Anleihe-Investoren verwalten riesige Summen. Ihr globales Anlagevolumen ist schätzungsweise fünf Mal größer als die globale Marktkapitalisierung aller Aktienmarktes. Sie gehen bei ihren Käufen und Verkäufen in der Regel streng fundamental vor (ähnlich Malko hier im Thread).
Es ist daher etwas dran am Bonmot, dass die Anleger-Intelligenzia im Bond-Markt agiert, während sich im Aktienmarkt viele Blödis tummeln. Viele dieser unbedarften Trendritter beziehen ihr Halbwissen aus von Fonds-Werbung lebenden Gazetten wie Euro am Sonntag, Börse Online und (in USA) von CBS-Bubblevision sowie Blasen-Guru Jim Cramer. Wenn es ganz schlimm kommt, reiten sie grenzdebil die vermeintlichen "Profi-Trends" nach, die ihnen Godmode "gottgleich" zuraunt.
Ähnliche geistige Tiefflieger agieren im Rohstoff-Markt - und je dämlicher sie sind, desto "fundamentaler" gerieren sie sich dabei (bei Höchstständen typischerweise am euphorischsten). Sie machen sich unwissentlich zu trendverstärkenden Helfershelfern von Oberzockern wie GS, die in den letzten Jahren Märkte aller Art - insbesondere im Rohstoff-Sektor - in ein riesiges Casino umgewandelt haben. Ex-Bundespräsident Köhler sprach zu Recht von einem "Monster-Markt".
Die seit 20 Jahren währende Blasen-Politik der Fed und anderer Zentralbanken verschaffte den Aktien-Trendrittern immer wieder Rückenwind - durch fortlaufende Zinssenkungen (inzwischen bei fast Null angelangt), ausufernde Ponzi-Staatsverschuldungen und neuerdings fast weltweites Gelddrucken (QE). Freilich sorgte die immanente Instabilität des seriellen Blasenpumpens für mehrere - und sich in letzter Zeit häufende - Mega-Einbrüche und extreme Volatiltäten, die mit dazu beitrugen, dass Kleinanleger inzwischen größtenteils aus dem Markt "herausgespült" wurden (außer aus Renten-IRA-Accounts): In USA zogen Kleinanleger - insbesondere seit dem Flash-Crash Anfang Mai - zig Milliarden aus den "Mutual Fonds" ab.
Folge: HFT-Trader sind inzwischen fast unter sich; 70 % des Aktienmarktes läuft über sie. Die Aktien-Anstiege seit dem März-2009-Tief gehen überwiegend auf deren High-Speed-Gezocke zurück. Den nötigen Treibstoff lieferten die Notenbanken mit ihrem unbegrenzt und nahezu kostenlos verteilten Spielgeld, das - chartgetrieben - die Normal-Illusion wieder herstellen sollte.
Fakt jedoch ist, dass wir seit 2007 keine "normalen Zeiten" mehr haben. In normalen Zeiten
bewegen sich der Anleihemarkt und der Aktienmarkt spiegelbildlich. Viele Profis steigen an Aktien-Hochs rechtzeitig auf Anleihen um. 2000 (und 2007) war das ein Super-Deal: In beiden Fällen vermieden sie nicht nur, mit den Aktien in Teufels Küche zu reiten (Nasdaq hatte sich von 2000 bis 2003 gefünftelt), sondern konnten sich obendrein über erhebliche Kursgewinne länger laufender Anleihen freuen, da diese mit jeder Panik-Zinssenkung Grünspans bzw. Bernankes stiegen.
Stattdessen werden in der seit März 2009 laufenden Echo-Blase mit dem Billiggeld der Zentralbanken und QE alle Assetklassen gleichzeitig gen Norden getrieben. Es ist z. B. schlechterdings absurd, dass dieser Tage Aktien, Anleihen, Rohstoffe und Gold gleichzeitig Mehrmonats-Hochs erklommen haben.
Kurstreiber ist offenbar die Erwartung von QE II (siehe meine anderen Postings von heute), mit dem auch Hatzius, der Chefökonom von GS, rechnet: Die Fed soll gemäß Hatzius für mindestens eine weitere Billion Dollar US-Staatsanleihen kaufen (bezahlt mit "out-of-thin-air"-Festplattengeld). Dieses Geld fließt dann über die Regierung, die das Geld aus den Staatsanleihen-Auktionen vereinnahmt, in weitere Stimulationsprogramme wie Erleichterungen für Housing-Schuldner, Steuergeschenke für Haus-Neukäufer, Foodstamps, Verlängerung von AL-Geld, Infrastrukturprojekte usw. Mit anderen Worten: Es ist eine Neuauflage des Stimulus, nachdem sich die Wirkung des letzten (der wenig brachte, siehe AL-Zahlen) langsam in Luft auflösen.
An den Märkten führte die Erwartung frischer Fed-Sterntaler in den letzten Wochen zu neuerlichen - fundamental widersinnigen - Parallelanstiegen in allen Assetklassen. Aktienbullen a la Grüner wähnen die neue Mega-Hausse, Gold-Gurus den Kollaps des Papiergeldsystems, Soft-Commodity-Heins die ultimative Nahrungskrise durch Knappheit ("stimuliert" durch die Russland-Brände), Öl- und-Fuzzis eine preistreibende Konjunkturbelebung usw. usf.
D.h. jeder dieser "Anleger" legt sich die Entwicklungen so aus, wie sie in sein vorgefertigtes Konzept passen. Die einen setzten auf Inflation, die anderen auf Deflation - und niemand scheint sich an den Widersprüchen zu stören, solange sämtliche Assets in trauter Einigkeit steigen.
Es dürfte aber jetzt schon klar sein, dass einige dieser Anleger falsch liegen werden. Was die Frage aufwirft: Wer wird der Depp der anderen sein?
MMn werden am Ende - wie so oft - die von Haus aus smarteren Bond-Anleger richtig liegen. Sie haben mit den starken Kursanstiegen der Langläufer (in Europa wie USA) bislang auf künftige Deflation gesetzt. Der Bondmarkt ist seit der PIIGS-Krise im Frühjahr in einem Stadium "nervöser Vorsicht": Der Bund-Future stieg gestern sogar auf über 130 (Chart unten). Normal ist das nicht.
Die einschlägigen Dumm-Bullen stricken daraus die Spin-Story, dass die vielen "falsch liegenden Bondanleger" bald mit den Mickerzinsen nicht mehr zufrieden sein werden, weil ja im vermeintlich unterbewerteten Aktienmarkt stellare Kursgewinne winken, die sie nicht verpassen wollen. Also, so die Mär weiter, werden sie bald zu Höchstkurse die Pferde wechseln. Merkwürdig nur, dass sie dieser Versuchung 2000 und 2007 so standhaft - und letztlich überaus einträglich - widerstanden haben...
FAZIT:
Die Börsen-Historie lehrt uns, dass Bondanleger fast immer die smarteren Investoren waren. Dies gibt ihrer fundamental gut begründeten Deflations-Erwartung, die sie in die Bondkurse eingepreist haben, zusätzliche Kredenz.
Ich rechne daher damit, dass sich die "Divergenzen" aus den fundamental sinnlosen Parallel-Anstiegen in allen Assetklassen wie folgt auflösen werden:
(Staats)-Anleihen: weiter rauf (bis 2 % Zinsertrag auf 10-jährige), zumindest seitwärts auf hohem Niveau. Das gilt aber nur für Anleihen bester Güte. Insbesondere die absurd hochgepushten Junkbonds und Anleihen von Wackelstaaten könnten im Falle weiterer Groß-/Staatspleiten empfindlich einbrechen, im Falle Griechenlands womöglich sogar dauerhaft.
Aktien: nach der jüngsten technischen Erholung weiter runter (bis mindestens 25 % unter dem Zwischentop von April). Im Fall einer Doppel-Dip-Rezession in USA ist ein 50 % Retracement der Erholung seit März 2009 oder gar ein Retest möglich.
Rohstoffe/Öl und m. E. Gold: Kursrückgänge parallel zu denen des Aktienmarktes.
Die erwartete Geldflutung aus QE II hat die Märkte (quer Beet) bereits im Vorfeld beflügelt. Dies führte dazu, dass die sich fortlaufend verschlechternden Fundamental- und Stimmungs-Daten aus USA widersinnigerweise zu weiteren Aktienanstiegen führten, da jede schlechte Zahl die neue Liquiditätsflut der Fed wahrscheinlicher macht. Doch solche Anstiege stehen buchstäblich auf tönernen Füßen stehen. Wir sahen es bei früheren Liquditätsrallyes (wie 2007), die abrupt endeten, wenn "unerwartet" die Liquidität wegbricht und einer "Trockenstarre" am kurzfristigen Geldmarkt (commercial paper) weicht. Zuletzt sahen wir es in Mai/Juni im Gefolge der PIIGS-Krise.
In den nächsten Monaten müssen erhebliche Mengen an frischem Kapital aufgenommen werden (u.a. bei vielen EU-Banken), weil alte Anleihen auslaufen. Wenn die Emissionen schleppend oder gar enttäuschend verlaufen, kann es im Nu zu einer neuen Trockenstarre am Geldmarkt kommen. Die Märkte sind und bleiben hypernervös. Das weltweit (noch) verfügbare Investorengeld ist endlich, während der Geldbedarf von Staaten und Firmen im Vergleich dazu geradezu "unersättlich" scheint.
MMn preist der extrem hochstehende Bund-Futures eine solche krisenhafte Entwicklung bereits ein. Ein Stand von über 130 ist alles andere als beruhigend - und eine gefährliche Divergenz zu den Blasen in anderen Assets inkl. Aktien (speziell DAX).
Wenn sich die Historie wiederholt - wofür Vieles spricht - werden die Anleihe-Anleger mal wieder Recht behalten.