Kolumne
Münchau - Der nächste Immobilienknall
Die Krise ist vorbei, denken Sie? Weit gefehlt. Damit sie zu Ende geht, müssten sich die US-Häuserpreise stabilisieren. Das Gegenteil ist der Fall. Der Double Dip steht vor der Tür.
von Wolfgang Münchau
Es ist Sommer, und Sie sind sicher nicht mehr in Krisenstimmung. Der Ifo-Geschäftsklimaindex steigt in Richtung eines Rekordhochs. Die Stimmung in der deutschen Industrie ist blendend. Die Stresstests für die Banken sind vorbei, die deutschen Institute haben mit nur einer Ausnahme bestanden - und selbst diese war nicht sonderlich überraschend. Es hat den Anschein, dass der Höhepunkt dieser heftigen Finanzkrise jetzt überschritten ist.
Na denn, träumen Sie weiter.
Wer diese Krise jetzt schon hinter sich wähnt, hat deren tief liegende Ursachen nie begriffen. Und diese wesentlichen Gründe bestehen nicht nur fort, sie werden sich in den nächsten Jahren zum Teil noch verschärfen. Daher ist die Warnung, dass die Krise wiederkehrt, mehr als nur eine Prognose. Sie ist eine Aufforderung an die Verantwortlichen, die Fehler der Wirtschafts- und Finanzpolitik der vergangenen Jahre geradezubiegen. Da man allerdings kein Vertrauen in die internationale Zusammenarbeit auf diesem Gebiet setzen sollte - und noch weniger in die Kompetenz nationaler Regierungen, gerade hier in Europa -, bin ich nicht optimistisch, dass man eine Rückkehr der Krise verhindern kann.
Meine vierteilige Sommerserie widmet sich dieser Argumentation in den kommenden vier Wochen detailliert. Im Auftaktstück geht es um den Immobilienmarkt - der die erste Welle der Finanzkrise vor ziemlich genau drei Jahren auslöste.
In den USA sind den jüngsten Daten zufolge die durchschnittlichen Häuserpreise seit ihrem Höchststand im Jahr 2006 um knapp 30 Prozent gefallen. Bei den gewerblichen Immobilien betrug der Verfall sogar rund 40 Prozent. Damit hat man zwar die Immobilienblase nicht vollständig neutralisiert, aber ein Großteil der Abwärtsbewegung liegt jetzt hinter uns. Seit Ende vergangenen Jahres haben sich die Preise stabilisiert. Der Case-Shiller-Index, der die Veränderung der Häuserpreise bis zum April abbildet, verzeichnete sogar zuletzt einen leichten Anstieg.
Immobilienstatistiken sollte man aber mit einiger Vorsicht genießen. Es handelt sich bei den veröffentlichten Preisen immer nur um Transaktionspreise. Was die Statistik nicht berücksichtigt, sind Verkäufe, die nicht stattgefunden haben, weil der potenzielle Verkäufer niemanden gefunden hat, der zum Angebotspreis bereit war zu kaufen. So ist die eigentlich schockierende Statistik aus dem amerikanischen Häusermarkt die noch immer wachsende Anzahl der Häuser, die zum Verkauf stehen. Im Juni stürzte die Anzahl erfolgreicher Deals ab.
Alle Volumenstatistiken - neben den Verkäufen etwa auch die Neubauten - fallen momentan drastisch. Zuerst ändern sich die Volumina, dann erst die Preise. Preise sind in Immobilienmärkten also nachgeordnete Größen. Und die ersten Anzeichen eines erneuten Verfalls gibt es schon. Das gut informierte Immobilienblog Calculated Risk berichtete vor einigen Wochen von einer Umfrage unter Immobilienhändlern, wonach im Juni tatsächlich auch schon die Preise gefallen seien.
Was wir jetzt erleben, sind die Vorboten eines Double Dip, einer doppelten Rezession im Häusermarkt - und in den Vereinigten Staaten zumindest ist der Zyklus der Immobilienpreise eine wichtige Komponente im Wirtschaftszyklus insgesamt.
Warum aber kommt es gerade jetzt zu einem neuen Einbruch? Der Grund liegt in der Geldpolitik. Die US-Notenbank Federal Reserve hat im vergangenen Jahr für mehr als 1000 Mrd. Dollar Hypothekenpapiere angekauft, um die Wirtschaft zu stützen. Das milderte den Preisverfall. Nun ist dieses Programm jedoch ausgelaufen. Ich hatte während der Krise geschätzt, dass die Häuserpreise in den USA um ungefähr 40 Prozent fallen müssen. Wenn es eine Überbewegung gibt - was oft der Fall ist -, kann es noch schlimmer kommen. Meine Prognose steht.
In Europa dagegen sind die Häuserpreise in Großbritannien und Spanien zwar auch gefallen - aber längst nicht so dramatisch wie in den USA. In beiden Staaten spielte indes auch die Geldpolitik eine Rolle: Dort ist die Mehrzahl der Hypotheken am Kurzfristzinssatz auf den Geldmärkten ausgerichtet - im Gegensatz zu den USA und Deutschland. Durch die Zinssenkungen der EZB wurde somit der Preisverfall gedämmt. In Spanien haben die Banken die Tilgung häufig gestreckt, und mithilfe der Billigzinsen war es dann vielen Immobilienbesitzern möglich, sich noch so gerade über Wasser zu halten, obwohl sie technisch insolvent waren. Schon die geringste Zinserhöhung würde bedeuten, dass in Spanien der Immobilienmarkt zusammenzubrechen drohte. Und mit ihm Teile des Bankensystems.
In Großbritannien sind nach einer kurzen Schwächephase die Preise sogar gestiegen. Dort halfen nicht nur Billigzinsen, sondern auch die weiter bestehende physische Knappheit am Markt, bedingt durch Angebotsengpässe und die wachsende Bevölkerung. Aber auch ein solcher Markt ist nicht immun gegen Blasen, vor allem im Fall steigender Zinsen.
Die Immobilienblase war zwar nicht die tief liegende Ursache dieser Krise. Das waren die globalen Ungleichgewichte mit globalen Finanzströmen, die auf einen hochinnovativen und schlecht regulierten Markt stießen.
Aber das Ende der Immobilienkrise ist trotzdem eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für das Ende der aktuellen Finanzkrise. Solange die Preise fallen, so lange wird toxischer Kreditmüll in den Bankbilanzen vor sich hin gammeln. Die Geschichte von Hauspreisblasen lässt vermuten, dass der Abschwung ähnlich stark wie der Aufschwung sein wird und ungefähr ebenso lange dauert. Die Kurvenverläufe sind zumeist ausgeprägt symmetrisch.
Was wiederum heißt, dass das angebliche Ende des Verfalls der Häuserpreise, das man zuletzt schon als ein Anzeichen für das Ende der Krise deuten wollte, eine voreilige Entwarnung war.
Wolfgang Münchau ist FTD- und FT-Kolumnist. Er leitet den Informationsdienst Eurointelligence.
www.ftd.de/finanzen/immobilien/...mmobilienknall/50152499.html