FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
DONNERSTAG, 03. DEZEMBER 2015
FINANZMARKT
Banken sehen Riesenpotential in Bitcoin-Technik
Wie beim Handel mit der virtuellen Währung könnten bald auch Wertpapierkäufe in Echtzeit abgewickelt werden
kann. Frankfurt, 2. Dezember. Der Wertpapierhandel könnte schon in wenigen Jahren viel schneller gehen als heute. Der Kunde muss sich dann keine Gedanken mehr darüber machen, wie er sich gegen eventuelle Kursschwankungen zwischen seinem Auftrag und dem tatsächlichen Kauf absichern kann. Die Technik Blockchain soll die Abwicklung in Echtzeit ermöglichen und so billiger und effizienter machen. Die Deutsche Bank hat nach eigenen Angaben gerade eine Blockchain entwickelt, mit der sich Unternehmensanleihen schneller und kosteneffizienter handeln lassen als bisher. Das sei aber nur einer von vielen denkbaren Verwendungszwecken, sagt Rhomaios Ram, der in der Deutschen Bank die Produktentwicklung im globalen Transaktionsbankgeschäft leitet. Bis Kunden davon profitieren können, müssen noch viele Experimente durchgespielt und alles auf das geltende Recht abgestimmt werden.
Bislang wird die Blockchain-Technik vor allem für die virtuelle Währung Bitcoin verwendet. Wenn zwei Nutzer mit dieser Währung handeln, wird ein Datenblock in der Datenblockkette so die deutsche Übersetzung von Blockchain geändert. Alle übrigen Nutzer bekommen das mit, so dass jeder immer weiß, wer gerade wie viele Bitcoins hat. Im Grunde lässt sich die Methodik für alles durchspielen, was sich als Datensatz ausdrücken lässt, also auch für Wertpapiere. Für den Anleihehandel hat die Deutsche Bank, wie zuvor schon die UBS, sogenannte Smart Bonds entwickelt. Sie sollen über ihre gesamte Laufzeit nachverfolgbar bleiben, auch wenn sie innerhalb der Blockchain den Besitzer wechseln, und Kuponzahlungen automatisch ausschütten.
Fast alle Großbanken forschen derzeit, wie sie die Blockchain-Technologie für sich nutzen können. Mehr als 20 von ihnen aus aller Welt, darunter die Deutsche Bank, die Commerzbank, Goldman Sachs, JP Morgan und UBS, haben sich im Sommer unter dem Dach des amerikanischen Fintech-Unternehmens R3 zu einer Kooperative zusammengeschlossen und tauschen sich über ihre Fortschritte in der Erforschung der neuen Technik aus. Der New Yorker Börsenbetreiber Nasdaq hat im Sommer angekündigt, die Blockchain-Technik für einzelne Handelsbereiche zu verwenden. Denn das Schlimmste, was den Banken und Börsen passieren könnte, wäre, dass ein anderer Blockchain-Entwickler sie überflüssig macht. Schließlich ist die Grundidee die Vernetzung von Nutzern, ohne dass eine zentrale Abwicklungsstelle nötig ist.
Deutsche-Bank-Manager Ram spielt diese Gefahr freilich herunter. Für viele Marktteilnehmer werde bei allen technischen Freiheiten das Vertrauen im Wertpapierhandel eine große Rolle spielen. Das könnten Banken als Intermediäre in dem System bieten. Anders als in anderen Internetbereichen glaube er nicht, dass bei der Blockchain-Technik ein Anbieter als alleiniger Sieger dominieren werde. Viele Unternehmen machten die Technik für ihre eigenen Zwecke nutzbar. Es ist ein Riesenpotential. Wichtig sei, dass die einzelnen Datenketten am Schluss miteinander verbunden werden könnten. In zehn Jahren werden wir über unsere ersten zaghaften Schritte mit der Blockchain lachen, weil jeder sie überall nutzt.
Die Aufsicht ist auf der Hut. Schon im Juli hat die Europäische Wertpapieraufsicht Esma die großen Banken gefragt, was sie mit der neuen Technologie vorhaben. Schließlich wird die Anonymität im Bitcoin-System schon jetzt für Terrorfinanzierung und Geldwäsche missbraucht. Ram sagt dazu, dass Blockchains auch mit nicht anonymen Nutzern funktionierten dann sei jede Transaktion sogar besser als heute nachzuverfolgen.