m Sommer 2002 wandelte sich der
US-Telekommunikationskonzern
Worldcom vom Superunternehmen
zum Buhmann der Branche. Das
Unternehmen hatte 30 Milliarden
Dollar Schulden angehäuft und mithilfe
von Falschbuchungen 3,8 Milliarden
Dollar fiktive Gewinne erzeugt.
Worldcom war zahlungsunfähig und
stellte vor einem New Yorker Gericht
Insolvenzantrag nach Chapter 11.
Während eines solchen Verfahrens
nach Kapitel 11 des amerikanischen
Insolvenzrechts kann ein Unternehmen
seine Geschäfte fortführen. Das
Insolvenzgericht gewährt der Firma –
zeitlich begrenzten – Schutz vor ihren
Gläubigern, damit sie sich reorganisieren
kann. Außerdem wird in der
Regel zusammen mit den Gläubigern
ein Sanierungskonzept erarbeitet, das
ebenfalls vom Insolvenzgericht geprüft
wird. Um wieder auf die Beine
zu kommen, darf das Management
dann weitere Kredite beantragen. Die
neuen Gläubiger haben Vorrang vor
allen anderen Kreditgebern.
In europäischen Ländern wie
Frankreich und Deutschland haben
die Regierungen ihr Insolvenzrecht
dem amerikanischen Vorbild angepasst
und geben damit Sanierungsbemühungen
ein stärkeres Gewicht.
In Deutschland können insolvenzbedrohte
Unternehmen seit 1999
Schutzrechte beantragen. Wie in den
USA dürfen die amtierenden Manager
unter bestimmten Umständen auch
weiterhin die Geschäfte führen. Allerdings
wenden die deutschen Konkursrichter
die entsprechende neue
Regel kaum an. Stattdessen leitet ein
Insolvenzverwalter die Firma.
Trotz der Änderungen melden Unternehmer
in Deutschland Insolvenz
meist erst an, wenn es zu spät ist. Das
ist in den USA anders. Darum sind
dort vermutlich auch die Sanierungsbemühungen
erfolgreicher.
So schafften es die Fluggesellschaften
TWA und Continental durch die
Sanierung, die Konkurrenz zu unterbieten.
Ein maroder Stahlkonzern
durchlebte gleich zwei Chapter-11-
Phasen und kaufte schließlich einen
seiner einst mächtigen Konkurrenten.
Vor allem die Beispiele ineffizienter
Unternehmen, die nach der staatlich
gestützten Sanierung ihre Wettbewerber
dominierten, bringen Kritiker auf
die Palme. Die Schutzfunktion sei
branchenschädigend, schrieb der
Krisenmanager David N. James im
Harvard Businessmanager (Heft
5/2002, Seite 80 – 89). Weil die Schuldner
ihre Gläubiger zunächst nicht
mehr fürchten müssten, könnten sie
ihre Preise senken und der Konkurrenz
Kunden abjagen. Auf diese Weise
würden ganze Branchen geschwächt
und das Preisgefüge verzerrt.
Auf Kritik stößt vor allem die
Unterstützung von Unternehmen wie
Worldcom, die ihre Krise durch massiven
Betrug verschuldeten. So sieht
J. Gregory Sidak vom American Enterprise
Institute for Public Policy Research
die Telekommunikationsbranche
doppelt gestraft. Erst durch den
Betrug – und künftig durch die effiziente
neue Struktur des Unternehmens.
Weitgehend von seinen Schulden befreit,
werde Worldcom die Preise der
Wettbewerber unterbieten können.
Allerdings nicht unbedingt weltweit:
Wenn Worldcom den Chapter-
11-Schutz verlässt und seinen Geschäften
in der EU nachgeht, könnten
die Wettbewerbshüter laut Sidak den
Artikel 87 des EG-Vertrages verletzt
sehen. Der Vertrag verbietet Quersubventionen
– und der staatlich
unterstützte Schuldenerlass sei nichts
anderes. Michael Leitl
Was ist …