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.......Es ist wieder so ein Wochenende, an dem alle geeint sind im Fremdschämen. Denn von allem anderen abgesehen, ist die ganze Krise auch unglaublich peinlich. Millionäre wollten noch mehr Millionen und haben die Risiken und nun die Schulden auf uns alle abgewälzt. Und wir eilen, es zu überweisen. Das klingt würdiger, wenn man es kompliziert ausdrückt. Man kann dann in Abkürzungen reden, jeden Sektor und jede Maßnahme noch mal einzeln anführen. Doch kommt man um das kurze Urteil nicht herum, das Jeff Madrick am Ende eines exzellenten, langen Artikels in der New York Review of Books fällte: „Teilnehmer der Finanzmärkte haben beim Streben nach persönlichem Reichtum eine Krise von katastrophischem Ausmaß herbeigeführt.“ Einfach nur für Geld, Geld für sich. Und mildernde Umstände? Schwere Kindheit?
Man würde zwar gern dem brasilianischen Präsidenten widersprechen, wenn er erklärt, das sei eine Krise, die weiße Männer in feinen Anzügen verursacht hätten - keinen Schwarzen, keinen Indio und keine Frauen habe er unter den Oberbankern gesehen und doch müssten die nun die so angelaufenen Schulden mit abtragen. Aber was soll man schon entgegnen? Selbst wenn man seinen Rassismus ablehnt, wenn Inder oder Afroamerikaner mitspekuliert haben, soziologisch gesehen stimmt es: Es war eine Elite, die am besten ausgebildeten, am besten bezahlten Herren aus den besten Familien, die das Geld der Welt verjuxt haben. Jetzt drucken wir ihnen schnell neues. Eigentlich urkomisch.
„Die Leute sind sauer, aber noch lange nicht sauer genug“, schreibt Matt Taibbi, der politische Kolumnist des amerikanischen Rolling Stone: „Es ist vorbei. Kein Imperium übersteht es, dauerhaft lächerlich gemacht zu werden.“ Und er rechnet vor: Der Versicherungskonzern AIG hat in den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres 27 Millionen Dollar pro Stunde verloren, 465 000 Dollar in der Minute. Und braucht noch mehr Geld. Und wollte noch vorletzte Woche seinen so empfindlichen Genies weitere Boni zahlen, und Privatflugzeuge und die Maniküre. In Deutschland haben wir bei der Dresdner Bank und der Hypo Real Estate Vergleichbares. Ein Staat, der hier weiter Geld rausrückt, setzt seine Legitimität aufs Spiel. Nichts untergräbt Regierungssysteme so schnell und wirksam wie die Lächerlichkeit.
Darum ist die Krise nun eine Krise der symbolischen Repräsentation und damit eine Machtfrage geworden. Zwei Elemente sind es, die dauerhaft für Unruhe sorgen werden: Die Bewältigung der Krise ist zutiefst unfair. Das Risiko der Spekulationen tragen nicht die, die von ihrem Gewinn profitiert hätten. Politik zuckt mit den Schultern, was soll man denn machen? Das Geld ist futsch, das Riskio für das System akut, bleibt nichts übrig, als zu zahlen. Damit alles schnell wieder so wird, wie es war.
Es gibt aber Alternativen. Mit dem nun schon aufgewendeten Geld hätte man systemrelevante Institute neu gründen können, die einen Teil der Verpflichtungen der alten übernehmen. Man hätte ansonsten die Chefs der geretteten Banken nach den Tarifen des öffentlichen Dienstes entlohnen müssen, auch davon soll man leben können. Diese Symbole sind sehr wichtig! Der Manager einer durch Steuergelder geretteten Bank, der nur noch soviel verdient wie ein deutscher Professor hätte viel verloren, aber seine Ehre gerettet - und die des einspringenden Staates gleich mit.
Doch das Verfahren, in dem entschieden wird, welche Bank wieviel und wofür kriegt, ist intransparent. Der Komplex aus opaken Staatsagenturen und informellen Runden mit Bankenchefs kann schnell wie ein Klüngel wirken. Das ist hochgefährlich.
Denn hinzu kommt ein zweiter Faktor, der es schwer macht, zur Tagesordnung zurückzukehren: Die serienmäßigen Verbrechen an der Logik. Die Bürger fühlen sich der Republik auch deswegen zugehörig, weil sie darauf vertrauen, dass es einigermaßen rational zugeht, weil sie den Gang der Dinge, die Verteilung der Lasten und der Macht einsehen. In dieser Krise aber wurden die Gesetze der Logik außer Kraft gesetzt: Fehler blieben ohne Folgen. Der Crash war absehbar, und doch wurde den guten Argumenten der Warner kein Glauben geschenkt, die Ideologie der Finanzmärkte triumphierte in jedem Fall. Firmen galten als gesund, weil man die Kontrollen, die einen gegenteiligen Befund hätten erstellen können, abgeschafft hatte. Ebenso könnte die Tabaklobby die Standesämter schließen lassen: Wenn niemand mehr Totenscheine ausstellt, ist doch alles bestens.
Die unfaire Krisenbewältigung und die Abschaffung der Logik zum Zwecke der persönlichen Bereicherung sind schwere Angriffe auf das republikanische Betriebssystem. Die Lage wird sich weiter verschärfen. Graydon Carter, der Chef der amerikanischen Vanity Fair hält es für möglich, dass wir erst „am Anfang vom Anfang stehen“.
Unkonventionelle Maßnahmen müssen uns einfallen. Man könnte sich auf eine gute Idee aus den Gründerjahren der Republik besinnen, das Lastenausgleichgesetz. Damals mussten jene Bundesbürger, die noch über Immobilien oder Vermögen verfügten, die Hälfte davon in 120 vierteljährlichen Raten in einen Fonds einzahlen, der den Verlust der anderen durch Krieg und Vertreibung zu kompensieren versuchte. So etwas ist heute in Bezug auf Gewinne aus Aktien wieder denkbar.
Wir brauchen einen Untersuchungsausschuss, der vergleichbar der amerikanischen Kommission zur Aufklärung der Anschläge des 11.September Schritt für Schritt und in öffentlich übertragener Sitzung den Weg in die Katastrophe, für die wir noch so viele Jahre werden bezahlen müssen, nachvollzieht. Alle wesentlichen Akteure sollten dort aussagen.
Die Krise muss moralische und finanzielle Folgen für ihre Verursacher haben. Anders lässt sich der Zusammenhalt der Gesellschaft nicht bewahren
hier ist übrigens der oben erwähnte Artikel von Jeff Madrick,schon etwas älter,mit einer schönen Darstellung wie die CDOs aus dem Ruder gerieten und was nun getan werden sollte:
www.nybooks.com/articles/22280
......One problem was that the Fed did not have adequate information about these markets because derivatives were not traded openly and the latest CDOs, including mortgage-backed obligations, were mostly on the books of the shadow banking system. It was a serious lapse of judgment, not to mention responsibility, on the part of the Federal Reserve under Greenspan and the Securities and Exchange Commission under Christopher Cox to fail to seek more comprehensive information far earlier about the surge of lending....
... The team of economists headed by Lawrence Summers, the former Treasury secretary (1999–2001), were, after all, themselves supporters of financial deregulation in the 1990s when most of them were members of the Clinton administration. As the Times's series notes, Rubin, who preceded Summers as Treasury secretary (1995–1999), Summers, then his deputy, and Greenspan opposed regulating derivatives. In 1999, Rubin and Summers supported the repeal of the Glass-Steagall Act, the New Deal restriction separating investment and commercial banking.
In fact, with the blessings of the Clinton administration and Greenspan, commercial banks were already engaging in many of the more aggressive activities of investment banks; and investment banks, along with hedge funds, private equity firms, and other institutions, as we have seen, were making the loans once the province of commercial banks through purchases and packaging of mortgage-backed obligations. The Bush administration took deregulation further, essentially eliminating, for example, limits placed on borrowing by major investment banks........Greenspan had been given the authority to examine the quality of mortgage lending by Congress in the 1990s, but simply did not use it, pleading free-market principles. The SEC under Bush appointee Cox could have examined the books of investment banks, but again mostly did not bother.
.......But the first order of business is to right the economy, and so far there has been only modest success at preventing matters from getting worse, for all the seeming activity by the Fed and Treasury. The number of lost jobs is rising sharply, consumption and manufacturing output are falling at record rates, house prices keep sliding, and large firms, like Linens 'n Things, have closed their doors. The major auto companies have only just won a reprieve with a loan from the federal government. What makes this recession more precarious than the steep 1982 recession is that a further fall in incomes will bring another round of intense credit contraction, as more home owners default, including prime borrowers. Now, many corporate borrowers are also one or two steps away from defaulting....
...This is, as many economists now concur, the worst economic crisis since the Great Depression. Financial market participants created a financial bubble of tragic proportions in pursuit of personal gain. But the deeper cause was a determination among people with political and economic power to minimize the use of government to oversee the financial markets and to guard against natural excess. If solutions are to be found, the nation requires robust and pragmatic use of government, free of laissez-faire cant and undue influence from the vested interests that have irresponsibly controlled the economy for too long.
—January 14, 2009