft" bedeutet - am Beispiel des eigenen Unternehmens. Die Rückschläge, die GPC Biotech in den vergangenen Monaten für den Prostatakrebswirkstoff Satraplatin hinnehmen musste, ließen den Aktienkurs des Unternehmens an der Börse abstürzen und rissen auch den Morphosys-Titel mit in den Abwärtsstrudel. Während der Kurs der Aktie im Winter bei mehr als 60 Euro stand, sackte der Wert im Sommer bis auf weniger als 35 Euro ab. Mittlerweile steht der Kurs etwa bei knapp 38 Euro.
Dabei hatte das Unternehmen, das im Gegensatz zu vielen anderen in der Branche profitabel wirtschaftet, durchaus solide Zahlen vorgelegt. Aufgrund einer Meilensteinzahlung des Partners Novartis konnte der Umsatz im dritten Quartal um 24 Prozent auf 15,5 Millionen Euro gesteigert werden. Und auch die Anfang des Jahres von Moroney angekündigten sieben neuen Programme zur Wirkstoffentwicklung sollen bis Dezember in die Tat umgesetzt werden.
Das Geschäftsmodell des Unternehmens beruht auf zwei Segmenten. Eines ist die Herstellung von Forschungsantikörpern. Sie werden als biologische Werkzeuge im Labor benutzt, um Moleküle zu markieren, zu binden oder zu isolieren. 66 Prozent des Umsatzes macht Morphosys jedoch mit sogenannten therapeutischen Antikörpern. In dieses Feld will Morphosys in Zukunft auch stärker investieren. "Ich sehe hier die größeren Marktchancen", sagt Moroney. Das Unternehmen verfügt über eine Bibliothek, die mehr als 10 Milliarden Antikörper umfasst (HuCAL). Morphosys kann diese Antikörper identifizieren, herstellen und optimieren und versucht in Partnerschaft mit Pharma-Unternehmen, Wirkstoffe zur Behandlung von Krankheiten daraus zu entwickeln. Mittlerweile hat Morphosys 48 Entwicklungsprogramme laufen, die meisten davon in der Präklinik, vier befinden sich in der Phase I, der ersten von drei obligatorischen klinischen Phasen, die jedes neue Medikament vor seiner Zulassung durchlaufen muss.
Zu den Partnern von Morphosys gehören neben großen Pharmakonzernen wie Novartis, Bayer oder Pfizer auch andere Biotech-Unternehmen - zum Beispiel GPC Biotech. Moroney glaubt, dass wegen dieser Partnerschaft auch Morphosys auf Talfahrt geschickt wurde, wenn die Nachbarn aus München Martinsried wieder schlechte Nachrichten verkünden mussten. "Wir haben Antikörper an GPC Biotech geliefert und dafür Meilensteinzahlungen erhalten", sagt Moroney. Meilensteinzahlungen fließen immer dann, wenn ein Partner eine weitere Stufe in der langwierigen Entwicklung eines Medikaments nimmt. Allerdings trage Morphosys in dieser Partnerschaft nur ein geringes finanzielles Risiko. "GPC ist vertraglich verpflichtet, den Wirkstoff weiterzuentwickeln. Wenn sie es nicht tun, müssen sie uns die Rechte zurückgeben", erläutert Moroney. In dem Fall könnte Morphosys die Entwicklung des Medikaments entweder selbst weitertreiben oder eine Partnerschaft mit einem anderen Unternehmen eingehen.
Morphosys unterscheidet sich neben seiner Reife - mit 15 Jahren gehören die Münchner schon zu den "Traditionsunternehmen" in der jungen deutschen Biotech-Branche - auch durch sein gutes Risikoprofil. Während viele Wettbewerber ihre Energien und finanziellen Mittel auf die Entwicklung eines Hoffnungsträgers konzentrieren und damit ein sehr hohes Risiko eingehen, ist Morphosys mit seinen 48 Entwicklungsprogrammen sehr viel breiter aufgestellt. "Die Nachfrage für HuCAL ist sehr stark. Ich sehe 2008 gute Chancen für neue Partnerschaften", sagt Moroney. Wie in den vergangenen Jahren soll die Pipeline auch 2008 wieder um mindestens 30 Prozent wachsen. Moroney ist auch zuversichtlich, dass weitere Wirkstoffe schon bald in die klinische Phase I eintreten werden, will sich aber vor Jahresbeginn nicht genauer festlegen.
Den derzeitigen Vertrauensverlust der Anleger in deutsche Biotech-Unternehmen sieht Moroney relativ gelassen. "Ich habe keine Angst, Morphosys hat noch mehr als 100 Millionen Euro auf der Bank", sagt Moroney. Mit den Erfolgsnachrichten würden auch die Investoren wieder zurückkommen, glaubt er. "An der deutschen Biotech-Branche führt kein Weg vorbei", sagt er selbstbewusst "Es gibt zu viele Innovationen, zu viel Geld und zu viele gute Leute, als dass es mit uns langfristig schiefgehen könnte."