Die Goldman-Verschwörung
Paul Farrells Artikels in Wawidus Posting # 42215 ist sehr aufschlussreich - vor allem wenn man bedenkt, dass er bei CBS Marketwatch erschien und nicht auf einer Weltuntergangs- oder Gold-Seite. Ich hab hier mal eine verkürzte und erweiterte deutsche Version geschrieben:
Farrell vergleicht das Vorpreschen von Hank "der Hammer" Paulson, US-Finanzminister unter Bush und zuvor Boss von Goldman-Sachs (GS), mit einen Film, in dem eine Schurken-Armee das Weiße Haus stürmt und die Macht an sich reißt.
Paulson wurde von GS dazu als "trojanisches Pferd" in Washington eingeschleust. Für die Machtübernahme brauchte Paulson, anders als die Schurken-Armee, keine Kalaschnikows, sondern ein 2,5 Seiten langes Papier. Mit diesem "Memo" in der Hand verlangte er im Herbst vom Kongress sofort, ohne Bedingungen oder Wenn-und-Aber die Bewilligung von 700 Milliarden Dollar, weil sonst das Weltfinanzsystem zusammenbricht und USA die Große Depression Nr. 2 erlebt. Der Kongress ergab sich widerstandlos.
Paulson hatte 30 Jahre bei GS gearbeitet, zuletzt als CEO. Sein persönliches Vermögen in Höhe von 700 Millionen Dollar, das er bei Goldman zusammengerafft und größtenteils dort angelegt hatte, drohte vor die Hunde zu gehen, wenn der Versicherer AIG nicht mittels "CDS-Versicherungen" für die Verzocker-Schäden von GS aufkommen konnte. AIG war Hauptempfänger der Bailout-Milliarden. Der "Coup" rettete somit indirekt auch das persönliche Vermögen des US-Finanzministers. Ein Interessenkonflikt, wie er krasser nicht sein kann.
Man kann sogar von einer generellen Machtübernahme von Wall Street in Washington sprechen. Die Politiker wurden zu ahnungslosen Ja-Sager in Finanzgeschäften degradiert, von deren Komplexität (CDS und CDO) sie "wenig verstehen". Der noch weit unter ihnen stehende Steuerzahler liefert die nötigen Auffanggelder, falls die gigantischen Wetten der Wall Street nicht aufgehen.
In den guten Zeiten bis 2007 lobte Paulson die mit Blasen-Geld noch wie geölt laufende US-Wirtschaft, es sei "die beste, die ich je erlebt hab". Damit hielt er sich Einmischungen der Politiker vom Leib. Die Blähungen wuchsen, und er war ihr Magier.
Nachdem die Blase geplatzt war, Banken reihenweise pleite gingen und der Karren metertief in den Dreck rutschte, änderte sich das Bild drastisch. Die Großenbanken benötigten massenhaft Schnorrgelder aus den zig TARP-, TALF- und sonstige Fed-Töpfen, weil viele sonst tatsächlich pleite gegangen wären. "Eigentlich" sollten die Banken das Geld zur Belebung der Wirtschaft weiterverleihen, aber sie haben es dann doch vorgezogen, damit ihre angeschlagene Eigenkapital-Basis zu stärken. Starke Banken sind schließlich auch "im Interesse Amerikas". Für den Konsumenten blieb so "leider" kaum was übrig. Die unter Zwangsversteigerungen ächzende Wirtschaft darbte weiter.
Als sich die Finanzkrise im Herbst 2008 weiter zuspitzte (Citi und AIG drohte die Pleite), kam "Hank the Hammers" oben beschriebener "großer Auftritt" - als aggressiver Durchblicker-Bittsteller. Nur er und seine Mannen, raunte er, können mit drakonischen Sofortmaßnahmen die drohende "Weltkatastrophe" abwenden - vorausgesetzt, der Kongress gibt ihm dazu willenlos die nötigen Milliarden. Er fiel dafür sogar vor Nancy Pelosi auf die Kniee. Etwaige Tränen, die er dabei abdrückte, waren womöglich sogar echt, denn sie galten auch seinen eigenen 700 Millionen. Da kann man ja schon mal feuchte Augen bekommen...
Mit dieser "Weltuntergangs-Heulnummer" (schönen Gruß an Libuda) erpresste Paulson vom Kongress die benötigten 700 Milliarden. Dieses Geld floss zu einem Großteil an den US-Versicherer AIG, der faktisch pleite war, mit den frischen Milliarden aber die "Versicherungsleistungen" aus den CDS-[Credit default swaps]Verträgen, die er mit den Großbanken hatte, zahlen sollte. GS und Co. hatten sich mit CDOs und ähnlichem Schrott grandios verzockt, waren aber bei AIG gegen die Ausfälle mittels CDS versichert. AIG "haftete" nun für die Verzocker-Schäden dieser Banken - wobei das Geld letztlich vom US-Steuerzahler aus dem 700-Milliarden-Paket kam. Die Beträge waren beträchtlich - allein die Deutsche Bank erhielt von AIG 12 Mrd. Dollar.
Nachdem die Banken die AIG-Zahlungen vereinnahmt hatten, wurden auf Betreiben von Wall Street zur weiteren Aufpeppung die Bilanzierungsregeln "entschärft". Die FASB-Aufweichung ermöglichte, eigene Assets (Aktiva wie CDOs) mit dem Einkaufspreis statt mit dem Marktkurs zu bewerten, während Passiva (etwa eigene Anleihen, die stark im Wert verloren hatten) mit dem Marktwert bewertet werden durften. Folge des Fantasy Accounting: Wie durch ein Wunder und "für Alle völlig überraschend" verbuchten Großbanken wie Wells Fargo, Goldman Sachs und J.P. Morgan Chase plötzlich wieder wieder hohe Milliardengewinne.
Nun kommt der letzte -und unverschämteste - Akt des Dramas: GS und einige andere Banken wollen mit diesen zusammengeschwindelten Milliarden nun die TARP-Gelder an die Fed zurückzahlen, damit ihnen die "Washingtoner Bürokraten" nicht mehr Niedriggehälter diktieren können.
Im Endeffekt werden die 700 Milliarden an Bailout-Geldern dann dafür benutzt, dass sich die Banken von ihrer TARP-Fron bei der Fed freikaufen können, d.h. die TARP-Schulden der Banken bei der Fed werden auf den US-Steuerbürger umgeschuldet.
Den absoluten Gipfel an Frechheit liefern nun einige US-Bankbosse, die behaupten, sie wären auf die TARP-Gelder ja "eigentlich" nie wirklich angewesen gewiesen. Es gab keine Krise. Der Steuerzahler hat "einen ausgegeben", der Kater ist kuriert. Und wenn man auf die TARP-Gelder eh nicht angewiesen ist, dann kann man sie doch auch gleich zurückzahlen, oder?
FAZIT: Mit Paulsons "Coup" wurde die US-Regierung zu einem Verein ahnungsloser und willfähriger "Abnicker" degradiert, dessen Hauptaufgabe darin besteht, in "Verzocker-Notfällen" die Geldversorgung der weltgrößten Hedgefonds an der Wall Street mit Steuergeldern wiederherzustellen. Ist das erledigt, gelten bis auf Weiteres wieder die "Selbstheilungskräfte des Marktes" - und die Banken können wieder die Lobes-Hymne der freien Marktwirtschaft anstimmen.