Warum wird der Stabilitätspakt geändert?
Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hat viele Euro-Länder in erhebliche Turbulenzen gestürzt. Griechenland geriet an den Rand der Zahlungsunfähigkeit, auch Länder wie Portugal und Irland hatten zunehmend Schwierigkeiten, sich an den Kapitalmärkten zu refinanzieren. Schließlich spannte die EU gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds einen Rettungsschirm von insgesamt 750 Mrd. Euro.
Die Garantien des Fonds gelten aber bislang nur bis Mitte 2013. Aus Sorge vor erneuten Schuldenkrisen soll nun ein dauerhafter Krisenmechanismus geschaffen werden. Die deutsche Regierung reagiert mit der Neuregelung auch auf Verfassungsklagen gegen die Finanzhilfen. Die Kläger sehen in den Hilfen einen Verstoß gegen die "No-Bailout"-Klausel in Artikel 125 des Lissabon-Vertrags. Ihm zufolge haften EU-Staaten nicht für Schulden eines Mitgliedes haften.
Zugleich wollen die EU-Länder die Haushaltsdisziplin der Mitgliedsstaaten besser überwachen. Besonders im Falle Griechenlands hatten sich die bestehenden Mechanismen als wenig effektiv erweisen. So war schon der Beitritt des Landes zur Eurozone unter Angabe von falschen Zahlen zum Haushaltsdefizit erfolgt.
Wie sieht der Rettungsmechanismus aus?
Die genaue Form des künftigen Sicherheitsnetzes steht noch nicht fest. Bis zum nächsten EU-Gipfel im Dezember will EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy dafür Vorschläge erarbeiten. Dabei wird es vor allem darum gehen, gegenseitige Hilfen der EU-Länder auf eine rechtlich solidere Basis zu stellen. Das es diese bislang nicht gibt, zeigte sich unter anderem an der Weigerung der Slowakei, sich an den Finanzhilfen für Griechenland zu beteiligen.
Van Rompuy wird überprüfen, welche Änderungen der EU-Verträge für den Rettungsmechanismus notwendig sind. Diese sollen möglichst klein ausfallen, unter anderem um erneute Referenden über die Verträge in Mitgliedsländern zu vermeiden. Auch soll die No-Bailout-Klausel in Artikel 125 nicht angerührt werden. Stattdessen könnte Artikel 122 geändert werden, der bislang nur gegenseitige Hilfen bei Energieengpässen oder Naturkatastrophen erlaubt. Diese Ausnahmen könnten nun um Fälle ergänzt werden, in denen die Finanzstabilität des Euro-Raumes gefährdet ist.
Rutscht eine Staat in die Zahlungsunfähigkeit, sollen in Zukunft auch private Investoren an seiner Entschuldung beteiligt werden. Finnland schlug am Donnerstag vor, alle Bond-Emissionen in der Eurozone mit sogenannten Collective Action Clauses zu versehen. Durch diese könnte eine Mehrheit der Anleger eine Umschuldung beschließen, die dann für alle Bondbesitzer verbindlich wäre.
Welche Sanktionen sind geplant?
Zu dieser Frage hat eine Arbeitsgruppe unter Leitung von Ratspräsident Van Rompuy bereits detaillierte Vorschläge erarbeitet. Künftig soll die EU früher eingreifen können, wenn ein Mitgliedsland sich auf Verschuldungskurs befindet. Das soll auch dann möglich sein, wenn die Defizitgrenze von drei Prozent noch nicht erreicht wurde. Ist die Drei-Prozent-Hürde gerissen, sollen Sanktionen wie die Hinterlegung eines Pfandes oder ein Bußgeld zudem füher verhängt werden können.
Mit Hilfe eines Frühwarnsystems will die EU außerdem früher gegensteuern, falls in einzelnen Ländern Krisen drohen. So sollen etwa Immobilienblasen wie in Spanien oder Irland rechtzeitig erkannt werden. Auch die gesamtstaatliche Verschuldung soll besser überwacht werden. EU-Länder müssen nicht nur ihre Neuverschuldung begrenzen, sondern auch die Schulden aus der Vergangenheit konsequenter reduzieren.
Welche Forderungen sind gescheitert?
Die beschlossenen Sanktionen müssen in den meisten Fällen wie bisher von den EU-Finanzministern mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden. Die Forderung nach automatischen Sanktionen gab Bundeskanzlerin Merkel auf Drängen von Sarkozy auf. Damit verärgerte sie auch ihren Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP), dessen Partei einen Automatismus gefordert hatte.
Vorerst gescheitert ist auch der deutsch-französische Plan, Defizitsündern notfalls die Stimmrechte zu entziehen. Diese Forderung von Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy war vor allem bei kleineren Ländern auf heftigen Widerstand gestoßen.
Ebenfalls in weite Ferne gerückt sind Forderungen nach einem eigenen Europäischen Währungsfonds. In der Bundesregierung hatten vor allem Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) eine solche Institution gefordert, welche in einer Art geordneter Insolvenz zahlungsunfähige Euro-Staaten abwickeln könnte.
Gruß S.